Rezeptur – Mischen possible
ZUM DAHINSCHMELZEN… TACROLIMUS-SUPPOSITORIEN
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Für dieses Rezepturthema werde ich etwas ausholen, denn bei uns im Team wird die Indikation immer noch heiß diskutiert, da nämlich keine auf dem Rezept steht. Der Wirkstoff ist bekannt seit 1994 und ich bin mir sicher, fast jeder hatte ihn schon mal in der Hand, oder vielleicht auch schon selbst auf der Haut.
Gefunden wurde er in Bodenbakterien. 1987 gelang es japanischen Wissenschaftlern zum ersten Mal, ihn aus kultivierten Streptomyces tsukubaensis zu isolieren. Sein Einsatzgebiet ist vielfältig, aus manchen Therapien ist der Wirkstoff nicht mehr weg zu denken. Seitdem hat er vielen Menschen ein zweites Leben ermöglicht und vielen anderen, dass sie sich in ihrer Haut wohler fühlen. Auch, wenn er aus Bakterien gewonnen wird, handelt es sich nicht um ein Antibiotikum. Eine Gemeinsamkeit gibt es aber: Bei beiden wird etwas unterdrückt. Beim gesuchten Wirkstoff ist es das Immunsystem. Schon erraten? Es geht um Tacrolimus.
Zäpfchen für Erwachsene
Dieses Mal möchte ich ein Rezeptur-Arzneimittel beleuchten, dessen Anwendung wohl eher zu den unangenehmeren Applikationsartengehört: Zäpfchen. Bei Zäpfchen denkt man automatisch an Babys, höchstens noch an Abführzäpfchen. Natürlich gibt es auch noch Paracetamol-Zäpfchen für Erwachsene oder welche mit Diclofenac, aber die geben wir doch eher selten ab. Seit einigen Wochen stellen wir für einen Kunden Zäpfchen mit Tacrolimus her.
Immunsuppressiva in Zäpfchenform?
Der eine oder die andere wird jetzt hellhörig: Tacrolimus, ein Immunsupressivum, rektal? Auch uns im Rezeptur-Team kam es ungewöhnlich vor, denn gängiger sind Kapseln (Prograf®, Advagraf® und verschiedene Generika) oder Salben zur Anwendung auf der Haut (Protopic®, Tacrolimus Dermapharm® und andere Generika).
Zur oralen Anwendung kommt Tacrolimus hauptsächlich bei der Transplantation von Leber, Herz oder Nieren, um Abstoßungsreaktionen vorzubeugen, oder bei manchen Autoimmunerkrankungen wie Colitis ulcerosa, Morbus Crohn, Glumeronephritis und Myasthenia Gravis. Tacrolimus sorgt dafür, dass die Ausschüttung von Zytokinen wie Interleukin (IL), Interferon (IF) und der Tumor-Nekrose-Faktor (TNF)) unterbleibt. Es unterdrückt also die Botenstoffe, die den T-Zellen den Befehl zum Angriff auf fremde Strukturen geben, somit wird die Immunreaktion des Körpers verringert.
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Auch auf der Haut macht man sich diese Wirkung zu Nutze, bei Neurodermitis und atopischem Ekzem. Auch hier liegt oft eine überschießende Immunreaktion vor, die so unterbunden wird. Eine ähnliche Wirkung wird hierbei auch mit Kortison erreicht, allerdings besteht hierbei auch immer die Gefahr der Pergamenthaut bei sehr langer Anwendung. Diese Nebenwirkung gibt es unter Tacrolimus nicht. Allerdings wird manchmal über Juckreiz oder Hautausschläge berichtet, bei unsachgemäßer Anwendung besteht auch der Verdacht, Hautkrebs zu begünstigen.
Tacrolimus-Zäpfchen herstellen
Kommen wir jetzt zur eigentlichen Aufgabe: Herzustellen sind Tacrolimus-Zäpfen, 30 Stück mit zwei Milligramm (mg) pro Zäpfchen für einen Erwachsenen. Wir verwenden also die Zwei-Gramm(g)-Gießform. Da wir schon länger keine Zäpfchen mehr hergestellt hatten, mussten wir ganz vorne anfangen.
Jeder wusste noch, dass irgendwie der Verdrängungsfaktor berechnet werden muss, aber keiner war sich mehr absolut sicher. Dieser Faktor gibt an, wieviel Gramm Grundmasse durch ein Gramm eines in der Grundmasse nicht löslichen, aber suspendierbaren Arzneistoffs verdrängt werden. Nachdem wir die Formel gefunden hatten, zeigte sich allerdings, dass diese für unseren Wirkstoff nicht anwendbar ist, denn uns fehlte der Verdrängungsfaktor für Tacrolimus.
Das Problem mit dem Verdrängungsfaktor
Der Verdrängungsfaktor lässt sich nach Deutschem Arzneimittel-Codex (DAC) auch experimentell bestimmen. Dazu werden 2,5 g Substanz mit 7,5 g geschmolzenem Hartfett in der Fantaschale angerieben. Die Mischung wird nach dem Klarschmelzverfahren in eine Zwei-Gramm-Zäpfchengießform ausgegossen. Die Zäpfchen, die sich einwandfrei ausgießen lassen, werden auf zwei Dezimalstellen gewogen und somit die Gesamtmasse bestimmt. Daraus lässt sich errechnen, wie viel Hartfett von der Substanz verdrängt wurde. Wenn der Verdrängungsfaktor dann gefunden ist, kann die Menge der Grundlage mit folgender Formel berechnet werden:
Mn = n x (E – f x A)
Mn = erforderliche Einwaage an Grundlage für N Suppositorien in g
n = Anzahl der herzustellenden Suppositorien
E= Eichfaktor der Form in g
f = Verdrängungsfaktor des Arzneistoffs
A = Arzneistoffmasse pro Zäpfchen in g
Diese Formel lässt sich beliebig ergänzen, wenn mehrere Wirkstoffe enthalten sind.
Tacrolimus aus Kapseln
Theoretisch hätten wir die Bestimmung so durführen können, allerdings hatten und haben wir Tacrolimus nicht als Reinsubstanz vorliegen, sondern als Fertigarzneimittel in Kapselform. Da wir uns sicher waren, dass schon mal jemand vor dieser Herausforderung stand, haben wir das Neue Rezeptur-Formularium (NRF) befragt und sind auf eine weniger aufwendige Berechnung gestoßen, die wir unseren Gegebenheiten gut anpassen konnten.
Tacrolimus-Zäpfchen 2 mg aus dem Rezepturfinder des NRF
Zusammensetzung:
Prograf® Hartkapseln 5 mg 14 Stück
Hartfett 73,290g
Hinweis zu den Stoffen:
Prograf® Hartkapseln 5mg: Inhalt einer Tacrolimus-Kapsel = 0,140 g, 14 x 0,140 g = 1,96 g Kapselinhalt
Hartfett: Reine Hartfett-Zäpfchen: 1Suppositorium = 2,15 g, 35 x 2,15 g = 75,25 g Hartfett
Hartfettbedarf: 75,25 g - 1,96 g = 73,29 g
Außerdem empfiehlt sich ein Verlustzuschlag von mindestens zehn Prozent, da es sonst auch bei sorgfältigstem Arbeiten knapp werden kann. Im NRF findet sich die Herstellungsempfehlung für 14 Suppositorien aus Prograf® 5 mg. Wir haben Prograf®1 mg benutzt und 30 Zäpfchen hergestellt.
Als erstes soll der Inhalt einer Kapsel gewogen werden um so die Gesamtmasse an Pulver, also Wirkstoff und Kapselfüllstoff, zu bestimmen. Damit kann dann berechnet werden, wie viel Hartfett benötigt wird. In unserem Fall haben wir 60 Kapseln Prograf® 1 mg benötigt (66 Stück mit Verlustzuschlag) und 60,5342 g Hartfett W25 (Hydroxylzahl 20-30; mit Verlustzuschlag 66,5876 g). Als Form haben wir Einmalgießformen zu je zwei g aus Kunststoff verwendet. Diese sind anwenderfreundlich und erleichtern das Verpacken und Aufbewahren.
Achtung, CMR-Substanz!
Da es sich bei Tacrolimus um einen CMR-Stoff (kanzerogen, mutagen, reproduktionstoxisch) handelt, sollte unter einem Abzug gearbeitet werden. Immerhin wollen, während das Hartfett in der Fantaschale über dem Wasserbad schmilzt, 60 Kapseln geöffnet und ihres Inhaltes beraubt werden. Außerdem sollte sich keine weitere Person in der Rezeptur aufhalten und mit FFP2-Maske, geschlossenem Kittel und Handschuhen gearbeitet werden.
Cremeschmelzverfahren
Wenn alles vorbereitet ist, wird das Pulver zum geschmolzenen Hartfett gegeben und suspendiert. Wenn vorhanden, verwenden Sie gerne eine Zäpfchen-Gießflasche, da man diese immer zwischendurch schütteln kann und bei Bedarf erwärmen. Man kann die Masse aber auch in der Fantaschale belassen und mit einer Spritze arbeiten, dann muss nur vor jeder Abfüllung die Masse gerührt werden. Sie sollte auch schon eher Dickflüssig sein (Cremeschmelze), das verhindert das Absinken des Wirkstoffes in die Zäpfchenspitze.
Eventueller Überstand nach dem Gießen wird entfernt und bei Bedarf etwas ergänzt. Nach Aushärten der Masse werden die Zäpfchen in ihrer Kunststoffform mit einem Klebestreifen verschlossen oder, wenn Sie eine Metallgießform verwenden, in Alufolie eingewickelt. Bei den meisten Einmalgießformen liegen außerdem Pappschachteln als Umkarton bei, die Alu-umwickelten Zäpfchen aus der Metallgießform können Sie in eine Kruke legen.
Haltbarkeit und Lagerhaltung
Tacrolimuszäpfchen sind zur sofortigen Anwendung bestimmt und können mit einer Haltbarkeit von drei Monaten abgegeben werden. Ergänzend sei erwähnt, dass die NRF-Angaben sich an eine Rezeptur des Universitätsklinikums Heidelberg orientieren. Mittlerweile gibt es Tacrolimus auch als Reinsubstanz, das rechnet sich aber nur, wenn große Mengen an Zäpfchen hergestellt werden. Wenn diese Rezeptur nur alle zwei oder drei Monate vorkommt, empfehle ich bei der Herstellung aus Kapseln zu bleiben.
Quellen:
https://flexikon.doccheck.com/de/Tacrolimus
https://www.kompetenznetz-darmerkrankungen.de/files/cto_layout/Medikamente/Patienteninformation_Tacrolimus.pdf
https://dacnrf.pharmazeutische-zeitung.de/index.php?id=rezepturenfinderdetail&uid=3201
https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/news/artikel/2021/02/15/wie-werden-paracetamol-codein-zaepfchen-hergestellt/chapter:2