Diabetes-Praxiswissen: Typ-2-Therapie neu gedacht
17 Minuten
- 1Blutzucker-Stoffwechsel
- 2Erkrankungs-Typen
- 3Diabetes-Diagnose
- 4Typ-2-Therapie: Teil I
- 5Typ-2-Therapie: Teil II
- 6Insuline
- 7Lernerfolgskontrolle
01. März 2025
GLP-1-Agonisten
Typ-2-Diabetikern mit renalem oder kardiovaskulärem Risiko werden GLP-1-Rezeptoragonisten wie zum Beispiel Dulaglutid, Semaglutid oder das Twinkretin Tirzepatid empfohlen. Diese Wirkstoffe greifen in den Inkretinstoffwechsel ein, indem sie die Wirkung des physiologischen Darmhormons GLP-1 nachahmen.
Sie aktivieren den Rezeptor für GLP-1 und sorgen so für eine glucoseabhängige Freisetzung von Insulin aus den Betazellen der Bauchspeicheldrüse. Deshalb werden sie auch GLP-1-Analoga genannt. Vorteilhaft ist, dass diese Wirkstoffe die Insulinsensitivität erhöhen und die periphere Glucoseaufnahme verbessern. Sie verzögern die Magenentleerung und hemmen den Appetit, was häufig eine gewünschte Gewichtsabnahme bewirkt.
Deshalb werden sie auch unter dem Begriff „Abnehmspritze“ bei Adipositas eingesetzt. Für Patienten mit Adipositas, die keine Diabetiker sind, gibt es eigene Arzneimittel für diese Indikation. Faktisch handelt es sich um denselben Wirkstoff, allerdings für den doppelten Preis und nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung. Das ist der Grund, dass auch Nicht-Diabetiker versuchen, das Arzneimittel mit Indikation Diabetes von Ärzten verordnet zu bekommen. Die Konstellation der hervorragenden Wirksamkeit bei Diabetes, der erhöhten Verschreibungszahlen und der gestiegenen Nachfrage zur Therapie der Adipositas führte zu den Lieferengpässen, die Versorgungsprobleme verursachen.
Aufgrund zahlreicher Studien wird den GLP-1-Agonisten auch eine protektive Wirkung des Herzens und der Nieren zugeschrieben. Sie besitzen ein gutes Sicherheitsprofil, da sie keine Hypoglykämien auslösen.
Es besteht eine Kontraindikation für Patienten mit einer glomerulären Filtrationsrate (GFR) unter 30. Die Datenlage für Patienten über 75 Jahre ist nicht ausreichend. Bei Verdacht auf eine Pankreatitis muss die Therapie abgesetzt werden. Diese Fälle sind aber sehr selten.
Als häufige Nebenwirkung werden gastrointestinale Beschwerden, zum Beispiel Übelkeit genannt. Sie können Kunden hier den Tipp geben, kleine Mahlzeiten zu essen und auf fette und schwere Nahrung zu verzichten. Die gastrointestinalen Nebenwirkungen sind meistens auf die verzögerte Magenentleerung zurückzuführen. Pflanzliche Carminativa können außerdem die Beschwerden lindern und die Motilität des Magens verbessern.
Werden höhere Dosierungen vom Arzt angestrebt, sollte die Dosisanpassung schleichend erfolgen. Wenn die niedrigen Dosierungen vertragen werden, kann schrittweise erhöht werden.
Dulaglutid und Semaglutid werden einmal wöchentlich möglichst immer am selben Tag subkutan injiziert. Dies ist für viele Patienten ein Vorteil zur Stärkung der Therapietreue. Allerdings gibt es immer noch Diabetiker, die die Injektion von Insulin oder der GLP-1-Agonisten aufgrund einer Nadelphobie ablehnen.
Eine Weiterentwicklung der GLP-1-Agonisten ist Tirzepatid, ein Twinkretin. Tirzepatid wirkt als hochselektiver Agonist an Rezeptoren der Inkretine GLP-1 und GIP. Der Wirkstoff erhöht auf die gleiche Weise wie die körpereigenen Hormone GIP und GLP-1 glucoseabhängig die Insulinmenge, die die Bauchspeicheldrüse als Reaktion auf Nahrung freisetzt.
Nach der Indikationserweiterung darf Tirzepatid auch als Ergänzung zu einer kalorienreduzierten Diät und erhöhter körperlicher Aktivität zur Gewichtskontrolle, einschließlich Gewichtsabnahme und Gewichtserhaltung, bei adipösen Erwachsenen mit einem anfänglichen Body-Mass-Index von mindestens 30 kg/m² zum Einsatz kommen. Außerdem darf Tirzepatid laut Fachinformation auch bei Übergewichtigen mit einem BMI zwischen 27 und 30 kg/m² bei Vorliegen von mindestens einer gewichtsbedingten Begleiterkrankung verordnet werden, wie etwa Bluthochdruck, Dyslipidämie, obstruktive Schlafapnoe, Herz-Kreislauf-Erkrankung, Prädiabetes oder Diabetes mellitus Typ 2.
DPP-4-Inhibitoren
Eine orale Therapieoption, die auch in das Inkretinsystem eingreift, sind die Dipeptidyl-Peptidase-4-Inhibitoren (DPP-4-Inhibitoren), die den Abbau der Inkretine verzögern. In Deutschland sind Sitagliptin (für die Monotherapie) und Saxagliptin (nur für die Kombinationstherapie) zugelassen. Sie verstärken die Inkretinwirkung und steigern so nach der Kohlenhydratzufuhr die Insulinsekretion. DPP-4-Hemmer erhöhen aber nur dann den Inkretinspiegel, wenn die Inkretinhormone nach der Aufnahme von Kohlenhydraten auch ausgeschüttet werden.
Seltene Nebenwirkungen sind Durchfall, Kopfschmerzen und Schnupfen. Die Einnahme erfolgt einmal täglich unabhängig von den Mahlzeiten. Auch sie begünstigen eher eine Gewichtsabnahme, sind aber dabei nicht so wirksam wie die GLP-1-Analoga.