Eine Tastatur, auf deren Taste Hass steht© Stadtratte / iStock / Getty Images Plus
Bei hohen Temperaturen drücken viele Menschen eher die "Hass-Taste".

Twitter-Studie

ZAHL DER HASSPOSTINGS STEIGT MIT DEN TEMPERATUREN

Glühende Verachtung, eisige Stille: Adjektive, die sich an Temperaturen anlehnen, werden nicht umsonst gern für die Bezeichnung von Gemütszuständen verwendet. Dass extreme Gradzahlen tatsächlich Hass und schlechte Laune befeuern, bewies jetzt eine amerikanische Studie.

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Der Mensch mag es in einer klimatischen Komfortzone. Wenn es zu warm oder zu kalt ist, schlägt das rasch aufs Gemüt. Ein Forschungsteam hat auf der Social-Media-Plattform Twitter die Hassbotschaften herausgefiltert – 75 Millionen an der Zahl – und sie mit den aktuellen Wetterdaten verglichen. Das Ergebnis: Wenn Menschen mit extremen Wetterlagen konfrontiert sind, stiegt auch die Zahl der Hasspostings.

Annika Stechemesser vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung ist Erstautorin der aktuellen Studie zum Thema Hatespeech. Sie erklärt, man sehe, dass oberhalb des „Wohlfühlfensters“ von 12 bis 21 Grad Celsius der Hass im Netz zunehme. Sinke die Außentemperatur unter 12 Grad, sei mit 12 Prozent mehr Hasspostings zu rechnen, steige sie hingegen auf über 21 Grad, nehme der Hass um 22 Prozent zu (diese Aussagen gelten allerdings studienbezogen nur für die USA).

Temperaturgrenze bestimmt Gemütsgrenze

Sowie das Wetter die Gemüter erhitzen kann, kann es sie aber auch mildern: Die Forscher fanden heraus, dass zwischen 15 und 18 Grad Celsius ein auffällig niedriges Hass-Niveau stattfand. Das Wohlfühlfenster variiert zwar ein wenig (je nachdem, was für Temperaturen in der entsprechenden Klimazone üblich sind), doch eins bleibt gleich: Wenn es heißer als 30 Grad wird, ist in allen Klimazonen eine starke Zunahme von Online-Hass zu beobachten.

Hassrede
Die offizielle Definition von Hassrede meint laut Vereinten Nationen eine diskriminierende Sprache mit Bezug auf eine Person oder eine Gruppe aufgrund ihrer Religion, Ethnizität, Nationalität, Rasse, Hautfarbe, Abstammung, ihres Geschlechtes oder anderer Identitätsfaktoren.

Der Mensch kann sich nicht unbegrenzt an sehr hohe Temperaturen anpassen, meint Co-Autor Anders Levermann: „Selbst in einkommensstarken Gebieten, in denen Menschen Klimaanlagen und andere Optionen zur Abmilderung der Hitze besitzen, beobachten wir eine Zunahme von Hassrede an extrem heißen Tagen“. Das bedeute, es gäbe eine klare Grenze dessen, was Menschen ertragen können. Diese Grenze sei womöglich schon deutlich früher überschritten als sich körperliche Beschwerden bemerkbar machen.

Ein Blick in die Zukunft verheißt nichts Gutes. Wenn sich die Durchschnittstemperaturen in den kommenden Jahren wegen des Klimawandels erhöhen, könnte das dem gesellschaftlichen Zusammenhalt schaden, fürchtet das Forscherteam. Mitunter sind hasserfüllte Kurzmitteilungen nämlich ein Vorbote für Hassverbrechen in der echten, physischen Welt.

Im Umkehrschluss heißt das: Der Schutz des Klimas ist auch für unsere psychische Gesundheit entscheidend.

Quelle: mdr Wissen

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