Eine Kette mit einem Christuskreuz als Anhänger ist um eine geballte Männerfaust gewickelt.© ppengcreative/iStock/Getty Images Plus
Statt der gewünschten Pille Danach gab ein Berliner Apotheker seinen Kundinnen religiöse Belehrungen. Damit verstieß er gegen die Berufsordnung und das Apothekengesetz.

Gerichtsurteil

APOTHEKE DARF PILLE DANACH NICHT VERWEIGERN

Die Pille Danach muss abgegeben werden, wenn sie verlangt wird. Zu diesem Urteil kommt das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg. Im konkreten Fall hatte ein Berliner Apotheker die Pille Danach aus Gewissensgründen mehrfach verweigert. Das, so das Urteil, verstößt gegen die Berufsordnung.

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Der betroffene Berliner Apotheker hatte zwischen 2013 und 2017 mehrfach, unter anderem im Notdienst, die Abgabe der Pille Danach verweigert.
Seine Begründung, er wolle sich nicht an einer Tötung bereits entstandenen Lebens beteiligen. Auch Rezepte belieferte er nicht. Beschwerden von Kundinnen, denen die Pille Danach verweigert wurde, nahm die Apothekerkammer Berlin zum Anlass für eine Klage.

Wichtig: Die Pille Danach tötet kein bereits entstandenes Leben!

In der Berliner Apotheke hatte der Inhaber jahrelang nicht nur die Pille Danach verweigert, sondern auch religiös motivierte Botschaften verteilt. Das kam nicht überall gut an, mittlerweile ist die Apotheke geschlossen. Die Apothekerkammer bezeichnet das Urteil als „Meilenstein“.

Gericht: Pille Danach abgeben oder den Beruf wechseln

Die Pille Danach darf, ebenso wie andere Arzneimittel auch, nicht verweigert werden. Das Oberverwaltungsgericht begründet die Entscheidung damit, es sei „die Kernpflicht eines selbstständigen Apothekers, die in seiner Apotheke nachgefragten Arzneimittel abzugeben“. Die Apotheken müssen die ordnungsgemäße Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln sicherstellen, heißt es in §1 Absatz 1 des Apothekengesetzes. Auch für die Pille Danach gilt also: Eine Abgabe darf nicht verweigert werden, es besteht Kontrahierungszwang. Gründe, die in der Person des Apothekers liegen, dürfen dem Versorgungsauftrag nicht entgegenstehen.

Das Gericht geht sogar noch weiter: Wer sich zur Führung einer öffentlichen Apotheke entschließe, müsse die umfassende Versorgung gewährleisten. Wer das nicht auf sich nehmen könne, dem sei es zuzumuten, seine Selbstständigkeit aufzugeben, heißt es in einer Pressemitteilung. Mit anderen Worten: Wer die Pille Danach nicht abgeben will, soll sich eine andere Tätigkeit suchen.

Nicht nur Abgabe der Pille Danach verweigert

Konkret hatte der Apotheker, ein gläubiger Katholik, in mehreren Fällen die Abgabe der Pille Danach nicht nur verweigert. Er gab den Kundinnen teils Zettel mit religiös motiviertem Inhalt mit oder schickte sie ihnen sogar nach Hause. Letzteres stellt einen eklatanten Verstoß gegen die Datenschutzbestimmungen dar. Bereits Jahre vorher war die Apotheke aufgefallen, weil dort Kondompackungen ebenfalls mit ähnlichen Zetteln bestückt waren.

Der Apotheker, so das Gericht, wusste, dass für die Pille Danach in seiner Apotheke Bedarf bestand und hatte sie absichtlich im Notdienst nicht vorrätig. So konnte er dann das Verweigern der Abgabe begründen. In erster Instanz im Jahr 2019 verwarnte ihn das Berufsgericht zunächst nur, nun wird das Oberverwaltungsgericht eindeutig. §9 Absatz 1 der Berufsordnung verpflichtet Apotheker, die ordnungsgemäße Teilnahme am Notdienst sicherzustellen und im Einzelfall bei der Beschaffung des benötigten Arzneimittels, hier der Pille Danach, zu unterstützen. Aber: „Die Vorschrift legitimiert nicht die bewusste Nichtbevorratung.“

Die Pille Danach gehört in die Apotheke, die persönliche Meinung nicht

Der Begründung des Apothekers, die Pille Danach habe abtreibende Wirkung, weil sie die Einnistung einer bereits befruchteten Eizelle verhindere, widerspricht der Richter übrigens deutlich. „Notfallkontrazeptiva sind keine Abortiva, mit denen eine bestehende Schwangerschaft abgebrochen wird“, heißt es. Als PTA wissen Sie natürlich, dass die Pille Danach lediglich den Eisprung verschiebt, so dass keine Befruchtung durch die vorhandenen Spermien stattfinden kann. Also kein Grund, die Abgabe einer Pille Danach in der Apotheke zu verweigern.

Die Präsidentin der Apothekerkammer Berlin zeigt sich zufrieden mit dem Urteil. Der Versorgungsauftrag sei gefährdet, wenn Berufsangehörige nach ihren eigenen Maßstäben agierten, so Ina Lucas. Die persönliche Meinung dürfe in der Ausübung des Apothekerberufes keine Rolle spielen. Die Pille Danach darf also in der Apotheke grundsätzlich nur verweigert werden, wenn medizinische oder andere Bedenken bestehen.

Apotheker bekam Unterstützung von religiöser Gruppe
Der betroffene Apotheker hat seine Apotheke bereits 2018 geschlossen. In seinem jahrelangen Rechtsstreit um die Pille Danach, deren Abgabe er in mehreren Fällen verweigerte, hatte er Unterstützung durch eine religiöse, konservative Bewegung mit Ursprung in den USA. Die Anwälte, Influencer und Politiker lehnen gleichgeschlechtliche Beziehungen, Schwangerschaftsabbrüche und Sterbehilfe ab und unterstützen Gleichgesinnte. Unter anderem wird Mike Pence, der frühere Vizepräsident der USA, mit der Bewegung in Verbindung gebracht.

Quellen:
https://www.pharmazeutische-zeitung.de/gewissenskonflikte-sind-irrelevant-149555/
https://www.apotheke-adhoc.de/nachrichten/detail/politik/pille-Danach-apotheker-darf-abgabe-nicht-verweigern/
https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/news/artikel/2024/06/28/selbststaendiger-apotheker-muss-pille-Danach-abgeben
https://www.apotheke-adhoc.de/nachrichten/detail/apothekenpraxis/urteil-kontrahierungszwang-fuer-pille-Danach/
https://www.apotheke-adhoc.de/nachrichten/detail/apothekenpraxis/moral-apotheker-in-berlin-schliesst-keine-pille-Danach/
https://www.berlin.de/gerichte/oberverwaltungsgericht/presse/pressemitteilungen/2024/pressemitteilung.1460797.php
https://adfinternational.org/de/news/gericht-gewissensfreiheit-apotheker-kersten
https://adfinternational.org/de
https://www.newsweek.com/what-alliance-defending-freedom-hate-group-ties-new-mike-pence-org-1582594

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