Eine Frau in Kittel, mit Einweghaue und Mundschutz steht vor einer Illustration einer Lunge, die von übergroßen Corona-Viren angegriffen wird, aber durch ein helles Netz geschützt ist.© Natali_Mis / iStock / Getty Images Plus
Der neue Impfstoff soll den Körper dort immunisieren, wo er den ersten Kontakt zum Virus hat: an der Lungenschleimhaut.

Pulverinhalator

INHALATIONS-IMPFSTOFF GEGEN CORONA ENTWICKELT

Die Corona-Pandemie hat viele Innovationen hervorgebracht, vor allem in der Impfstoff-Entwicklung. Nun kommt eine neue dazu, die entscheidende Vorteile haben könnte. Denn sie wirkt direkt dort, wo das Virus in den Körper eindringt.

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Bisher müssen Impfstoffe gegen SARS-CoV 2 gespritzt werden, Inhalationen oder Nasensprays gibt es in Europa bisher nicht. Dabei könnten diese die Schleimhaut möglicherweise besser schützen.

Forscher in China haben nun ein Pulver entwickelt, das in ersten Tests vielversprechende Ergebnisse zeigt. Es soll inhaliert werden und auf der Lungenschleimhaut seine immunisierende Wirkung entfalten.

Impfstoff zum Inhalieren

Ein internationales Team um Tong Ye von der Akademie der Wissenschaften in Peking setzte Mikrokapseln ein, um den Impfstoff in die Lunge zu transportieren. Die rund vier Mikrometer großen Kügelchen aus einem biologisch abbaubaren Material sind mit Protein-Nanopartikeln bestückt, die wiederum den Impfstoff enthalten.

Dieser besteht aus der Fusion eines bakteriellen Proteins mit dem Antigen: dem Spike-Protein aus SARS-CoV 2. Mit dem Spike-Protein nimmt das Virus bei einer Infektion Kontakt mit der Schleimhaut auf, weshalb es in allen Corona-Impfstoffen enthalten ist.

Nach der Herstellung der Mikrokapseln im Labor folgt ein Produktionsschritt, der die Neuentwicklung besonders macht: ein speziell entwickeltes Gefriertrocknungsverfahren. Dadurch entsteht ein Pulver, das über einen Inhalator fein zerstäubt tief in die Lunge gelangt. Dort lösen sich die Mikrokapseln langsam auf und geben den Impfstoff frei. Durch den lokalen Kontakt mit der Bronchialschleimhaut kommt es in dieser zu einer lokalen Reaktion der T-Zellen, was bei injizierten Impfstoffen nicht der Fall ist.

Diese Reaktion, so Forscher, könnte die Lunge als Eintrittspforte für das Virus besonders gut gegen eine Infektion mit SARS-CoV 2 schützen. Über das Blut findet zudem wie bei einer Injektion eine systemische Immunisierung statt. Die Kontaktzeit der Mikrokapseln mit der Schleimhaut während ihrer Auflösung sorgt für eine besonders langanhaltende Antigenpräsentation.

Pulver-Impfstoff unkompliziert zu lagern

Und noch einen weiteren Vorteil besitzen die Partikel: Sie sind ungekühlt lager- und transportierbar. Gerade die aufwendigen Lagerbedingungen der bisherigen Corona-Impfstoffe machen Transport und Vorratshaltung teuer und aufwendig. Das Pulver aus Peking ist nachgewiesenermaßen bis zu einem Monat bei Raumtemperatur stabil.

Ein bisheriger Inhalationsimpfstoff, wie er in China bereits zugelassen ist, ist wie die Injektionen ebenfalls eine Flüssigkeit, die entsprechend aufwendig gelagert werden muss. Auch in Deutschland wird an solchen Formulierungen geforscht. Oft sind diese aber mit Wirkeinschränkungen verbunden, eine Zulassung ist bisher nicht in Sicht.

Tierversuche erfolgreich, Studien stehen aus

Das neue Pulver lieferte im Tierversuch an Mäusen, Hamstern und nichtmenschlichen Primaten vielversprechende Ergebnisse. Die Tiere zeigten „eine starke Produktion von Immunglobulin G und Immunglobulin A, sowie lokale Abwehrzell-Antwort“ die zusammen einen wirksamen Schutz gewährleisteten, so die Forscher.

Das System, so betonen sie weiter, eigne sich zudem für die gleichzeitige Beladung mit verschiedenen Antigenen. So könne gegen verschiedene Virusvarianten oder mehrere Erreger gemeinsam geimpft werden. Durch ihre Flexibilität kämen die Mikrokapseln auch für die schnelle und bequeme Impfstoffentwicklung gegen weitere Atemwegserkrankungen in Frage. Die Entwickler sehen hier enormes Potential.

Allerdings steht noch viel Entwicklungsarbeit an, bevor es soweit ist. Tests am Menschen zur Wirksamkeit stehen noch aus. Ebenso muss das Pulver beweisen, dass es auch bei empfindlichen Menschen keine problematischen Effekte durch das tiefe Inhalieren hat. Es dürfte also noch etwas Zeit ins Land gehen.

Quellen:
https://www.wissenschaft.de/gesundheit-medizin/inhalierbarer-impfstoff-gegen-covid-19/
Ye, T., Jiao, Z., Li, X. et al.: “Inhaled SARS-CoV-2 vaccine for single-dose dry powder aerosol immunization”, Nature, 13. Dezember 2023. https://doi.org/10.1038/s41586-023-06809-8
https://rp-online.de/panorama/peking-impfauffrischung-per-inhalationsgeraet_aid-78951725
https://www.item.fraunhofer.de/de/presse-medien/presseinformationen/studie-mva-forschende-ueberpruefen-wirksamkeit-eines-neuen-corona-vakzins-zum-inhalieren.html 

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