Drei Lebkuchenmännchen schauen aus einer großen blauen Tasse. Ein viertes liegt neben der Tasse.© Angelika Mostova/iStock/Getty Images Plus
Das süße Lächeln täuscht: Zu lange oder zu heiß gebacken, entsteht in Plätzchen Acrylamid. Lebkuchen-Männchen Nummer 4 weiß Bescheid.

Zu dunkel

ACHTUNG, ACRYLAMID: 5 TIPPS ZUM PLÄTZCHEN-BACKEN

Schon gut gebräunte – nicht verbrannte – Plätzchen enthalten das wahrscheinlich krebserregende Acrylamid. Wie gefährlich die Substanz ist und wie sie entsteht, erfahren Sie hier – zusammen mit 5 Tipps für eine Acrylamid-arme Weihnachtsbäckerei.

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Verbrannte Plätzchen isst man besser nicht, schon klar. Wussten Sie aber, dass auch dunkel gebräuntes Gebäck schon krebserregend sein kann? Der Übeltäter heißt Acrylamid – und entsteht, wenn Kipferl & Co. zu lange oder zu heiß gebacken werden. Dass das krebserregende Acrylamid überhaupt in Plätzchen stecken kann, wissen wir erst seit gut 20 Jahren – da entdeckten Forscher die Substanz in Chips, Pommes und einigen anderen Lebensmitteln.

Warum Gebäck gar nicht verbrannt sein muss, um krebserregend zu sein, wie das Acrylamid in die Plätzchen gelangt und worauf wir alle beim Backen und Einkaufen achten sollten, erfahren Sie hier.

Sind denn nicht nur verbrannte Plätzchen schädlich?

Schwedische Forschende fanden 2002 hohe Acrylamid-Gehalte in bestimmten Lebensmitteln. Zuvor kannten wir den wohl krebserregenden Stoff eher als Ausgangsstoff in der Industrie oder aus Zigarettenrauch. Acrylamid entsteht in Lebensmitteln wie Plätzchen als Nebenprodukt bei der chemischen Reaktion, die Lebensmittel bräunen und Röstaromen entwickeln lässt. Und das schon lange, bevor sie verbrannt sind.

Ein bisschen Plätzchen-Chemie
Das wahrscheinlich krebserregende Acrylamid in Lebensmitteln ist ein Nebenprodukt der Maillard-Reaktion; einer ganzen Kaskade an Reaktionen. Reduzierende Zucker wie Glucose oder Fructose reagieren mit Aminosäuren zum sogenannten Amadori-Produkt. Aus dem wiederum können unterschiedliche Moleküle entstehen – abhängig von Reaktionsbedingungen wie Temperatur, Zuckeranteil, Wassergehalt und der genauen Aminosäure. Acrylamid entsteht, wenn die Aminosäure Asparagin beteiligt ist – und zwar vorzugsweise bei hohen Temperaturen und wenig Wasser.

Acrylamid entsteht also vor allem in gebratenen, frittierten, gebackenen oder gegrillten Speisen, auch wenn diese nur gebräunt, nicht verbrannt sind. Und zwar wenn Fructose oder Glucose vorliegen und wenn die Kohlenhydrat-Quelle Asparagin enthält, wie zum Beispiel Kartoffeln und Getreide. Einen hohen Gehalt an Acrylamid haben etwa Fritten und Chips, aber auch Röstkaffee und Toastbrot – und eben gut gebräunte Plätzchen.

Wie krebserregend sind zu dunkel geratene Plätzchen?

Plätzchen müssen also gar nicht verbrannt sein, schon beim Bräunen entsteht das krebserregende Acrylamid. Im Tierversuch schädigte die Substanz das Erbgut, erzeugte Krebs, störte das Nervensystem, die männliche Fortpflanzung und die Embryonalentwicklung. Deshalb ist Acrylamid als wahrscheinlich krebserregend eingestuft. Bei solchen Gefahrstoffen gibt es keinen Grenzwert, bis zu dem die Aufnahme sicher gilt. Die Devise lautet: vermeiden, wo immer es geht.

Die EU verpflichtet Lebensmittelhersteller, Maßnahmen zu ergreifen, um so wenig wie möglich von dem wahrscheinlich krebserregenden Stoff entstehen zu lassen. Für verkaufte Produkte wie fertige Plätzchen gelten Richtwerte – allerdings keine Obergrenzen, ab denen sie aus dem Verkehr gezogen werden müssten.

Wie krebserregend genau Acrylamid ist, lässt sich derzeit nicht sagen. Die Studienlage ist zu gering, um aus den Daten aus Beobachtungsstudien einen statistischen Zusammenhang zu errechnen.

Vorsicht, Kinder!

Eine Handvoll fast verbrannter Plätzchen füllen einen Kinderbauch eher als einen Erwachsenenbauch. Das heißt: Im Verhältnis zu ihrem Körpergewicht nehmen Kinder mehr wahrscheinlich krebserregendes Acrylamid zu sich.

Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit schätzt, dass Erwachsene täglich 0,4 bis 0,9 Mikrogramm pro Kilogramm Körpergewicht verspeisen. Bei Kindern sind es 0,5 bis 1,9 – abhängig von den individuellen Ernährungsgewohnheiten. Deshalb und weil sie im Allgemeinen als vulnerable Gruppe gelten, ist das Risiko durch Acrylamid in Plätzchen für Kinder vermutlich größer als für Erwachsene.

5 Tipps für weniger Acrylamid in Plätzchen

Ist das also das Aus für Plätzchen? Zum Glück gibt es einige Tricks, damit beim Backen weniger potenziell krebserregendes Acrylamid entsteht.

  • Vergoldet statt verbrannt: Acrylamid entsteht in Plätzchen zwar schon ab 120 Grad Celsius, aber ab 170 Grad steigt die Bildung rapide an. Deshalb gilt: Lieber bei niedrigen Temperaturen backen.
  • Blick auf die Uhr: Auch längeres Backen und das Abkühlenlassen der Plätzchen auf dem heißen Blech trägt dazu bei, die wahrscheinlich krebserregende Substanz entstehen zu lassen.
  • Bye, bye, Bambigeweih: Hirschhornsalz setzt Ammoniak frei, woraus wiederum Acrylamid entsteht. Also lieber zu Natron oder Backpulver greifen.
  • Ei, Ei, Ei: Eine Studie aus dem Jahr 2009 zeigt, dass der Acrylamid-Gehalt in Plätzchen sinkt, wenn man sie vor dem Backen mit Ei bestreicht.
  • Die Mandeln rausnehmen: Mandeln sind reich an Asparagin – Sie erinnern sich: Das ist die Aminosäure, aus der in der Maillard-Reaktion Acrylamid entsteht. Wenn möglich, also lieber ohne Mandeln backen.

Und wie ist es bei gekauften Plätzchen?

Wer nicht selbst die Ausstecher schwingt, sondern lieber im Supermarkt zugreift, kann trotzdem auf einen niedrigen Gehalt des wahrscheinlich krebserregenden Acrylamids achten. Stiftung Warentest hat 49 Plätzchen untersucht. 39 davon enthielten weniger als ein Viertel des EU-Richtwerts.

Quellen:
https://www.spektrum.de/kolumne/eine-prise-chemie-acrylamid-in-weihnachtsplaetzchen-vermeiden/2231506
https://www.bfr.bund.de/de/fragen_und_antworten_zu_acrylamid_in_lebensmitteln-1955.html
Eden Tareke, Per Rydberg, Patrik Karlsson Sune Eriksson, Margareta Törnqvist: „Analysis of Acrylamide, a Carcinogen Formed in Heated Foodstuffs”, ACS Publications, 17. Juli 2002. https://pubs.acs.org/doi/10.1021/jf020302f
Clara Amalie Gade Timmermann, Signe Sonne Mølck, Manik Kadawathagedara, Anne Ahrendt Bjerregaard, Margareta Törnqvist, Anne Lise Brantsæter, Marie Pedersen: „A Review of Dietary Intake of Acrylamide in Humans”, PubMed Central, 30. Juni 2021. https://pmc.ncbi.nlm.nih.gov/articles/PMC8309717/
E. Özkaynak, Gülden Ova: „Effects of various cooking conditions on acrylamide formation in rolled patty”, Taylor & Francis, 19. November 2008. https://www.tandfonline.com/doi/abs/10.1080/02652030902780257
https://www.test.de/Acrylamid-in-Weihnachtsgebaeck-5439781-0/

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