Diabetes-Praxiswissen: Typ-2-Therapie neu gedacht
17 Minuten
- 1Blutzucker-Stoffwechsel
- 2Erkrankungs-Typen
- 3Diabetes-Diagnose
- 4Typ-2-Therapie: Teil I
- 5Typ-2-Therapie: Teil II
- 6Insuline
- 7Lernerfolgskontrolle
01. März 2025
Wenn die genannten Arzneimittel nicht (mehr) ausreichen oder der Typ-2-Diabetiker kein Insulin mehr produziert, ist ebenso wie beim Typ-1-Diabetiker die Injektion mit Insulinen und Insulin-Analoga erforderlich. Auch Frauen mit einem Schwangerschaftsdiabetes und Patienten mit Nierenversagen werden mit Insulinen behandelt.
Das Ziel der Insulintherapie ist, den Patienten so physiologisch wie möglich einzustellen. Dazu gibt es Humaninsuline und Insulinanaloga, die je nach Wirkstoff in langwirksame und kurzwirksame Insuline unterteilt werden.
- Humaninsuline werden zwar biotechnologisch hergestellt, aber entsprechen chemisch dem menschlichen Insulin.
- Die Insulinanaloga weichen bezüglich ihrer Aminosäurestruktur geringfügig vom natürlichen Humaninsulin ab. Der Austausch oder das Ergänzen einzelner Aminosäuren führt zu einem veränderten Wirkungseintritt oder einer veränderten Wirkdauer des Insulinanalogons. Außerdem gibt es auch Mischinsuline, bei denen ein lang- und ein kurzwirksames Insulin kombiniert werden.
Schnell und kurzwirksam
Kurzwirksame Insuline werden Bolusinsuline genannt. Sie weisen einen schnelleren Wirkeinsatz und eine kürzere Wirkdauer auf. Kurzwirksame Humaninsuline werden auch als Normalinsuline bezeichnet. Sie werden zum Essen gegeben, die Dosis wird an die Nahrungsaufnahme angepasst.
Dazu sollte der aktuelle Blutzucker vor der Mahlzeit gemessen und die Broteinheiten bzw. Kohlenhydrateinheiten des Essens abgeschätzt werden. Wichtig ist, dass Typ-1-Diabetiker nach der Injektion auf jeden Fall etwas essen, um nicht in eine Unterzuckerung zu gelangen. Der Wirkeintritt der Bolusinsuline erfolgt nach etwa 30 Minuten. Die Wirkdauer liegt bei etwa fünf bis acht Stunden nach Injektion.
Außerdem gibt es kurzwirksame Insulinanaloga mit Wirkstoffen wie Aspart/Niacinamid-Aspart, Glulisin und Lispro. Ihre Wirkung tritt bereits etwa fünf bis 15 Minuten nach der Injektion ein und hält circa drei bis fünf Stunden an.
Spät und lang andauernd
Für die Basisversorgung benötigen Diabetiker die Basalinsuline, also die lang wirkenden Insuline. Sie haben einen späteren Wirkeintritt und eine lange Wirkdauer. Der Basalbedarf dient der Abdeckung des durch die Gluconeogenese der Leber freigesetzten Blutzuckers. Typ-2-Diabetiker spritzen gewöhnlich einmal pro Tag eine definierte Menge an Basalinsulin.
Langwirksame Humaninsuline sind unter der Bezeichnung Humaninsuline mit Verzögerungs-Zusatz bekannt, wozu Neutral-Protamin Hagedorn („NPH“-Insulin) zählt. Die Wirkung von Humaninsulinen mit Verzögerungszusatz tritt etwa ein bis zwei Stunden nach Injektion ein. Die Wirkdauer ist verzögert und liegt je nach Dosierung zwischen acht und maximal 14 Stunden.
Zudem gibt es langwirksame Insulinanaloga mit Wirkstoffen wie Degludec, Detemir und Glargin. Der Wirkungseintritt von langwirksamen Insulinanaloga erfolgt ebenfalls circa ein bis zwei Stunden nach Injektion. Die Wirkdauer liegt bei mehr als 19 Stunden, manchmal sogar bei über 42 Stunden.
Depot-Insulin oder Wochen-Insulin
Neu ist das Insulin icodec mit extrem langer Wirkdauer, das nur eine Injektion pro Woche erfordert. Durch eine spezielle Veränderung in der Struktur des Insulins hat Insulin icodec eine geringere Anziehungskraft zu den Rezeptoren im Körper. Dadurch wird es langsamer abgebaut und bleibt länger wirksam.
Außerdem bindet Insulin icodec an Albumin, ein Protein im Blut, und bildet so eine Art Depot. Dieses Depot gibt das Insulin gleichmäßig und über einen langen Zeitraum hinweg frei. Die Halbwertszeit von Insulin icodec beträgt 196 Stunden, also mehr als acht Tage. Das bedeutet, dass Insulin kontinuierlich im Körper vorhanden ist und der Blutzucker stabil bleibt.
- Dieses neue Insulin wird zunächst einmal eher Menschen mit Typ-2-Diabetes empfohlen, die auf Insulin angewiesen sind. Dabei gilt wie bei anderen Basisinsulinen, dass die Kombination mit anderen Diabetes-Medikamenten wie oralen Antidiabetika oder GLP-1-Rezeptoragonisten möglich ist.
- Für Menschen mit Typ-1-Diabetes ist die Anwendung von Insulin icodec nicht generell empfohlen, da es bei ihnen häufiger zu gefährlichen Unterzuckerungen (Hypoglykämien) kommen kann. Hier sollte das Medikament nur eingesetzt werden, wenn der Nutzen klar überwiegt und eine engmaschige Überwachung möglich ist.
Zur Applikation steht ein Fertigpen wie bei anderen Insulinen zur Verfügung. Weisen Sie Kunden, die darauf umgestellt werden, unbedingt noch mal darauf hin, dass die Injektion nur einmal pro Woche subkutan erfolgt – und zwar immer am selben Wochentag.
Keine Angst vor der Spritze
Viele Patienten zögern, Insulin zu spritzen. Unterstützen Sie Ihre diabetischen Kunden in der Anwendung des Insulins und helfen Sie, Unsicherheiten abzubauen. Wichtige Aspekte wie die richtige Lagerung des Insulins, das Vermeiden von Spritzstellenentzündungen und der Umgang mit Hypoglykämien können gut in der Apotheke vermittelt werden. So ist es zum Beispiel wichtig, die Patienten immer auf den regelmäßigen Nadelwechsel nach jeder Insulindosis hinzuweisen.
Welches Insulin für wen?
Zu bedenken ist, dass die Patienten ausreichend geschult werden müssen. Welche Insulin-Schemata empfohlen werden, hängt auch von der Lebenssituation, dem Alter und der Kognition des Patienten ab.
- Alte Menschen mit einem regelmäßigen Tagesrhythmus, aber eingeschränkten kognitiven Fähigkeiten, die außerdem auf Unterstützung beim Spritzen angewiesen sind, erhalten in der Regel die konventionelle Insulintherapie, bei der feste Dosierungen von Mischinsulinen zweimal täglich appliziert werden.
- Dagegen profitieren Diabetiker, die noch voll im Arbeitsleben stehen, intellektuell dazu in der Lage sind, unregelmäßig essen und sich bewegen, also hohe Flexibilität wünschen, von der intensivierten konventionellen Insulintherapie oder nutzen Insulinpumpen.
Die Ersteinstellung wird am besten von einem Diabetologen vorgenommen. Welche Antidiabetika für welchen Patienten zur Erreichung der Therapieziele mit Einverständnis des Diabetikers am besten geeignet sind, sollte individuell entschieden werden. Dazu müssen die Risikofaktoren und Bedürfnisse des Betroffenen vom Arzt immer wieder neu abgewogen werden.
Eine Nadelspitze wie ein Reisigbesen
Einige Patienten meinen, an den Kanülen ihres Pens sparen zu müssen oder halten den Wechsel aus Bequemlichkeit für unnötig. Um die Betroffenen zu überzeugen, können Sie ihnen mikroskopische Bilder der gebrauchten, abgestumpften Nadeln aus dem Internet zeigen. Die Applikation des Insulins mit diesen Nadeln ist nicht nur unnötig schmerzhaft, es erzeugt auch eine veränderte Aufnahme des Insulins und bewirkt Lipohypertrophien der Haut.
Diabetes mellitus, insbesondere der Typ-2-Diabetes, ist eine komplexe Erkrankung, die eine enge Zusammenarbeit zwischen Ärzten, Apotheken und Patienten erfordert. Eine frühzeitige Diagnose, die Anpassung des Lebensstils und eine individuelle Therapie können die Folgen der Krankheit mindern und die Lebensqualität der Betroffenen verbessern.
Die Autorin versichert, dass keine Interessenkonflikte im Sinne von finanziellen oder persönlichen Beziehungen zu Dritten bestehen, die von den Inhalten dieser Fortbildung positiv oder negativ betroffen sein könnten.