Befragung
DIE MINIPILLE OHNE REZEPT?
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Wer in Deutschland die sogenannte „Pille danach“ zur Notfallverhütung benötigt, kann sie, nach einer ausführlichen Beratung, auch ohne Rezept in einer Apotheke erwerben. Können wir das Prinzip auf rein gestagenhaltige Minipillen übertragen? Laut ärztlichen Leitlinien, rechtlich und im Sinne der niedrigschwelligen Versorgung spricht nichts dagegen, sagt Kontrazeptiva-Hersteller HRA Pharma, und hat die Meinung von Apothekerinnen und Apothekern eingeholt.
Barrierefreier Zugang zu hormonellen Verhütungsmitteln
Das vorweg: Im Fokus der Idee steht nicht die östrogenhaltige Mikropille, die mit Nebenwirkungen wie Stimmungsschwankungen und erhöhtem Thromboserisiko einhergeht. Sondern es geht um die Minipille, die lediglich ein Gestagen wie Desogestrel oder Norgestrel enthält.
Aktuell wird die Minipille in Deutschland vor allem dann eingesetzt, wenn Kontraindikationen gegen die östrogenhaltige Mikropille bestehen: in der Stillzeit, bei Raucherinnen, bei starker Adipositas oder anderweitig erhöhtem Thromboserisiko. Anders als bei östrogenhaltigen Mikropillen sind vor der Einnahme einer Minipille keine gynäkologische Untersuchung notwendig und auch kein keine halbjährlichen Kontrolltermine.
Natürlich ist es sinnvoll, regelmäßig zum Frauenarzt oder der Frauenärztin zu gehen.
Es gibt aber keinen Grund, die Einnahme der Minipille an diese Besuche zu knüpfen (anders als bei der Mikropille). Wer anderweitig oder gar nicht verhütet, lässt sich schließlich auch nicht zwingend regelmäßig untersuchen. Selbst in den gynäkologischen Leitlinien ist nur für die Mikropille ein ärztliches Monitoring vorgesehen.
Gerade dieser Frauenarztbesuch hindert einige Frauen daran, selbstbestimmt zu verhüten. Hier könnte die rezeptfreie Abgabe der Minipille in der Apotheke eine Versorgungslücke schließen.
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OTC-Switch der Minipille – ja oder nein?
Eine Studie befragte 100 deutsche Apotheker und Apothekerinnen. 98 Prozent finden, ein einfacher Zugang zu hormonellen Verhütungsmitteln ist für Frauen in Deutschland wichtig. Doch nur 66 Prozent sehen diesen als gegeben an, die Hälfte der Befragten sieht den Grund dafür in der Rezeptpflicht, der gynäkologischen Untersuchung und den oftmals langen Wartezeiten auf einen Arzttermin.
Zwei Drittel fühlen sich in ihrer Beratungsleistung eingeschränkt, wenn sie Frauen, denen die Pille ausgegangen ist, ohne Rezept nicht helfen können. Dabei fühlen sich 87 Prozent sicher in der Beratung. Und wie stehen sie zu einem OTC-Switch der Minipille? Zwei Drittel stehen der rezeptfreien Minipille positiv gegenüber. Sie wünschen sich allerdings Schulungen, um sicher beraten zu können. 93 Prozent sehen den PTC-Switch als geeignetes Mittel, um Hürden in der Versorgung mit oralen Kontrazeptiva zu überwinden.
Quelle: „OTC-Switch Pille?“, digitales Fachpressegespräch vom 3. Mai 2023. Veranstalter: HRA Pharma.
Update Januar 2024
Am 23. Januar 2024 hat der Sachverständigen-Ausschuss über den OTC-Switch der Desogestrel-Minipille in Deutschland getagt. Das überraschende Ergebnis: Der Antrag auf Entlassung aus der Verschreibungspflicht für Desogestrel 75 µg wurde einstimmig abgelehnt. Die Begründung wird allerdings erst zu einem späteren Zeitpunkt bekanntgegeben.
Professor Dr. Uwe May ist Studiendekan an der Hochschule Fresenius für den Masterstudiengang International Pharmacoeconomics and Health Economics. Er war als externer Berater bei der Sitzung des Sachverständigen-Ausschusses dabei. Gegenüber der Pharmazeutischen Zeitung kommentierte er: „Das Gremium ist extrem risikoorientiert, was die Arzneimittelsicherheit angeht, beachtet aber weniger die Risiken, die zum Beispiel entstehen, wenn auf eine Behandlung oder Anwendung aufgrund zu hoher Hemmnisse verzichtet wird. Im Fall der Minipille wären das ungewollte Schwangerschaften und möglicherweise Abtreibungen. Als es zuletzt um Sildenafil und Tadalafil gegen erektile Dysfunktion ging, wurde nicht berücksichtigt, dass viele Männer sich die Tabletten dann, wie es ja derzeit auch der Fall ist, eben über den Schwarzmarkt besorgen und eventuell gefälschte Produkte bekommen. Solche gesamtgesellschaftlichen Aspekte, die über das Pharmakologische hinaus gehen, sind für die Menschen von großer Bedeutung und sollten daher stärker in die Abwägung von Risiken und Nutzen eines Switches einbezogen werden.“ Nach Mays Ansicht missachtet die Entscheidung des Sachverständigen-Ausschusses die Selbstbestimmung der Frau.
Zum Verfahren: Der Sachverständigen-Ausschuss für Verschreibungspflicht ist am Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) angesiedelt. Er berät das Bundesgesundheitsministerium (BMG). Rechtlich gültig werden Änderungen erst, wenn das BMG die Arzneimittelverschreibungsverordnung ändert.
Quellen:
https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/news/artikel/2024/01/23-01-2024/die-minipille-gibt-es-in-deutschland-weiterhin-nur-auf-rezept
https://www.pharmazeutische-zeitung.de/die-selbstbestimmung-der-frauen-wird-nicht-beachtet-145081/