Ein gepunkteter Damenslip liegt auf einer rosa Fläche. Auf dem Zwickel außen liegt ein Vaginalzäpfchen.© Helin Loik-Tomson / iStock / Getty Images Plus
Präparate mit lebensfähigen Organismen dürfen keine Medizinprodukte mehr sein - gerade bei Probiotika für das Vaginalmikrobiom ändert sich deshalb eine Menge.

Milchsäurebakterien

VAGINAL-PROBIOTIKA KEINE MEDIZINPRODUKTE MEHR

Seit dem 27. Mai gilt eine Änderung der europäischen Medizinprodukteverordnung. Vaginaltherapeutika, die lebende Milchsäurebakterien enthalten, müssen zukünftig als Arzneimittel zugelassen werden. Warum sich das für viele Hersteller nicht lohnt und worauf PTA achten müssen.

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Nach der neuen EU-Verordnung (Medical Device Regulation) dürfen seit dem 27. Mai alle Produkte aus „lebensfähigen biologischen Substanzen oder lebensfähigen Organismen“ nicht mehr als Medizinprodukte vertrieben werden, sondern benötigen die Zulassung als Arzneimittel. Das hat Folgen für die Apotheken.

Viele Hersteller lassen sich nicht in die Karten schauen, wie es nun weitergeht. Ein Arzneimittel zuzulassen ist teuer und aufwändig. Für viele Hersteller lohnt sich das nicht, sodass einige Produkte nun wegfallen. Für den Handverkauf bedeutet das Einschränkungen.

Ein Milchsäure-Produkt bleibt auf jeden Fall

Nicht verzichten müssen PTA zukünftig auf die Vagisan® ProbioFlora Milchsäure-Bakterien des Herstellers Dr. August Wolff GmbH & Co. KG. Die Firma wies bereits vor Monaten darauf hin, als einziger die für den Vertrieb nach den neuen Regeln nötige Arzneimittelzulassung zu besitzen.

Nicht klar ist, wie es mit anderen Produkten weitergeht. Nur auf konkrete Anfragen bei Herstellern und Behörden kommen Informationen ans Licht.

  • So wurden die Gynophilus®-Produkte bis Ende April abverkauft: Der Hersteller Mylan Germany GmbH lässt ausrichten, dass eine Vermarktung als Arzneimittel nicht geplant sei.
  • Vagiflor® Vaginalzäpfchen dürfen, nachdem der Hersteller Sanavita eine Übergangsregelung erwirken konnte, bis Ende 2028 als Medizinprodukt verkauft werden.
  • Die Döderlein®-Produkte der Firma Glaxo Smith-Kline dürfen bis zum Ende ihrer jeweiligen Haltbarkeit ebenfalls abgegeben werden, wie es langfristig weitergeht, weiß man aber nicht. Der Hersteller schweigt sich über seine Zukunftspläne aus.

Weniger Auswahl bei der Therapie

Die Beratung im Handverkauf schränkt das natürlich ein. Gerade bei bakteriellen Vaginosen oder nach einer Antibiotikatherapie bescheinigen Studien den Lactobazillen eine vorbeugende Wirkung gegen Rückfälle und dass sie das Vaginalmikrobion schützen. Die Präparate sind bekannt und beliebt. Apotheken und Kunden müssen sich jetzt auf eine begrenztere Auswahl einstellen.

Die unterschiedlichen Lactobazillen sorgen dafür, dass der natürliche, saure pH-Wert in der Scheide konstant erhalten bleibt. So können sich Pilze und schädliche Bakterien nicht ausbreiten. Außerdem bilden die Milchsäurebakterien Wasserstoffperoxid, das Eindringlinge abtötet.

Wenn das Vaginalmikrobion weitgehend intakt ist, also zum Beispiel zur Vorbeugung einer Pilzinfektion vor Beginn einer oralen Antibiose, kann man auf Vaginalia mit Milchsäure oder Ascorbinsäure zurückgreifen. Diese sind nicht von der geänderten Verordnung betroffen und weiter verfügbar.

Probiotika zum Einnehmen

Auch Produkte zur oralen Einnahme gibt es. Die enthaltenen, lebenden Bakterien sind Bestandteil des Vaginalmikrobioms und siedeln sich nach der Einnahme dort an. Diese sind als Nahrungsergänzungsmittel zugelassen und somit nicht von der Neuregelung betroffen.

Andere Präparate zum Einnehmen betrifft die Medizinprodukte-Neuregelung allerdings. Die Kijimea®Reizdarm- Kapseln, bisher ein Medizinprodukt, enthalten lebensfähige Bifidobakterien. Der Hersteller Synformulas hat aber mit Kijimea® Reizdarm Pro bereits einen Nachfolger im Handel platziert. Hier sind die Bifidobakterien hitzeinaktiviert und fallen so nicht unter die neue Regelung, die ja nur lebensfähige Kulturen betrifft.

Vom Vorgänger Kijimea® Reizdarm vorhandene Restbestände dürfen abverkauft werden, auch nach dem 27.Mai. Das erlaubt die neue EU-Verordnung im Sinne einer Übergangsregelung. Auch langfristig soll das Produkt verfügbar bleiben, dann allerdings als Nahrungsergänzungsmittel, nicht mehr als Medizinprodukt.

Medical Device Regulation: Gut gemeint, schlecht gemacht?

Ziel der EU-Medizinprodukte-Verordnung ist eine erhöhte Sicherheit für zukünftige Medizinprodukte. Ärzte kritisieren die Neuregelung. Im Unterschied zu Vaginaltherapeutika sind andere betroffene Produkte unter Umständen lebenswichtig. Die neuen, strengeren Zulassungsvorschriften führen zu folgenschweren Lieferengpässen. Zubehör für wichtige Operationen fehlt mittlerweile.

Gerade Nischenprodukte kommen nun eher in den USA in den Verkehr, denn die oftmals kleinen Betriebe können und wollen sich die komplexe, teure EU-Zulassung nicht leisten. Die dafür nötigen Investitionen in Millionenhöhe übersteigen die zu erwartenden Umsätze durch den Verkauf der Produkte um ein Vielfaches. Zu beobachten ist das zum Beispiel in der Kinderkardiologie.

Quellen:
https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/news/artikel/2024/04/04/probiotika-duerfen-keine-medizinprodukte-mehr-sein
https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/news/artikel/2024/04/17/was-passiert-mit-doederlein-kijimea-und-co
https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/news/artikel/2024/04/26/vagiflor-vaginalzaepfchen-bleiben-vorerst-medizinprodukt
https://www.ptaheute.de/aktuelles/2024/05/08/probiotische-vaginalia-welche-sind-weiterhin-verkehrsfaehig
https://www.tagesschau.de/wirtschaft/medizinprodukte-zulassungsverfahren-verzoegerungen-100.html
https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=uriserv:OJ.L_.2017.117.01.0001.01.DEU

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