Darstellung eines menschlichen Gehirns, dass Probleme aufzeigt auf blauem Hintergrund.© Naeblys / iStock / Getty Images Plus
Eine Ataxie betrifft rund 16 000 Deutsche. Sie beruht auf einer Störung der Kommunikation zwischen Kleinhirn und Rückenmark.

Autoantikörper

NEUE ERKRANKUNG SCHÄDIGT KLEINHIRN GANZ PLÖTZLICH

Neurologen haben eine neue Art der Ataxie entdeckt, die Betroffene am Gehen, Sehen, Sprechen und Greifen hindert. Die schlechte Nachricht: Die Erkrankung kommt scheinbar aus dem Nichts, trifft junge Menschen und schreitet extrem schnell fort. Die gute Nachricht: Im Unterschied zu anderen Ataxien kann man etwas dagegen tun. 

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Eine Ataxie betrifft rund 16 000 Deutsche. Sie beruht auf einer Störung der Kommunikation zwischen Kleinhirn und Rückenmark und äußert sich in Problemen beim Gehen, Sprechen, Greifen und bei kontrollierten Augenbewegungen. Die Ursachen liegen meist im Kleinhirn selbst.

Neben Morbus Parkinson, der im Spätstadium ebenfalls das Kleinhirn schädigt, sind Durchblutungsstörungen, genetische Faktoren oder Tumorerkrankungen bisher als Ursachen bekannt. Nun haben Forscher eine neue, besonders aggressive Art der Ataxie entdeckt.
 

Rasanter Fortschritt aus heiterem Himmel

Ein Team um Professor Dr Kurt-Wolfram Sühs, Oberarzt an der Klinik für Neurologie der Medizinischen Hochschule Hannover, hat die neue Art der Ataxie entdeckt. Die Ursache ist eine schwere Entzündung des Kleinhirns, die dazu führt, dass ein erheblicher Substanzverlust eintritt.

Was macht das Kleinhirn?
Das Kleinhirn, auch Cerebellum genannt, ist der Dirigent für unsere Bewegungsabläufe und das Gleichgewicht. Ist es geschädigt, funktioniert die Koordination nicht mehr richtig, und zwar in allen Bereichen des Körpers. Oft zeigen sich Schäden schleichend und Beschwerden entwickeln sich über Jahre. Durchblutungsstörungen, Krebserkrankungen, aber auch Infektionen oder andere neurologische Erkrankungen können das Kleinhirn angreifen, was dann zu einer zerebellären Ataxie führt. 

Die vier Betroffenen waren zwischen 18 und 34 Jahren alt und vor dem Ausbruch der Erkrankung völlig gesund. Sie wiesen hohe Zahlen von Immunzellen im Nervenwasser auf, was eigentlich auf bakterielle oder virale Infektionen hindeutet. Erreger konnten die Forscher aber nicht nachweisen. Weiterführende Untersuchungen ergaben, dass die Patienten alle einen bestimmten Autoantikörper besaßen, der speziell gegen Kleinhirnzellen gerichtet war und diese zerstörte. Vor allem der 18-Jährige entwickelte rasant schnell schwere Symptome wie Doppelbilder und Störungen im Bewegungsablauf, und zwar innerhalb von zwei Wochen.

Autoantikörper schädigt Kleinhirn

Der Autoantikörper namens Anti-DAGLA befand sich im Nervenwasser aller vier Patienten. Mittels einer Methode namens indirekter Immunfluoreszenz wurde er spezifisch nachgewiesen. Proben Gesunder ergaben keine positiven Nachweise. Sie wiesen entweder keine Autoantikörper auf oder ihre banden an andere Stellen und führten so nicht zu der Kleinhirnschädigung.

Anti-DAGLA kann somit als Biomarker für die neue Form der Ataxie dienen. Gerade bei dem schnellen Fortschritt der Erkrankung kommt es auf eine frühzeitige Therapie an.
 

Therapie möglich, aber schnell

Die Betroffenen sprachen gut auf eine Behandlung mit Entzündungshemmern, Entfernung der Antikörper durch Blutwäsche und den Wirkstoff Rituximab an. Dieser wird bei Autoimmunerkrankungen eingesetzt. Der Nachteil: Rituximab hemmt Immunreaktionen unspezifisch. Es hemmt alle B-Zellen des Immunsystems, die für die Antikörperbildung zuständig sind. 

Bisher weiß man noch nicht, was nach dem Andocken des Anti-DAGLA in den Kleinhirnzellen passiert. Es könnte sein, dass das Protein DAGLA selbst stillgelegt wird oder eine Signalkaskade an andere Immunzellen zur Zerstörung der Zellen durch die Bindung in Gang kommt. Da die Patientenzahl bisher sehr klein ist, braucht es noch viel weitere Forschung. Das Ziel ist eine Therapie, die sich ausschließlich gegen die B-Zellen richtet, die den Autoantikörper bilden. 

Quellen:
https://idw-online.de/de/news834415 
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/38663995/ 
https://flexikon.doccheck.com/de/Zerebell%C3%A4re_Ataxie 
https://www.dzne.de/aktuelles/hintergrund/ataxie/ 
 

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