Mythen im Check
SAUGEN MÜCKEN LIEBER SÜSSES BLUT?
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Eine solche Situation haben Sie bestimmt schon einmal erlebt: Sie sind mit einer Gruppe unterwegs, campen mit mehreren Personen oder übernachten im Familienurlaub im gemeinsamen Hotelzimmer. Doch während die einen am nächsten Morgen nur vereinzelte Mückenstiche aufweisen, wenn überhaupt, wachen die anderen von juckenden Pusteln übersät auf.
„Das geht mir immer so, ich habe eben süßes Blut“, sagt dann einer der Geplagten. Aber was soll süßes Blut überhaupt sein, und ist da etwas dran? Die Frage, was Stechmücken anzieht, beschäftigte Wissenschaftler schon in den 1950er Jahren. Schließlich übertragen sie, je nach Art, Parasiten und Viren, die Malaria, Gelb- oder Dengue-Fieber auslösen können. So verursachen sie jedes Jahr über 440 Millionen Krankheits- und über eine Million Todesfälle (Stand 2004).
Mit der Erfindung synthetischer Repellents ließ das Interesse am Appetit der Mücken nach, entflammte jedoch erneut, als mehr über die Nebenwirkungen der versprühten Chemikalien bekannt wurde. Denn wenn man weiß, was eine Mücke mag, kann man sie gezielt anlocken und fangen, ohne Mensch und Umwelt zu schaden.
Und was ist es nun, was die Mücke dazu einlädt, unser Blut zu trinken? Jedenfalls nicht „süßes“ Blut. Das würde ja bedeuten, dass die Mücke mit hellseherischen Fähigkeiten schon im Anflug weiß, wie ihre spätere Mahlzeit schmeckt, und dann zielsicher nur von Personen mit hohem Blutzucker kostet. Es müssen also andere Charakteristiken sein, die uns für die nervigen Stecher attraktiv machen, schon vor der Landung.
Attraktives Odeur Eine Übersichtsarbeit, die im Jahr 2006 im Research Journal of Parasitology veröffentlicht wurde, sammelt die Erkenntnisse verschiedener Studien von dem Moment an, in dem das Nervensystem der Stechmücke angesprochen wird. Die betrachteten Studien waren im Design unterschiedlich und beschäftigten sich mit verschiedenen Mückenarten. Dennoch konnten die Autoren einige Faktoren ausmachen, die Mücken zum Menschen locken. Vor allem ist das der Körpergeruch.
Die einzelnen Mückenarten finden im Detail andere Duftstoffe besonders attraktiv, denn sie haben verschiedene Sinneszellen, insgesamt ist es jedoch die Mischung einiger bestimmter Kairomone, die die blutdürstigen Stecher zu unseren Adern leitet. Dazu gehören Enole, Milchsäure, die Schweißbestandteile Indol, Geranylketon, 6-Methyl-5-hepten-2-on und Ammoniak (der sich vor allem in altem Schweiß bildet). Zudem Carbonsäuren, die auch in Limburger Käse vorkommen und die Mücken dazu verleiten, im Fuß- und Knöchelbereich zuzustechen. Kohlendioxid ist, entgegen früherer Untersuchungen, nicht darunter. Allomone aus dem Atem hingegen schrecken Mücken ab.
Die Dosis macht das Gift Je höher die Konzentration der Kairomone, umso wahrscheinlicher der Mückenstich. Menschen mit großer Körperoberfläche und hoher Temperatur sind gefährdeter, denn sie verströmen mehr Duftmoleküle. Da Gerüche bei hoher Luftfeuchtigkeit besser übertragen werden, sind Mücken bei schwülem Wetter oder in der Nähe von Sümpfen und Seen besonders stechwütig.
Alles dufte?
Pheromone übertragen Duftbotschaften zwischen Lebewesen der gleichen Spezies, beispielsweise um einen Partner anzulocken. Allomone und Kairomone hingegen geben Informationen an andere Spezies weiter. Allomone sind für den Sender von Vorteil: als Lockstoffe, Repellenzien, Toxine. Kairomone nutzen dem Empfänger, sie verraten etwa einem Jäger, wo er seine Beute findet.
Bakterien und DNA Maßgeblich verantwortlich für die Duftsignatur des Menschen ist sein Hautmikrobiom, denn die dort angesiedelten Bakterien produzieren eine Vielzahl der riechenden Substanzen. Parasiten können die Duftsignatur des Menschen verändern, indem sie das Mikrobiom oder endokrine Funktionen beeinflussen. Plasmodium falciparum etwa, der Malaria-Erreger, lässt seinen Wirt besonders attraktiv duften, wenn er sich gerade in einem übertragungsfähigen Lebenszyklus befindet. Der charakteristische Körpergeruch ist auch genetisch bedingt.
Zwillingsstudien legen nahe, dass diese Eigenschaft vererbbar ist – eineiige Zwillingspaare sind oft ähnlich attraktiv für Mücken, während zweieiige Paare unterschiedlich oft gestochen werden. Daran sind vermutlich die gleichen Gene beteiligt, die sonst an der Partnerwahl beteiligt sind und Inzucht verhindern sollen. Vermutlich werden die von diesen Genen abgelesenen Peptide vom Hautmikromiom metabolisiert und aktiviert. Was wir essen, scheint an unserer Attraktivität für Stechmücken nichts zu ändern. Angeblich schützende Eigenschaften von Knoblauch und Vitamin B wurden bereits widerlegt.
Zwar legt eine Studie nahe, dass Alkoholkonsum Stechmücken anlockt, allerdings ist die Studie sehr klein und ihr Design wirft Fragen auf. Eine weitere Studie legt nahe, dass bestimmte Farben Mücken anziehen. Vor allem Rot und Orange scheinen Mücken zu gefallen, weil diese Töne – unabhängig von der Pigmentierung – in der menschlichen Haut vorkommen. Allerdings aktivieren Mücken ihren Sehsinn erst, nachdem sie auf den Geruch ihres Wirts aufmerksam geworden sind.
So wie jemand, der durch die Innenstadt streift, vom Geruch des Bäckers angelockt wird und sich dann aufmerksam umschaut, um den Laden zu finden. Ob Stechmücken einen Menschen bevorzugen, hängt also nicht von der Süße seines Bluts, seinem Geschmack, ab, sondern von seinem Geruch. Das wichtigste Instrument um nicht zur Mahlzeit zu werden ist es, nicht zu menschlich zu riechen.
Den Artikel finden Sie auch in DIE PTA IN DER APOTHEKE 04/2022 ab Seite 78.
Gesa Van Hecke, PTA/Redaktion