Psychologie in der Apotheke
HÄUSLICHE GEWALT: MASKE 19
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während der CoronaPandemie haben die Fälle häuslicher Gewalt gegen Frauen zugenommen, insbesondere war die Situation im Lockdown eine große Herausforderung für Partnerschaften und Familien. Hat ein Mitglied einer Familie oder Wohngemeinschaft seinen Frust und seine Anspannung nicht unter Kontrolle, steigt das Risiko für häusliche Gewalt stark an. Blaue Flecken an den Armen oder an anderen Stellen des Körpers können ein typisches Signal sein. Sprechen Sie bei einem Verdacht Ihre Kunden einfühlsam auf das Thema an und zeigen Sie ihnen Möglichkeiten, Hilfe zu erhalten.
Betroffene können sich allerdings auch in Apotheken, Arztpraxen und Krankenhäusern unauffällig Hilfe holen, indem sie mit dem Codewort „Maske 19“ auf sich und ihre Situation aufmerksam machen. Diese Initiative wurde nach der Verbreitung in Frankreich und Spanien von der Union deutscher Zonta Clubs, ein Frauennetzwerk, auch in Deutschland eingeführt. Das Code-Wort soll es misshandelten Personen erleichtern, Hilfe zu erhalten. Bei Angabe des Code-Wortes müssen Sie sofort die Polizei verständigen.
Statistik Häusliche Gewalt ist nicht gerade selten: Jede vierte Frau im Alter zwischen 16 und 85 Jahren hat in ihrem Leben bereits häusliche Gewalt erfahren. Sie kommt in allen gesellschaftlichen Schichten und ethnischen Zugehörigkeiten vor. 2004 ergab eine Pilotstudie zum Thema „Gewalt gegen Männer in Deutschland“, dass bereits ein Viertel der befragten 200 Männer mindestens einmal körperliche Gewalt durch die aktuelle oder eine vergangene Partnerin erlebt habe.
Zehn der Betroffenen wurden dabei sogar mindestens einmal verletzt. Bereits 1990 stellte die Bundesregierung fest, dass Gewalt in Familien die häufigste Form der Gewalt in unserer Gesellschaft darstellt. Aufgrunddessen gibt es mittlerweile mehr als 350 Frauenhäuser in Deutschland.
Definition Unter häuslicher Gewalt versteht man sowohl sexuellen, körperlichen als auch seelischen Missbrauch, der von Partnern, Ex-Partnern, Eltern oder Kindern ausgeht. Sie wird als besonders belastend empfunden, weil die Misshandlung zuhause stattfindet, also dort, wo eigentlich ein Ort der Geborgenheit und Sicherheit sein sollte. Zudem geht die Gewalt von einem vertrauten Menschen aus, von dem man Schutz erwarten würde. Häusliche Gewalt kann verschiedene Formen annehmen: Partner können sich jähzornig verhalten und das Eigentum des Beziehungspartners zerstören, den Partner beleidigen, vor anderen schlecht machen oder den Kontakt zu Freunden und Freundinnen unterbinden.
Manchmal werden auch Drohungen ausgesprochen, Kindern oder Haustieren weh zu tun. In einigen Fällen werden Personen zuhause eingesperrt, auf Schritt und Tritt kontrolliert oder im Zuge einer Trennung gestalked. Auch wenn Eltern ihre Kinder schlagen oder Kinder ihre Eltern, spricht man von häuslicher Gewalt, ebenso, wenn Männer ihre Frauen zum Geschlechtsverkehr zwingen. Die Beschlagnahmung von Geld, emotionaler Missbrauch, Beschimpfungen, Demütigungen und Beleidigungen zählen ebenso zur häuslichen Gewalt. Sie muss nicht zwangsläufig in den eigenen vier Wänden stattfinden, sondern kann auch an anderen Orten erfolgen.
Voraussetzung ist, dass Opfer und Täter in einer häuslichen Gemeinschaft zusammenleben. Frauen in einer Trennungsphase gelten als besonders gefährdet, Opfer von häuslicher Gewalt zu werden. Häufig fallen Täter in der Öffentlichkeit nicht negativ auf, da sie sich nach außen hin friedfertig und umgänglich zeigen. Nur selten weisen sie eine psychische Erkrankung auf, die als Ursache für ihr Verhalten in Betracht kommt.
Hier gibt es Hilfe Ganz gleich, um welche Form der häuslichen Gewalt es sich handelt – sie stellt eine Straftat dar. Unter der Nummer 08000116016 erreichen Betroffene ein Hilfetelefon, dort werden ihnen alle Fragen rund um das Thema „Gewalt an Frauen“ beantwortet. Auch Angehörige, Freundinnen/Freunde oder Fachkräfte können sich bei der Hotline Unterstützung holen. Schnelle Hilfe erhält man von der Polizei, die unter der Nummer 110 erreichbar ist. Sie hat verschiedene Möglichkeiten, dem Opfer zu helfen: Der Täter kann der Wohnung verwiesen oder in Gewahrsam genommen werden, außerdem können die Beamten den Kontakt des Täters zum Opfer untersagen.
Darüber hinaus gibt es verschiedene örtliche Institutionen, wie etwa der örtliche Frauennotruf oder die Frauenberatungsstelle. Auch der Bundesverband Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe e.V. hilft in Fällen häuslicher Gewalt weiter. Misshandelten Kindern steht die Kinder- und Jugendhotline „Nummer gegen Kummer“ zur Verfügung. Der „Weiße Ring“ kümmert sich um Frauen, Kinder und Männer, die Opfer von Kriminalität und Straftaten wurden. Sie werden in diesen Stellen auch in Bezug auf das weitere Vorgehen beraten: Strafbare Handlungen wie Körperverletzung, Nötigungen, Vergewaltigungen oder Gefangenschaften sollten in jedem Fall bei der Polizei angezeigt werden.
Die Anzeige gelangt im weiteren Verlauf an die Staatsanwaltschaft, sodass gegebenenfalls Anklage erhoben wird und es zu einem Prozess kommt. Neben den strafrechtlichen Angelegenheiten existieren zivilrechtliche Schutzmöglichkeiten, dazu gehören alleiniges Sorgerecht für Kinder, Beschränkungen des Umgangsrechts, Schmerzensgeld oder Schadensersatz.
Die Zuständigkeit hierfür obliegt dem Familiengericht. Am 1. März 2022 startete die Kampagne #UnmutePain, mit der TERRE DES FEMMES gemeinsam mit ThermaCare® auf das Thema häusliche Gewalt gegen Frauen aufmerksam machen möchte. Es stehen auch verschiedene Informationsmaterialien zur Abgabe in der Apotheke bereit. Die Kampagne wird von Anfang März bis Ende April 2022 in deutschen Apotheken durchgeführt.
Zufluchtsorte Opfer dürfen nach Taten häuslicher Gewalt in der Wohnung und somit im gewohnten Umfeld bleiben, der Täter muss ausziehen/gehen – man bezeichnet dies als Wohnungsüberlassung. Selbst wenn das Opfer nicht mit im Mietvertrag aufgeführt ist, darf es bis zu sechs Monaten alleine in der Wohnung verbleiben. In dieser Zeit empfiehlt es sich, ein neues Zuhause zu suchen. Gelingt dies nicht, kann die Frist um weitere sechs Monate verlängert werden.
Leben Täter und Opfer in einer Ehe, erhält das Opfer die Wohnung bis zur Scheidung, allerdings zeigt die Praxis, dass Frauen häufig lieber in Frauenhäuser ziehen, weil sie sich dort sicherer fühlen. Betroffene sollten unbedingt nach oder in einer Misshandlungsbeziehung professionelle Hilfe in Form einer Psychotherapie in Anspruch nehmen, um das Geschehene aufzuarbeiten.
Offener Umgang Häusliche Gewalt sollte nicht verschwiegen werden, zum einen, um sich selbst zu schützen, zum anderen, um den eigenen Kindern viel Leid zu ersparen. Das Erleben häuslicher Gewalt von Kindern hat für sie gravierende Konsequenzen: Sie werden Studien zufolge ängstlicher, aggressiver, schneller depressiv und verfügen über schlechtere Problemlösefähigkeiten.
Auch für Frauen hat das Erleben von Gewalt schwerwiegende Konsequenzen: Haben sie in ihrer Kindheit oder Jugend Gewalt bei ihren Eltern beobachtet, waren sie später doppelt so häufig Opfer von Gewalt durch ihre Partner. Wurden sie in der Kindheit selbst durch Erziehungspersonen misshandelt, waren sie später dreimal so häufig von Gewalt durch einen Partner betroffen wie Frauen, die derartige Misshandlungen nicht erlitten hatten.
Den Artikel finden Sie auch in DIE PTA IN DER APOTHEKE 04/2022 ab Seite 80.
Martina Görz, PTA, M.Sc. Psychologie, Fachjournalistin