Innovation
EINE SPRITZE ZUM SCHLUCKEN
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Bei Insulin oder monoklonalen Antikörpern handelt es sich um Makromoleküle, Arzneistoffe mit Proteinstruktur, die aufgrund dessen nicht oral verfügbar sein können. Denn der Magen würde sie abbauen, also verdauen und es kämen nur Schnipsel im Dünndarm zur Resorption an.
Ein Team um Alex Abramson vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Cambridge hat für dieses Problem eine spezielle Kapsel entwickelt, die das Protein in die Magenschleimhaut injiziert.
So klein wie eine Heidelbeere, aber mit großer Technik
12 mal 15 Millimeter groß ist die Kapsel, in etwa so groß wie eine Blaubeere. Dabei ähnelt sie in ihrer Form einem Schildkrötenpanzer. „Diese sich selbst ausrichtende Geometrie sorgt dafür, dass sich die Kapsel im Magen so dreht, dass die Injektionsseite immer auf die Magenschleimhaut gerichtet ist – ähnlich wie ein Wackelspielzeug, dass sich immer wieder von selbst aufstellt“, erklären die Forscher. „Das Design stellt sicher, dass die Kapsel die Dosis in das Gewebe und nicht in die Magenhöhle abgibt. So wird der enzymatische Abbau, der im Magen stattfindet, umgangen.“
Im Kapselinneren wird es dann richtig technisch: der flüssige Wirkstoff bildet gemeinsam mit dem Injektionsmechanismus das sogenannte L-SOMA, das liquid-injecting self-orienting millimeter-scale applicator. Vor dem Schlucken wird die darin befindliche Nadel mit einem Pellet aus festem Zucker in Position gehalten. Gerät dies in Kontakt mit Magensäure, löst es sich auf, wodurch ein Federmechanismus aktiviert wird, der die Nadel aus der Kapsel ins Gewebe drückt. So kann der Wirkstoff injiziert werden. Danach zieht sich die Nadel wieder zurück und die Kapsel wird ausgeschieden.
Die Technik könnte vielen helfen
Im Tierversuch bewährte sich die Kapsel bereits an vier Arzneistoffen: Insulin, Epinephrin, den monoklonalen Antikörper Adalimumab, sowie ein GLP-1-Analogon. 28 der 31 Schweine nahmen den Wirkstoff systemisch auf, wobei eine ähnliche Bioverfügbarkeit erreicht werden konnte wie nach subkutaner oder intramuskulärer Injektion.
Einige Schweine zeigten leichte Blutungen, die Behandlung selbst wurde aber sogar über Tage gut vertragen. Dennoch plant das Team um Abramson für künftige klinische Studien am Menschen den Fokus auf Sicherheit zu legen.
„Wir wissen heute, dass Tabletten der bevorzugte Weg der Medikamentenverabreichung sind, nicht nur für die Patienten, sondern auch für die Gesundheitsdienstleister“, sagt Abramsons Kollege Giovanni Traverso. Warum die Technik dann nicht ausbauen und beispielsweise für die Impfstoffgabe verwenden? „Obwohl wir noch am Anfang stehen, glauben wir, dass dieses Gerät das Potenzial hat, die Behandlungsmethoden in einer Reihe von Therapiebereichen zu verändern“, sagt Co-Autor Ulrik Rahbek vom beteiligten Unternehmen Novo Nordisk,
„Die laufende Erforschung dieses Ansatzes bedeutet, dass mehrere Medikamente, die derzeit nur über Injektionen verabreicht werden können, in Zukunft auch oral verabreicht werden könnten. Unser Ziel ist es, das Gerät so bald wie möglich in die klinische Erprobung zu bringen.“
Quelle: www.wissenschaft.de