Nahaufnahme einer jungen traurigen Frau mit einer Psychose (stilisiert)© FotografieLink / iStock / Getty Images
Die Schizophrenie ist eine heterogene Erkrankung, die Behandlung deshalb schwierig. Die bisher übliche Behandlung der Schizophrenie erfolgt mit Neuroleptika.

Durchbruch mit neuem Wirkprinzip

NEUES MEDIKAMENT BEI SCHIZOPHRENIE ZUGELASSEN

In den USA gibt es seit Kurzem ein neues Medikament zur Behandlung der Schizophrenie. Das könnte ein Durchbruch sein, denn viele der vorhandenen Wirkstoffe verwendet man schon sehr lange. Erstmals seit Jahrzehnten kommt mit Cobenfy® nun ein neues Medikament mit einer völlig neuen Wirkweise gegen Schizophrenie auf den Markt.

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Neue Medikamente gegen die Schizophrenie sind selten, Behandlungen gibt es aber schon seit den 1950er Jahren. Betroffene leiden unter sehr unterschiedlichen Symptomen, was die Behandlung kompliziert macht. Auch die Nebenwirkungen der eingesetzten Medikamente können die Therapie der Schizophrenie erschweren.

Das neue Medikament enthält eine Kombination aus zwei Wirkstoffen. Der eine wirkt gegen die Symptome der Schizophrenie, der andere ist ein alter Bekannter.

Neues Medikament gut wirksam gegen Schizophrenie

Xanomelin heißt der Wirkstoff, der im neuen Medikament gegen die Schizophrenie wirkt. Er durchdringt die Blut-Hirn-Schranke und wirkt als Agonist an Muscarinrezeptoren der Typen M1 und M4. Diese Acetylcholin-Rezeptoren finden sich in bestimmten Bereichen des Gehirns und spielen bei der Entstehung von Psychosen wie der Schizophrenie eine Rolle.

Da Muscarinrezeptoren auch in der Peripherie vorkommen, würde Xanomelin allein diese ebenfalls aktivieren und so zu Nebenwirkungen führen. Deshalb wird in dem neuen Medikament das zentral wirksame Xanomelin mit Trospiumchlorid kombiniert. Dieses hat bei Schizophrenie keinerlei Bedeutung. Weil die bekannte Substanz aber ausschließlich an peripheren Muscarinrezeptoren antagonistisch wirkt, verhindert sie Nebenwirkungen. Zugelassen ist das Anticholinergikum bei übermäßigem Harndrang.

Das neue Medikament Cobenfy® zeigt in klinischen Studien eine gute Wirksamkeit gegen die Symptome der Schizophrenie binnen fünf Wochen. Langzeitdaten über ein Jahr wurden zwar bisher nicht veröffentlicht, scheinen der amerikanischen Zulassungsbehörde FDA aber vorgelegen zu haben.

„Durchbruch“ in der Behandlung der Schizophrenie

Das neue Medikament wird zur Behandlung der Schizophrenie zweimal täglich eingenommen, und zwar mindestens eine Stunde vor oder zwei Stunden nach den Mahlzeiten. Die häufigsten Nebenwirkungen sind Übelkeit, Verdauungsstörungen, Blutdruck- und Pulsanstieg sowie Schwindel. Ein Angioödem oder Harnverhalt können ebenfalls auftreten. Bei bekanntem Engwinkelglaukom, Leber- oder Nierenfunktionsstörungen sollte eine Behandlung mit dem neuen Medikament gegen Schizophrenie mit Vorsicht erfolgen.

In Europa liegt den Behörden bisher kein Zulassungsantrag für Cobenfy® vor. Hierzulande bewerten Experten das neue Medikament aber als „Durchbruch in der Pharmakotherapie der Schizophrenie“. Professor Dr. Alkomiet Hasan, Lehrstuhlinhaber für Psychiatrie und Psychotherapie an der Universität Augsburg sieht bei dem neuen Medikament besonders Potential bei akuten Psychosen, zu denen auch die Schizophrenie zählt, und in frühen Phasen der Erkrankung.

Ursachen der Schizophrenie weitgehend unbekannt

Die Schizophrenie ist eine heterogene Erkrankung, die Behandlung deshalb schwierig. Neue Medikamente gab es seit Jahrzehnten nicht. Bei den Symptomen der Schizophrenie unterteilt man in Positiv- und Negativsymptome. Positivsymptome beruhen auf einer gesteigerten psychischen Aktivität und äußern sich in Halluzinationen und Wahnvorstellungen. Negativsymptome durch verminderte psychische Aktivität sind Einschränkungen des Denkens, Fühlens und Handelns.

Die bisher übliche Behandlung der Schizophrenie erfolgt mit Neuroleptika. Diese Substanzen wirken auf unterschiedliche Rezeptoren, die genauen Wirkmechanismen kennt man nicht. Die erste Substanz war Cloprothixen, der am häufigsten weltweit verwendete Wirkstoff ist Haloperidol. Das neue Medikament bietet erstmals einen völlig neuen Ansatz gegen Schizophrenie.

Man vermutet als Ursache der Schizophrenie ein multifaktorielles Geschehen aus Veränderungen der Hirnanatomie und psychosozialen Faktoren. Diskutiert werden als Ursachen einer Schizophrenie auch frühkindliche Infektionen mit Herpes- oder Influenzaviren, Drogenkonsum oder Borreliose. Rund 0,5 bis 1 Prozent der Deutschen leiden an Schizophrenie. Neue Medikamente werden dringend gebraucht, denn etwa zehn Prozent der Betroffenen von Schizophrenie nehmen sich letztlich das Leben.

Das neue Medikament hat in den Augen von Professor Hasan besonderes Potential gegen die Positivsymptome der Schizophrenie. Es wirkt wenig sedierend und birgt im Gegensatz zu bisher üblichen Behandlungen wenig Risiken für motorische Nebenwirkungen. Ob das neue Medikament die Negativsymptome der Schizophrenie auch lindern kann und ob es genauso gut wirkt wie die bisherigen Behandlungen, werden Vergleichsstudien klären müssen.

Quellen:
https://www.pharmazeutische-zeitung.de/neues-wirkprinzip-bei-schizophrenie-150264/
https://www.fda.gov/news-events/press-announcements/fda-approves-drug-new-mechanism-action-treatment-schizophrenia
https://flexikon.doccheck.com/de/Schizophrenie

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