Bewusstloser Mann liegt auf dem Boden© AndreyPopov / iStock / Getty Images Plus
Wie ein Gewitter im Gehirn, bei dem sich die Neuronen entladen. So lässt sich ein epileptischer Anfall in etwa beschreiben. Die Auswirkungen sind unterschiedlich und reichen von kaum wahrnehmbaren Krampfanfällen bis hin zu heftigen Verkrampfungen mit Bewusstseinsstörungen.

Krampfanfall

EPILEPSIE: ERSTE HILFE BEI EINEM EPILEPTISCHEN ANFALL

Etwas weniger als ein Prozent der Menschen hat Epilepsie. Viele von ihnen müssen überall mit epileptischen Anfällen rechnen. Bei besonders schweren Fällen benötigen Betroffene Hilfe. Wie Außenstehende effektiv Erste Hilfe leisten können.

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Der erste epileptische Anfall kommt mit 16 Jahren. Paula Bach ist mit Freunden unterwegs – und plötzlich ist da einfach nichts mehr, wie sie erzählt. Alles schwarz, alles weg. Eine gute Dreiviertelstunde lang ist die junge Frau ohne Bewusstsein. Wie sah es mit Erster Hilfe aus? Als Paula aufwacht, findet sie sich im Krankenhaus wieder. 

Was mit Paula los ist, weiß erst einmal keiner so genau. Erst fünf Jahre später steht die Diagnose: Epilepsie. Sie zählt zu den häufigsten neurologischen Erkrankungen. Epileptische Anfälle schränken das Leben der Betroffenen erheblich ein. Mittlerweile ist Paula Bach Anfang 30. 

Epileptische Anfälle: Fehlgeleitete Signale im Gehirn

Aber was ist Epilepsie eigentlich für eine Erkrankung? Und wie schaut angemessene Erste Hilfe aus? Julia Hoppe, Oberärztin der Klinik und Poliklinik für Neurologie am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, erklärt: „Unser Gehirn arbeitet, vereinfacht gesagt, elektrisch. Die Nervenzellen kommunizieren über elektrische Signale miteinander und entladen sich.“ Das gehe normalerweise sehr geregelt vonstatten. Bei einem epileptischen Anfall hingegen sei das Gehirn – oder auch nur einzelne seiner Bereiche – überaktiv. Zu viele Nervenzellen entladen sich gleichzeitig. Das gleicht einer Explosion der Neuronen.

Wie ein solcher epileptischer Anfall dann aussieht, sei unterschiedlich. Manchmal wird er von den Betroffenen selbst kaum wahrgenommen, manchmal kommt es zu starken Verkrampfungen oder – wie im Fall von Paula Bach – zu schweren Bewusstseinsstörungen, bei denen schnelles Eingreifen und fachgerechte Erste Hilfe gefragt sein können. 

Paula Bach erlebt solche schweren epileptischen Anfälle zwei- bis dreimal im Monat. Früher, bevor sie sich wegen der Epilepsie am Gehirn hat operieren lassen, waren es mehr: bis zu sechs kurze Aussetzer, sogenannte Auren, täglich und drei bis vier epileptische Anfälle wöchentlich.

Epileptische Anfälle kommen oft aus heiterem Himmel

Was viele dabei nicht über Epilepsie wissen: Nicht nur die epileptischen Anfälle selbst sind es, die die Gesundheit der Betroffenen stark gefährden, sondern auch die Umstände. Denn: Ein epileptischer Anfall kommt oft aus heiterem Himmel oder kündigt sich nur durch winzige Vorzeichen wenige Minuten vorher an. Vorkehrungen lassen sich bei Epilepsie so oft nicht treffen. Umso wichtiger ist die Erste Hilfe nach einem epileptischen Anfall. Dennoch unbeschwert zur Arbeit gehen, Freunde treffen, verreisen:

Für viele Betroffene ist all das nicht möglich und sogar gefährlich.

Paula Bach erzählt, dass ein epileptischer Anfall sie beispielsweise schon in der Dusche überkam, aus der sie dann fiel. Oder im Café, wo sie Tisch und Kaffee umwarf. Und einmal, besonders dramatisch, auf einer Rolltreppe: Von jetzt auf gleich war sie ausgeknockt, stürzte rückwärts hinunter. Doch anstelle Erste Hilfe zu leisten oder einen Krankenwagen zu rufen, verständigten Außenstehende die Polizei und Sicherheitsmenschen. Diese dachten im ersten Moment nicht an Epilepsie, sondern gingen von Krawall aus und hielten Paula Bach für eine Drogen- oder Alkoholabhängige. Zum Glück war eine Ärztin vor Ort, die für Aufklärung in puncto Epilepsie und Erste Hilfe sorgte.

Erste-Hilfe-Mythos: Etwas zwischen die Zähne schieben

Solche Fehleinschätzungen seien leider keine Seltenheit, sagt Paula Bach. Sie habe schon oft erlebt, dass Menschen sie für eine Suchtkranke hielten, wenn sie einen ihrer epileptischen Anfälle miterlebten. Oder – noch schlimmer – Tipps zur Ersten Hilfe geben, die bei Epilepsie sogar schaden können.

Einer dieser Erste-Hilfe-Mythen, die bei Epilepsie gefährlich sind: Betroffenen während des epileptischen Anfalls etwas zwischen die Zähne zu schieben, um zu verhindern, dass sie sich auf die Zunge beißen. 

„Dieser Ratschlag ist richtig gefährlich“, sagt Paula Bach. Der Grund: Viele Betroffene von Epilepsie würden während eines Anfalls Schaum vor dem Mund entwickeln. Mit einem Gegenstand zwischen den Zähnen könnten sie nicht richtig schlucken und schlimmstenfalls ersticken. Sie wünscht sich mehr Aufklärung über Epilepsie, damit Betroffene im Notfall die richtige Erste Hilfe bekämen.

Bei einem epileptischen Anfall richtig Erste Hilfe leisten

Aber was ist die richtige Erste Hilfe bei Epilepsie? „Es ist auf jeden Fall sinnvoll, den Rettungsdienst unter 112 zu rufen“, sagt Ärztin Julia Hoppe. Gerade Laien könnten sich schließlich nicht sicher sein, ob es sich tatsächlich „nur“ um einen vorübergehenden epileptischen Anfall handelt oder um eine andere Erkrankung, die sofort behandelt werden muss. 

Zusätzlich sollten sich Außenstehende vor allem darum kümmern, dass die Umgebung während des epileptischen Anfalls sicher ist. „Passiert es beispielsweise im Supermarkt und die betroffene Person schlägt um sich und ist stark verkrampft, ist es wichtig, bei der Ersten Hilfe darauf zu achten, dass Kopf, Hände und Arme nirgendwo gegen stoßen und auch nicht auf einen harten Boden knallen“, sagt Julia Hoppe. Eine weiche Jacke, unter den Kopf geschoben, ist beispielsweise schon eine großartige Erste-Hilfe-Maßnahme. Festhalten hingegen hilft nicht. Julia Hoppe warnt:

„Die Zuckungen können bei einem Anfall sehr stark sein und bergen dann auch eine Verletzungsgefahr für die helfenden Personen.“

Paula Bach sagt zudem: „Viele Betroffene möchten während eines Anfalls auch überhaupt nicht angefasst werden.“ Viel wichtiger sei: dabei zu bleiben und gut zu beobachten.

Wissen schafft Sicherheit für Betroffene und Helfende

Unzählige Male hat Paula Bach genau solche Situationen schon miterlebt – oder besser gesagt: sie sich nach ihrem Epilepsie-bedingten Knockout erzählen lassen. Ihr Körper ist voller Narben von Verletzungen, die sie sich während ihrer epileptischen Anfälle zugezogen hat. Dass Menschen Schwierigkeiten haben, einen epileptischen Anfall überhaupt zu erkennen und dann auch noch besonnen zu reagieren sowie angemessen Erste Hilfe zu leisten, dafür zeigt sie volles Verständnis. 

Häufig wurde sie schon mit einem epileptischen Anfall ins Krankenhaus gebracht, was unnötig war. Dennoch rät auch sie Außenstehenden dazu, einen Rettungswagen als Erste-Hilfe-Maßnahme zu rufen, wenn diese den Ernst der Lage nicht wirklich gut einschätzen können.

Sie selbst hat ihre Epilepsie derzeit im Griff. Ihre Familie und Freunde wissen Bescheid und können routiniert Erste Hilfe leisten, wenn Paula Bach einen epileptischen Anfall erleidet. Auch ihre Arbeitskolleginnen und -kollegen hat sie eingeweiht. Das ist auch ihr Tipp für andere Betroffene: „Es ist erleichternd, wenn man nichts verheimlichen muss. Je mehr Menschen wissen, was sie im Notfall zu tun haben, desto sicherer kann man durch den Alltag gehen“, sagt sie. 

Sie spricht anderen Betroffenen Mut zu, sich von ihrer Epilepsie nicht das ganze Leben diktieren zu lassen. Und: andere Menschen immer wieder aufzuklären, um die vielen Mythen und Unwahrheiten über die Epilepsie und angemessene Erste Hilfe nach und nach verschwinden zu lassen.

Quelle: dpa

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