Postkarte vor Gras.© Franco Tognarini / iStock / Getty Images
Eine genaue Definition von Nachhaltigkeit gibt es nicht.

Umweltschutz

GREENWASHING – WAS STECKT DAHINTER?

Wahrscheinlich achten auch Sie beim Einkaufen auf nachhaltige Produkte. Viele Unternehmen haben diesen Trend erkannt und setzen sich für Umweltschutz ein. Oder tun sie etwa nur so? Lesen Sie, woran Sie das erkennen können.

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Nutzen Unternehmen Nachhaltigkeit zu Marketingzwecken und übertreiben oder lügen was ihr umweltfreundliches und ethisch korrektes Handeln angeht, ist von Greenwashing die Rede. Mittlerweile gibt es fast keinen Unternehmenszweig, der nicht mit Klimafreundlichkeit, Umweltschutz und Nachhaltigkeit wirbt: H&M veröffentlicht eine Kollektion aus recyceltem Plastik, Lufthansa bietet CO2-neutrale Flüge an und Lidl hat die regionale Eigenmarke „Ein gutes Stück Heimat“ im Sortiment.

Für uns als Konsumentinnen und Konsumenten ist es aber nicht einfach zu durchschauen, wer es mit seinen Werbeversprechen ernst meint. Agnes Sauter, die Leiterin der ökologischen Marktüberwachung bei der Deutschen Umwelthilfe (DUH), kennt sich mit grünen Werbetricks aus. Mit ihrem Team kontrolliert sie solche Werbeversprechen von Produkten auf dem deutschen Markt. „Wir erleben gerade eine Explosion dieser Umweltbegriffe“, erzählt sie im Gespräch. Um sicherzugehen, dass Sie wirklich nachhaltig einkaufen, sollten Sie sich vor ein paar typischen Greenwashing-Strategien in Acht nehmen.

Viele leere Worte

Sie haben bestimmt auch schon mal Lebensmittel aus nachhaltigem Anbau gekauft. Aber was heißt das eigentlich? Wenn Sie es nicht wissen, ist das kein Wunder, denn was Nachhaltigkeit bedeutet, ist nicht klar definiert. Eine gängige Beschreibung von Nachhaltigkeit ist die Vermeidung der Erschöpfung natürlicher Ressourcen, um das ökologische Gleichgewicht zu erhalten. Daneben gibt es auch noch einige andere ebenso ungenaue Definitionen. Das Problem mit diesem schwammigen Begriff ist, dass er nicht mit bestimmten Verpflichtungen einhergeht. 

Etwas als „nachhaltig“ zu bezeichnen ohne genauer darauf einzugehen, was eigentlich gemeint ist, ist eine beliebte Greenwashing-Strategie. Ähnlich unklar und nicht definiert sind auch andere Begriffe, wie „umweltbewusst“, „natürlich“ oder „klimaschonend“. Wer beim Einkauf oder bei Werbung darauf achtet, dem fallen bestimmt noch einige mehr auf. 

Es gibt keine klare Definition von Nachhaltigkeit – das nutzen viele Unternehmen.

Auch bestimmte positive Eigenschaften in der Werbung zu betonen und schlechte auszusparen, ist eine Möglichkeit Greenwashing zu betreiben. Hier ein Beispiel: Ein „ökologischer“ Baumwollpullover, dessen Baumwollgarn ökologisch angebaut wurde. Möglicherweise wurde er aber im weiteren Teil des Herstellungsprozesses gebleicht und gefärbt, wobei Gifte ins Abwasser gelangten.

Von wegen klimaneutral

Ein Begriff, mit dem momentan viel geworben wird ist „klimaneutral“. Klingt erstmal gut, denn klimaneutral bedeutet, dass durch das Produkt oder die Dienstleistung die Menge an schädlichen Emissionen in der Atmosphäre nicht erhöht wird. Die Expertin Agnes Sauter beschreibt dieses Versprechen jedoch als grob irreführend. Denn: Jedes Produkt, das hergestellt wird, verursache CO2. 

„Besonders perfide ist, wenn ein Unternehmen ein Produkt als klimapositiv bewirbt. Dann entsteht der Eindruck, je mehr ich von dem Produkt konsumiere, desto mehr schütze ich das Klima. Völliger Quatsch.“ Agnes Sauter

Auch der Begriff klimaneutral ist nicht rechtlich geschützt und kann daher verschieden ausgelegt werden. Oft werden die Emissionen gar nicht eingespart, sondern die verursachten Gase durch den Kauf von CO2-Zertifikaten, meist in Entwicklungs- oder Schwellenländern, kompensiert. 

Als Verbraucherschutzorganisation kontrolliert die DUH nicht nur die Werbeversprechen, sondern zieht auch vor Gericht. Die rechtliche Grundlage dafür ist das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG). Unternehmen handeln demnach rechtswidrig, wenn sie ein Produkt mit Umweltmerkmalen bewerben, ohne den Verbrauchern nachvollziehbare Informationen bereitzustellen.

Regionalität ist relativ

Beim Einkauf im Supermarkt rät die Expertin, darauf zu achten, dass die Produkte in Herstellung, Transport und Konsum möglichst wenig Schadstoffe verursachen: „Ein Produkt ist umso besser, je geringer der ökologische Fußabdruck ist.“ Besonders im Supermarkt ist „Regionalität“ ein beliebtes Kaufargument. Erstmal sinnvoll: Die Klimabelastung ist niedrig, wenn beispielsweise der Apfel aus der umliegenden Gegend stammt und keinen weiten Transportweg hat.

Eine gesetzliche Regulierung, ab wann der Supermarkt sein Produkt als regional bezeichnen darf, gibt es tatsächlich aber nicht. Deshalb achten Sie am besten darauf, dass es konkrete Regionsangaben gibt oder fragen Sie nach, woher genau die Lebensmittel kommen. Ansonsten direkt beim Bauern in der Nähe kaufen. Und was ist mit einem regionalen Apfel, der, weil er außerhalb seiner Saison angeboten wird, monatelang in Deutschland gekühlt wird? Ist er aus Klimaaspekten besser als ein Apfel, der frisch geerntet aus Neuseeland kommt? Schwierig zu sagen. Sinnvoll ist deshalb Obst und Gemüse regional, aber wenn möglich auch saisonal zu kaufen.

Vorsicht vor freiwilligen Siegeln

Es gibt mittlerweile auch viele Unternehmen, die sich eigene Siegel für ihre Produkte ausdenken. Verboten ist das nicht. Für Kunden und Kundinnen ist es aber oft schwierig einzuschätzen, wofür die Siegel stehen und wie vertrauenswürdig sie sind. Im September hat eine Investigativ-Recherche der ZEIT offengelegt, wie einfach es ist, eine Klimaneutralitäts-Zertifizierung zu bekommen. Die Journalisten hatten dafür einen Schein-Blumenladen gegründet. Die Beratungsfirma myclimate, die mit Emissionsgutschriften handelt und unter anderem auch mit Lufthansa zusammenarbeitet, zertifizierte den Fake-Laden als klimaneutralen Betrieb.

Von freiwilligen anstelle offizieller Siegeln hält die Verbraucherschützerin nichts: „Das Problem ist, dass die erstmal keinerlei staatlicher Kontrolle unterliegen, es gibt keine einheitlichen Vorgaben. Die ganzen Siegel stellen auch ganz unterschiedliche Qualitätsstandards auf.“ Entscheidend bei der Beurteilung eines Siegels sei, welcher Zyklus beziehungsweise welcher Bestandteil des Produkts betrachtet wird, der die Siegel-Kriterien erfüllen soll.

Problematisch sei beispielsweise, wenn ein Unternehmen mit Klimaneutralität wirbt und den Eindruck erweckt, dass das ganze Unternehmen klimaneutral sei, obwohl nur der Versand des Produkts als klimaneutral zertifiziert ist. Bei Siegelklarheit, Label-Online und der App Siegel Check bekommen Sie einen Überblick: Dort sehen Sie, ob Sie es mit einem offiziellen Siegel, wie dem staatlichen Bio-Siegel, zu tun haben und was verschiedene Siegel bedeuten.

Nachhaltig einkaufen ist anstrengend

Unternehmen, die Greenwashing betreiben, indem sie schwammige Begriffe benutzen, sich eigene Siegel ausdenken oder behaupten, sie wären klimaneutral, machen es noch viel anstrengender. Grundsätzlich ist deshalb ein kritischer Umgang mit den Werbeaussagen der Unternehmen wichtig.

Agnes Sauter hofft, dass sich zumindest was die Rechtslage betrifft, bald etwas ändert: Die Europäische Grundlage des UWG-Gesetzes, die sogenannte UGP-Richtlinie, wird aktuell überarbeitet. Im Zuge dessen soll es möglicherweise klarere rechtlichen Definition von Umweltbegriffen, wie beispielsweise „regional“, geben. Die DUH fordert außerdem eine Aufnahme absoluter Begriffe wie klimaneutral, CO2-neutral oder klimapositiv auf den Index des Gesetzes – also eine schwarze Liste mit nicht erlaubten Werbeversprechen.

Die Autorin hat diesen Text zuerst in abgewandelter Form bei krautreporter.de veröffentlicht.

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