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Epilepsie

EXPLOSION DER NEURONEN

So könnte man Epilepsie auch nennen. Einfach erklärt, ist diese Krankheit durch Anfälle gekennzeichnet, die ihren Ursprung in der spontanen, gleichzeitigen und unkontrollierten Abgabe von Nervenzellimpulsen im Gehirn hat. Aber ganz so einfach ist es leider doch nicht.

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Der Name stammt aus dem Griechischen und bedeutet so viel wie Angriff oder Überfall. Auch lateinische Begriffe existieren dafür, zum Beispiel Morbus caducus (von cadere gleich fallen), was dem alten deutschen Begriff Fallsucht durchaus nahekommt. Bereits im 16. Jahrhundert wurde die Epilepsie erstmals notiert. Seither wurden unterschiedliche Krankheitsbilder unter diesen Begriff zusammengefasst, und auch Häufigkeit und Intensität von Krampfanfällen spielen bei der Bewertung eine Rolle. In Deutschland sind laut Gelber Liste unter Verweis auf das Berliner Informationszentrum Epilepsie der Deutschen Gesellschaft für Epileptologie e. V. zwischen 400 000 und 800 000 Menschen von Epilepsie betroffen, wobei die jährlichen Neuerkrankungen mit 32 000 bis 56 000 Fällen pro Jahr zu Buche schlagen.

Bemerkenswert ist, dass die meisten Erstdiagnosen in den ersten fünf Lebensjahren und dann erst wieder nach dem 60. Lebensjahr gestellt werden. Der Prozentsatz der Männer liegt statistisch etwas höher als der der Frauen. Nicht jeder Krampfanfall ist automatisch ein epileptisches Ereignis. Es gibt auch Anfälle, die bei geschätzten fünf bis zehn Prozent der Bevölkerung einmalig im Leben auftreten und nicht zum Formenkreis der Epilepsie gezählt werden.

Vielfältige Unterscheidungskriterien Nachdem es verschiedene Klassifikationen gibt und die Fachliteratur sich bis dato nicht einhellig auf bestimmte Definitionen geeinigt hat, kann folgende grobe Einteilung getroffen werden:

  • Generalisierte Epilepsien und Epilepsie-Syndrome Darunter verstehen Mediziner Anfälle, die sich auf das gesamte Gehirn erstrecken. Auch hier gibt es noch Unterscheidungen in tonische (Gliedmaßen betreffend), klonische (langsam zuckende Muskelgruppen) und tonisch-klonische Anfälle. Letzte werden auch als „Grand mal“ bezeichnet. Bei dieser schweren Form setzt eine tonische Verkrampfung der Muskulatur mit einer Dauer von circa 20 bis 30 Sekunden ein. Die sich anschließende Phase ist durch generalisierte Zuckungen (Kloni) besonders der Arme und Beine, aber auch im Gesicht, am Hals und am Rumpf mit nachfolgender Phase der Verwirrung, Schläfrigkeit und unter Umständen sogar Nachschlaf gekennzeichnet.
  • Fokale Epilepsien und Epilepsie-Syndrome In dieser Gruppe beschränken sich die Anfälle auf ein begrenztes Hirnareal, dessen Funktion die jeweils davon gesteuerte Körperregion regelt. So sind zum Beispiel motorische Anfälle, also Arm- oder Beinzuckungen, oder Sehveränderungen, sogenannte visuelle Anfälle, möglich. Nicht selten beginnen Epilepsien fokal, greifen dann jedoch auf das gesamte Gehirn über und entwickeln sich zu einem generalisierten Anfall.

Was passiert bei einem epileptischen Anfall? Betroffene sind vor einem epileptischen Anfall nicht gefeit. Er ist so gut wie nicht vorhersehbar, sondern kann ganz plötzlich auftreten, und zwar als abrupte und häufig exzessive synchrone Entladung der Nervenzellen im Gehirn. Es kommt zu einem regelrechten „Gewitter im Kopf“. Die reguläre Funktion des Gehirns ist somit vorübergehend gestört, und Außenstehende nehmen je nach betroffener Hirnregion die entsprechenden Einschränkungen wahr. Die am deutlichsten sichtbare und damit auch in der Vorstellung der meisten Menschen mit dem Begriff Epilepsie verbundene Erscheinung ist der Grand-mal-Anfall, wobei der Betroffene meist stürzt, massiv krampft und sich nicht selten auf die Zunge beißt, was je nach Umgebung und Dauer gefährlich werden kann.

Es gibt auch Anfälle, die sehr unauffällig verlaufen und bei denen es zu einer kurzzeitigen Absenz, dem sogenannten Petit mal, kommt. Der Betroffene wirkt dann wie weggetreten. Mögliche, aber unspezifische Anzeichen für einen schwer abzusehenden, sich dennoch ankündigenden Anfall können Verstimmung, Kopfschmerzen oder Reizbarkeit sein. Oft in Verbindung mit einer sogenannten Aura kommt es zu Wahrnehmungsstörungen, die jedoch ein Außenstehender nicht mitbekommt. Dabei kann es passieren, dass der Betroffene etwas sieht, riecht oder hört, das in Wahrheit gar nicht existiert. Selbst psychische Aura-Symptome sind möglich, wobei die äußere und die innere Welt verzerrt oder verändert wahrgenommen werden. Objekte scheinen dem Patienten größer oder kleiner, weiter entfernt oder ganz nah.

Es lassen sich motorische (tonische oder klonische) und sensorische Symptome unterscheiden, die jedoch individuell differenziert und in diversen Kombinationen ausfallen können. Bei den sensorischen Symptomen werden die Sinneseindrücke beeinflusst. So kann es zu Kribbeln, gesteigertem Kälte- oder Wärmeempfinden oder Brennen in bestimmten Körperregionen kommen. Sogar von Halluzinationen mit der Wahrnehmung vermeintlicher Lichtblitze oder ganzer Szenen berichten Patienten. Sämtliche Erscheinungen sind häufig von Angstgefühlen und Panik begleitet.

Mögliche Zeichen Außenstehende fühlen sich meist hilflos und sind von der Spontaneität der Anfälle überrascht und schockiert. Es gibt ein paar Merkmale, die besonders auf einen nahenden komplex fokalen epileptischen Anfall hindeuten können, sie werden als Automatismen bezeichnet. Dazu zählen Scharren mit den Füßen, Kaubewegungen, Nesteln oder Zupfen an der Kleidung, Schmatzen und rhythmisches Öffnen und Schließen der Fäuste.

Was ist im Akutfall zu tun? Normalerweise enden epileptische Anfälle nach ein paar Sekunden bis zu einigen Minuten. In diesen Fällen sollten Begleitpersonen darauf achten, dass der Betroffene nicht stürzt oder sich zumindest nicht verletzt. Sie sollten beruhigend auf ihn einwirken und das Abklingen der Symptome entsprechend verfolgen. Auf keinen Fall sollte versucht werden, den Patienten festzuhalten oder ihm etwas zwischen die Zähne zu schieben, Brillen sollten abgenommen und die Person sollte in die stabile Seitenlage gebracht werden.

In schwereren Fällen, also wenn ein Anfall länger fünf Minuten dauert, wenn binnen einer Stunde ein weiterer schwerer Anfall folgt, oder wenn zwischen zwei Anfällen der Betroffene das Bewusstsein nicht zurückerlangt, muss umgehend ein Notfallmedikament verabreicht werden, das den Anfall unterbricht, und die Benachrichtigung des Notarztes ist Pflicht. Betroffene mit der Diagnose Epilepsie haben in den meisten Fällen einen Notfallpass bei sich, in dem festgehalten wird, welches Medikament im Notfall zu verabreichen ist. Die Präparate gehören in der Regel zur Substanzklasse der Benzodiazepine: Midazolam, Diazepam oder Lorazepam. Sie sind je nach Wirkstoff als Schmelztablette, Zäpfchen, Tropfen oder Nasentropfen mit unterschiedlicher Wirkungseintrittsdauer erhältlich. Fachkräften wie Notärzten und Rettungssanitätern stehen Medikamente häufig als rasch wirkende intravenös zu verabreichende Lösungen zur Verfügung.

Hilfe und Unterstützung Auf der Homepage der Deutschen Epilepsievereinigung in Berlin sind zahlreiche Informationsblätter im PDF-Format herunterzuladen. Ebenso sind dort Kontaktdaten für Selbsthilfegruppen, Beratungsstellen, Epilepsie-Ambulanzen, Epilepsie-Zentren und weitere Anlaufstellen jederzeit abrufbar.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 10/2021 ab Seite 114.

Wolfram Glatzel, freier Journalist

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