Alzheimer
HIRNABWEHRZELLEN RÜSTEN GEGEN BEGINNENDE DEMENZ AUF
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Warum stieg der Zuckerbedarf im Hirn an? Diese Frage stellte sich das Team um Xianyuan Xiang, als es Patienten mit neurodegenerativen Erkrankungen eine radioaktiv markierte Glucoselösung gab. Bei der sogenannten FDG-Positronen-Emissions-Tomographie (FDG-PET) kann man dann sehen, welche Regionen im Kopf wie viel Glucose verbrauchen. Der Zuckerbedarf in den betroffenen Bereichen sinkt, denn bei Alzheimer und Co. sterben ja Hirnzellen ab.
Doch bevor der Zuckerbedarf der erkrankten Hirnregionen sinkt, steigt er noch einmal an. Bisher ging man davon aus, dass die Schwankungen in der Glucoseverteilung vor allem auf einen unterschiedlichen Glucosebedarf der Nervenzellen im Gehirn zurückgehen – dass also die Zellen, die besonders aktiv sind, mehr Energie benötigen.
Nicht nur Nervenzellen beteiligt
Doch es sind nicht nur Nervenzellen, die Glucose benötigen. Dr. Matthias Brendel, Kollege Xiangs, erklärt: „Die räumliche Auflösung der FDG-PET reicht nicht aus, um zu erkennen, in welchen Zellen sich die Glucose anreichert. Letztlich erhält man ein Mischsignal, das nicht nur von Nervenzellen stammt, sondern auch von den Mikroglia und anderen Zelltypen, die im Gehirn vorkommen.“
Mikroglia sind eine Art Verteidigungszellen, die mit ihren feinen Ärmchen feindliche Eindringlinge abfangen. Außerdem stärken sie die Synapsen oder bauen sie ab, damit das Hirn sich an seine Aufgaben anpassen kann.
Zuckerhungrige Mikroglia
So untersuchten die Forscher zunächst Mäuse, in deren Gehirn sich fehlgefaltete Proteine angelagert hatten (ähnlich wie bei einer Alzheimer-Demenz). Hirnscans dieser Mäuse zeigten eine deutlich stärkere Glucoseaufnahme. Verabreichten die Forscher jedoch eine Substanz, die die Mikroglia zerstörte, blieb dieser Vorgang aus. Und nicht nur das, die Aufnahme von Zucker war sogar geringer als bei gesunden, unbehandelten Mäusen – was darauf hindeutete, dass die Glucose im Wesentlichen von Mikroglia verbraucht wird. Das bestätigte sich, als die Forscher den Mäusen Hirnzellen entnahmen und den Zuckerverbrauch der verschiedenen Zelltypen einzeln maßen.
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Schützen Mikroglia Regionen im Anfangsstadium der Demenz?
Im nächsten Schritt, als man menschliche, demente Probanden einem Hirnscan unterzog, stellte man fest, dass sich die radioaktiv markierte Glucose vor allem in den Hirnregionen anlagerte, die noch wenig von der Krankheit geschädigt waren. „Die Daten weisen darauf hin, dass die Aktivierung der Mikroglia mit einem erhöhten FDG-PET-Signal in Regionen ohne nennenswerte neuronale Schädigung verbunden ist“, schreiben die Forscher. „Dies scheint notwendig zu sein, um ihnen eine akute, sehr energieaufwändige Abwehrreaktion zu ermöglichen. Diese kann zum Beispiel gegen krankheitsbedingte Proteinaggregate gerichtet sein“, sagt Xiangs Kollege Professor Dr. Dr. Christian Haass.
Er hofft, dass die Ergebnisse auch dazu beitragen können, zukünftig Therapieerfolge besser überprüfen zu können. „In den letzten Jahren hat sich herausgestellt, dass die Mikroglia bei Alzheimer und anderen neurodegenerativen Erkrankungen eine maßgebliche, schützende Rolle spielen. Es wäre sehr hilfreich, wenn man Aktivität und Reaktion dieser Zellen etwa auf Medikamente nicht-invasiv überwachen könnte – insbesondere, um festzustellen, ob eine Therapie anschlägt. Unsere Befunde deuten darauf hin, dass das per PET möglich sein könnte.“
Quelle: Wissenschaft.de