Ein Baby schläft ruhig auf dem Rücken© LeManna / iStock / Getty Images Plus
So schläft Baby friedlich und sicher: ohne Decke und Kissen auf dem Rücken.

Plötzlicher Kindstod

WARUM MANCHE BABYS NICHT MEHR AUFWACHEN

Eine australische Studie schenkt bangenden Eltern Hoffnung: Der Auslöser des plötzlichen Kindstods scheint gefunden worden zu sein. Es wäre der erste Schritt, nächtliche Atemaussetzer mit Todesfolge in Zukunft verhindern zu können.

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Es ist der Albtraum aller Eltern: morgens aufzuwachen und das Baby leblos in seinem Beistellbett vorzufinden. Statistisch gesehen ist das Risiko für den plötzlichen Kindstod, oder Sudden iIfant Death Syndrome (SIDS), zwischen dem zweiten und fünften Lebensmonat am größten. Etwa 84 Babys verstarben im Jahr 2020 aufgrund dieser Diagnose. In vielen Fällen setzen sich Eltern durch ihre Sorge selbst derartig unter Druck, dass schlaflose Nächte resultieren – für beiden Seiten.

Aktuell existieren Empfehlungen, die das Risiko für SIDS minimieren können, wie beispielsweise das Kind in Rückenlage ohne Decken, Kuscheltiere oder Kissen schlafen zu legen – am besten im elterlichen Schlafzimmer – und nicht in der Wohnung zu rauchen. Doch trotz aller Vorsichtsmaßnahmen kann der Ernstfall dennoch eintreten. Während US-amerikanische Forschende unlängst einen Gendefekt an der Atemmuskulatur der Neugeborenen diskutierten, haben australische Wissenschaftler*innen einen enzymatischen Defekt entdeckt.

Enzym verhindert Aufwachen

Das Enzym Butyrylcholinesterase (BChE), beziehungsweise dessen mangelnde Aktivität, macht das Team um Dr. Carmel Therese Harrington für den plötzlichen Kindstod verantwortlich. Das Enzym nimmt eine Schlüsselrolle in der Kommunikation im Gehirn ein und beeinflusst die neuronale Schaltung zwischen Atmung und Schlaf. Eine geringe Aktivität des Enzyms kann laut den Forscherinnen dazu beitragen, dass Babys bei Atemaussetzern nicht aufwachen und im Schlaf versterben.

 

Säuglingsatmung
Kurze Atemaussetzer sind bei Säuglingen normal. Sie verfügen über eine periodische Atmung, atmen manchmal ganz flach, manchmal schneller. Das liegt an einem teilweise noch unreifen Atemzentrum. Warum kurze Atempausen auftreten, ist noch nicht klar. In der Regel fangen Babys wieder von selbst an zu atmen. Wenn nicht, können diese Atemaussetzer allerdings zum Plötzlichen Kindstod führen.

 

In der Studie wurden Blutproben von insgesamt 67 Babys miteinander verglichen. Jene Säuglinge, die durch SIDS starben, zeigten eine deutlich geringere BChE-Aktivität als die Vergleichsproben.

Die Ergebnisse könnten die Basis für ein neues Screening bilden: BChE als Biomarker eingesetzt, könnte das Risiko für Säuglinge an SIDS zu versterben frühzeitig identifizieren und eine entsprechende Überwachung ihr Überleben sichern. Für Eltern, deren Kinder am Plötzlichen Kindstod gestorben sind, und die noch immer darunter leiden, sei das eine wichtige Entdeckung, sagte Carmel Therese Harrington in einem Interview mit ABC NEWS. Und spricht damit aus eigener Erfahrung, denn auch sie verlor ein Kind an SIDS und forscht seit mittlerweile 30 Jahren am Plötzlichen Kindstod.

Von Prävention noch weit entfernt

Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) zeigt sich erfreut, aber vorsichtig. Gegenüber des WDR teilte der Pressesprecher Jakob Maske mit: „Das ist eine sehr interessante Studie, die natürlich durch andere Untersuchungen erst noch bestätigt werden muss. [...] Sollte sich das Fehlen dieses Enzyms tatsächlich als Ursache herausstellen, birgt dies natürlich hervorragende Möglichkeiten für eine Prävention. Voraussetzung dafür ist natürlich, dass man den Enzym-Mangel durch Ergänzung tatsächlich beheben kann. [...] Dies jetzt schon als Durchbruch zu bezeichnen, halte ich für verfrüht, bevor nicht eine unabhängige Bestätigung, die auch finanziell unabhängig ist, vorliegt." 

Das Forschungsteam selbst zeigt sich ebenfalls zurückhaltend. Zwar hätten sie geringe Aktivitätsspiegel von BChE nachgewiesen, doch die genauen Mechanismen, die zum Tod des Säuglings führen, sind derzeit noch unbekannt. Weitere Studien sollen hier ansetzen.

Quellen:
Geo Wissen
MDR Wissen

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