Frau benutzt Asthma-Inhalator.© nanausop / iStock / Getty Images

Besondere Kundengruppen

KUNDEN MIT SPRACHBARRIEREN

Kulturelle und sprachliche Barrieren sind bei der Beratung in der Apotheke eine besondere Herausforderung, denn schließlich sollen Ihre Informationen ankommen. Hier sind Kreativität und Einfühlungsvermögen gefordert.

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PTA und Apotheker sind durch §20 Apothekenbetriebsordnung zu Information und Beratung verpflichtet, wichtige Hinweise zur Anwendung, Aufbewahrung und Risiken bei der Abgabe von Arzneimitteln zu geben. Das ist gar nicht so einfach, wenn Menschen beraten werden sollen, die die deutsche Sprache nicht beherrschen. Zum Teil fragen die Kunden dann direkt: „Do you speak English?“ – Das ist dann meistens gut zu bewältigen. Auch Russisch, Türkisch oder Arabisch sind Sprachen, die von Mitarbeitern immer mal wieder abgedeckt werden.

„Ich habe ganz bewusst eine PTA mit arabischen und eine PTA mit russischen Wurzeln eingestellt, weil wir in diesem Viertel viele Kunden haben, die diese Sprachen sprechen“, so berichtet ein Apothekenleiter aus Duisburg. Je mehr Sprachen Kollegen im Apothekenteam sprechen, desto besser. So kann die jeweilige Kollegin bei Bedarf hinzugerufen werden und übersetzen oder den Beratungsprozess übernehmen. Wer schon selbst einmal im Ausland war und auf Deutsch bedient wurde, kann sich vorstellen, dass das Vertrauen schafft. Insbesondere komplexe Gesundheitsthemen werden besser verstanden. Ganz klar - mit der richtigen Sprache und einer freundlichen zugewandten Art werden Menschen mit Migrationshintergrund an die Apotheke gebunden.

Mit Händen und Füßen Doch nicht immer wird die richtige Sprache gesprochen, und dann ist Fantasie gefragt. Mit Gesten und der Mimik lassen sich auch Inhalte vermitteln. Indem auf die Organe gezeigt wird, zum Beispiel Bauch oder Kopf, kann die Lokalisation der Beschwerden erfragt werden. Zahlen können mit der Anzahl der Finger verbildlicht werden. Wer gut zeichnen kann, sollte Empfehlungen auf einem Blatt skizzieren. Dosierungsanweisungen sollten auf die Packung geschrieben werden. Hilfreich sind auch Piktogramme für die Beratung.

So stellt die Apothekerkammer Nordrhein eine pharmazeutische Arbeitshilfe mit Piktogrammen zur Verfügung. Hier ist in Abbildungen dargestellt, wie beispielsweise Zäpfchen eingeführt oder Augentropfen angewendet werden. Unter jedem Bild steht die englische Beschreibung. Auch Warnhinweise, wie „Not with alcohol or drugs“, „Keep out of reach of children” sind dargestellt. Am besten liegt diese Arbeitshilfe laminiert griffbereit für die Beratung im Handverkauf. Das englische Vokabular, um die wichtigsten pharmazeutischen Sachverhalte zu erklären, kann geübt und in einer Teambesprechung in Rollenspielen ausprobiert werden.

Viele Patienten nutzen auch den Übersetzer vom Handy oder zeigen die gewünschten Arzneimittel als Foto. Einige Pharmafirmen haben den Bedarf erkannt und stellen Informationsmaterial in verschiedenen Sprachen zur Verfügung. Anwendungsvideos zu Inhalatoren von der deutschen Atemwegsliga existieren in verschiedenen Sprachen – oftmals reicht aber schon, den Ablauf der Inhalation einfach im Video zu sehen und nachzumachen. Auch auf youtube sind Filme von wichtigen Gesundheitsthemen zu finden.

Unbekanntes Medikament Wenn ausländische Medikamente nachgefragt werden, sollten PTA und Apotheker prüfen, ob es den Wirkstoff auch unter einem anderen Handelsnamen in Deutschland gibt. Hier kann in der ABDA-Datenbank unter dem Wirkstoffnamen gesucht werden. Wenn die Darreichungsform oder die Stärke abweichen, müssen dem Patienten die Diskrepanzen verdeutlicht werden.

Andere Länder andere Sitten Bei der Beratung von Migranten spielen neben den sprachlichen Hürden auch kulturelle und religiöse Unterschiede eine Rolle. So möchte eine Frau muslimischen Glaubens möglicherweise nicht von einem Mann zum Vaginalpilz beraten werden. Schamgrenzen sind zu erspüren und zu achten. Hier ist eine diskrete Gesprächsführung gefragt. Dazu kann auch der Beratungsraum genutzt werden, damit andere Kunden nicht mithören. Streng gläubige Muslime essen während des Ramadans nichts Festes oder Flüssiges, solange die Sonne noch nicht untergegangen ist.

Kranke sind eigentlich davon ausgenommen und das Fasten ist nicht im Sinne des Korans, wenn ein gesundheitlicher Schaden damit ausgelöst werden kann. Bei Menschen, die multimorbide sind und viele Medikamente einnehmen, ist Aufklärungsarbeit gefordert, damit die Therapie sichergestellt ist. Wenn möglich, werden Einnahmezeitpunkte auf den frühen Morgen oder späten Abend gelegt. Einige Patienten lehnen auch die Einnahme von gelatinehaltigen Kapseln ab, da Gelatine aus Schweinen gewonnen wird. Ebenfalls werden alkoholhaltige flüssige Arzneien häufig aus religiösen Gründen abgelehnt. Bevor der Betroffene seine Medikamente gar nicht einnimmt, sollte eine alternative Darreichungsform ausgewählt werden. Hier können Sie ihre Kompetenz zeigen.

Anderes Gesundheitsverständnis In anderen Kulturen besteht ein anderes Verständnis zu Gesundheitsthemen. Zum Beispiel ist es in westlichen Ländern sehr verbreitet, sich gesund ernähren zu müssen und sich zu bewegen, wenn kardiovaskuläre Erkrankungen oder Diabetes vorliegen. Der Lebensstil ist in arabischen Ländern ganz anders – dort wird zum Beispiel nicht spazieren gegangen, das ist nicht üblich.

Auch ist die Ernährung eine andere. Und so ist es eine Aufgabe von PTA und Apothekern behutsam auf therapiebegleitende Maßnahmen der Lebensführung hinzuweisen und Tipps zu geben. Wichtig ist, dies aber immer mit einem Verständnis für die andere Kultur zu tun und nicht unsere westlichen Standards einfach überzustülpen. Hilfreich ist es, Fragen zu stellen, um den Patienten genauer kennenzulernen: „Welche Art von Bewegung stellen Sie sich vor? – Wann essen Sie Ihre Hauptmahlzeiten? Was sind Ihre Bedenken?“

Den Artikel finden Sie auch in DIE PTA IN DER APOTHEKE 03/2022 ab Seite 32.

Dr. Katja Renner, Apothekerin

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