Leprabakterien
KÜNSTLICHES ORGANWACHSTUM DANK BAKTERIEN
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Man nannte die Krankheit auch „Aussatz“: Menschen mit den charakteristischen Hautauswüchsen und nekrotisiertem Gewebe wurden jahrhundertelang von der Gesellschaft ausgeschlossen und in spezielle Areale verbannt. Kein Kraut schien gegen eine der ältesten bekannten Krankheiten der Welt gewachsen zu sein – bis die Antibiotika entdeckt wurden.
Mycobacterium lepra verbreitete sich vor allem unter schlechten Hygienebedingungen und kommt heute noch in Brasilien, Indien und Indonesien vor. Unbehandelt nistet es sich in den infizierten Wirtszellen ein und verändert diese. Dies führt dann im fortgeschrittenen Stadium zu Hautgeschwülsten, Störungen des Tastsinns und Lähmungen.
M. lepra lässt junge Leberzellen neu entstehen
Das stäbchenförmige, knapp 5 Mikrometer (µm) große Bakterium hat eine besondere Eigenschaft: Es kann Wirtszellen genetisch umprogrammieren. Befindet es sich in der Leber, sorgt es dafür, dass das Organ wächst und dabei seine gesunde Struktur beibehält. Das hat den Vorteil, dass es mehr Zellen zur Verfügung hat, in denen es sich vermehren kann.
Dieses Verhalten fand ein Team von Wissenschaftler*innen um Samuel Hess von der University of Edinburgh in Schottland so interessant, dass es das Bakterium gezielt in Gürteltieren züchtete, die eine der wenigen Spezies neben dem Menschen sind, die das Kleinstlebewesen als natürlicher Wirt in sich tragen. Man bildete zwei Gruppen von resistenten und infizierten Tieren, sodass man vergleichen konnte. „Im Vergleich zu nicht infizierten und resistenten Tieren vergrößerte sich die Leber bei den infizierten Gürteltieren innerhalb von zehn bis 30 Monaten deutlich“, berichteten die Forscher. Dabei wiesen die infizierten Individuen hohe Bakterienzahlen in der Leber auf.
Bemerkenswert dabei: „Die vergrößerten infizierten Lebern hatten eine intakte Architektur und Gefäßorganisation ohne Schäden, Narbenbildung oder Tumore“, so die Forscher. Meint, dass M. lepra besonders junge Leberzellen nachbildete. Biologisch macht das Sinn, denn dann hat das Bakterium mehr davon. Die Wissenschaftler*innen wiederum konnten es kaum glauben: „Wenn wir herausfinden können, wie Bakterien die Leber als funktionelles Organ züchten ohne bei lebenden Tieren schädliche Auswirkungen zu verursachen, können wir dieses Wissen vielleicht nutzen, um sichere therapeutische Maßnahmen zur Verjüngung alternder Lebern und zur Regeneration geschädigter Gewebe zu entwickeln.“
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Immerhin: Derzeit führen Lebererkrankungen weltweit zu rund zwei Millionen Todesfällen pro Jahr und in vielen Fällen ist eine Transplantation die einzige Möglichkeit, den Betroffenen das Leben zu retten. Wäre es möglich, die Reste der eigenen Leber des Patienten zu einem gesunden Organ nachwachsen zu lassen, könnten wahrscheinlich viele leberbedingte Todesfälle vermieden werden. Das hatte man früher schon einmal bei Mäusen versucht, und zwar mithilfe von Stammzellen: Der Versuch scheiterte, denn das nachwachsende Gewebe bestand meist aus Narben und Tumoren.
Natürlich kommt es aufgrund der schwerwiegenden Krankheitssymptome nicht infrage, Menschen Leprabakterien einzupflanzen. Doch man könnte die vom Bakterium genutzten Mechanismen verstehen lernen und sie für gezielte Therapien kopieren, denn, so sagen die Forschenden: „Das bakterielle Genom ist eine wertvolle Ressource für zukünftige Studien.“
Quelle: wissenschaft.de