Steckbrief
ANTIPARKINSON-MEDIKAMENTE
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Aktuell haben in Deutschland etwa 250 000 Menschen Morbus Parkinson. Die Krankheit tritt typischerweise in den höheren Lebensjahren auf. Der größte Teil der Patienten erkrankt im Alter über 60 Jahren, selten sind auch jüngere Menschen ab 40 Jahren betroffen. Grundlage des Beschwerdebildes ist ein Dopaminmangel, der durch den Untergang dopaminerger Zellen in der Substantia nigra im Gehirn hervorgerufen wird. Die degenerativen Prozesse finden schon lange statt, bevor Symptome auftreten.
Studien zeigen, dass Ablagerungen von dem pathologisch veränderten Protein Alpha-Synuclein an der Zerstörung der Nervenzellen beteiligt zu sein scheinen. Erste Vorzeichen einer Parkinsonerkrankung, meist bereits vor Diagnosestellung, sind Schlafstörungen, Beeinträchtigungen des Geruchssinns und depressive Symptome. Wenn die dopaminergen Zellen in einem hohen Maße zerstört sind – mehr als die Hälfte –, dann werden die typischen Parkinsoncharakteristika offensichtlich.
Typische Beschwerden Die Leitsymptome sind Rigor, bei dem die Muskulatur versteift und der Muskeltonus sich erhöht, Tremor, also einseitiges Zittern, besonders der Hände, Akinese, die Bewegungen nur noch verlangsamt ablaufen lässt. Man spricht auch von motorischer Gebundenheit, weil eine Bewegung nur schwer in Gang zu setzen oder zu beenden ist. Die Symptome sind bei den Patienten interindividuell ausgeprägt. Schreitet die Erkrankung fort, verstärken sich die Beschwerden.
Dazu kommen häufig depressive Verstimmungen und demenzielle Symptome, aber auch Inkontinenz, Obstipation, vermehrter Speichelfluss und das typische Salbengesicht. In der Apotheke sind die Patienten an ihrem schlurfenden Gang und den maskenartig-eingefrorenen Gesichtszügen zu erkennen. Auch die Kommunikation ist in späteren Stadien oftmals erschwert. Die Reaktionen des Patienten sind verzögert und vermitteln den Eindruck, als habe der Patient die Frage nicht verstanden. Die für die Kommunikation so wichtige Mimik fehlt. PTA sollten also geduldig auf den Kunden eingehen.
Ziele und Optionen Die Therapie zielt im Wesentlichen darauf ab, den fortschreitenden Dopaminmangel auszugleichen und das Ungleichgewicht mit dem Botenstoff Glutamat zu vermindern. Eine Heilung der Erkrankung ist nicht möglich. Neben der medikamentösen Therapie sind physio-, psychotherapeutische Maßnahmen und Logopädie sinnvoll, um die Beweglichkeit und Motorik so gut wie möglich zu verbessern. In der Pharmakotherapie ist Levodopa die Leitsubstanz. Diese Dopaminvorstufe wird zusammen mit Dopa-Decarboxylasehemmern wie Carbidopa oder Benserazid kombiniert, damit ausreichend Levodopa die Blut-HirnSchranke überwindet und vegetative Nebenwirkungen vermindert werden.
Erste Voranzeichen einer Parkinsonerkrankung sind Schlafstörungen, Beeinträchtigung des Geruchssinns und depressive Symptome.
Alternativ kommen Dopamin-Agonisten wie Pramipexol oder Ropinirol zum Einsatz. Sie imitieren die Wirkung von Dopamin an Dopamin-Rezeptoren und werden bevorzugt zu Therapiebeginn bei jüngeren Patienten verordnet. Später können sie auch in Kombination mit Levodopa eingesetzt werden. Arzneistoffe, die den Abbau von Dopamin hemmen, das noch vorhandene endogene Dopamin also verstärken, sind Monoaminooxidase-B-(MAO-B-)-Hemmer wie Selegilin, Safinamid oder Rasagilin. Sie werden als Monotherapie zu Behandlungsbeginn bei leichteren Beschwerden empfohlen. Amantadin und Budipin sind Glutamatantagonisten, die das Gleichgewicht zwischen dopaminerger Hemmung und der Stimulation durch den Gegenspieler Glutamat verbessern. Sie sind schwächer wirksam als Levodopa und werden deshalb im Frühstadium oder in Kombination eingesetzt. Im fortgeschrittenen Stadium werden auch Anticholinergika wie Metixen und Procyclidin kombiniert, um günstig gegen Tremor und Speichelfluss zu wirken.
Wirkung beobachten Antiparkinsonmittel sind beratungsintensiv. Es ist wichtig im Beratungsgespräch nach der Verträglichkeit und Wirksamkeit zu fragen. Die anfänglich hervorragende Wirkung von Levodopa ist zeitlich limitiert. Etwa drei bis fünf Jahre profitieren die Patienten und ihre Beschwerden bessern sich deutlich; das ist die Honeymoon-Phase. Dann sinkt die Wirkdauer von Levodopa. Nun wechseln sich Phasen von Bewegungsunfähigkeit und Überbeweglichkeit rasch ab. Diese Fluktuationen deuten auf Über- und Unterschreiten des therapeutischen Bereichs hin. Die Einnahmeintervalle müssen bei Levodopa in fortgeschrittenen Stadien also stetig angepasst werden, um die Beweglichkeit bestmöglich zu optimieren. Auch Wechselwirkungen und Nebenwirkungen sind in der Apotheke zu identifizieren und in Zusammenarbeit mit dem Arzt auszuräumen.
Viele Parkinsonpatienten leiden unter Schluckbeschwerden. Wenn ihnen das Probleme bei der Medikamenteneinnahme bereitet, können lösliche Tropfen oder Schmelztabletten empfohlen werden. Insbesondere bei Neuverordnungen sollte darauf geachtet werden, dass man die Medikation einschleicht, um gastrointestinale Nebenwirkungen zu vermeiden. Da das Beschwerdebild des Morbus Parkinson so komplex ist, können sich PTA auch durch sinnvolle Zusatzempfehlungen profilieren. So können Sie Macrogole zur Verbesserung der Obstipation, spezielle Hautpflegeprodukte bei Seborrhö oder saugende Vorlagen bei Inkontinenz empfehlen. Der Leidensdruck der Patienten ist mit Dauer der Krankheit hoch, so dass eine intensive Beratung und Betreuung in der Apotheke vor Ort wichtig ist – sie kann die Lebensqualität der Betroffenen und Angehörigen verbessern.
Den Artikel finden Sie auch in DIE PTA IN DER APOTHEKE 01/2022 ab Seite 86.
Dr. Katja Renner, Apothekerin