Mann hält seine Hände vor dem Körper überkreuz und hat weiße Flecken an den Händen© Narongrit Doungmanee / iStock / Getty Images Plus
Bei Menschen, die unter Weißfleckenkrankheit leiden, versiegt die Melaninproduktion in manchen Zellen plötzlich und ein lokaler Mangel entsteht.

Vitiligo

WEISSE FLECKEN AUF DER HAUT

Vitiligo ist gar nicht so selten, rund ein Prozent der Bevölkerung leidet unter dem plötzlichen Verlust der Melanozyten. Die Krankheit ist weder gefährlich noch ansteckend und doch weit mehr als ein kosmetisches Problem für Betroffene.

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Es beginnt mit ein paar unscheinbaren weißen Flecken, vielleicht an den Händen oder in den Kniekehlen. Doch plötzlich breiten sich die Flecken aus, treten an beiden Gliedmaßen auf. Jucken nicht, brennen nicht – ein Blick des Hautarztes genügt und die Diagnose steht schnell fest: Vitiligo. Der Begriff stammt aus dem Lateinischen und lässt sich mit „Flechte“ oder „Hautkrankheit“ übersetzen. Der ebenfalls verwendete medizinische Fachterminus Leucopathia acquista bedeutet sinngemäß „erworbenes weißes Leiden“. 

Das beschreibt das Krankheitsbild, ebenso wie der umgangssprachlich genutzte Name Weißfleckenkrankheit, treffend: Menschen mit Vitiligo sind völlig gesund, tragen auf der Haut aber gut sichtbare, teilweise ausgedehnte pigmentfreie Hautflächen. Wobei jedes Körperteil betroffen sein kann, häufig jedoch die Areale um Augen, Lippen, Knien oder Fingern – symmetrisch oder seltener nur an einer Körperseite. Jeder Dritte leidet zusätzlich unter depigmentierten Haaren, auch die Schleimhäute oder die Iris können befallen werden. 
Diese chronische Pigmentstörung ist nicht ansteckend, schmerzhaft oder juckt, fällt aber auf. Und sie ist nicht heilbar, in wenigen Fällen reversibel. Die dadurch entstehende psychische Belastung und der häufige soziale Rückzug beeinträchtigen Betroffene enorm.
 

Ursache: nicht genau bekannt

Keine Hautfarbe gleicht der anderen. Den Grund hierfür liefern die Melanozyten unserer Haut, sie produzieren das Hautpigment Melanin. Je nachdem wieviel davon hergestellt wird, erscheint der Hautton heller oder dunkler. Die gewünschte Sommerbräune geht ebenso auf das Konto dieser spezialisierten Zellen zurück, wie auch die Augen- oder Haarfarbe. Bei Menschen mit Vitiligo versiegt die Melaninproduktion in manchen Zellen plötzlich, sodass es zu einem lokalen Mangel kommt: Es entstehen scharf abgrenzbare, weiße Hautareale. 
Wie es zu dem plötzlichen Mangel kommt, ist bis heute nicht genau geklärt. Da die Krankheit familiär gehäuft auftritt, geht man aber von einer genetischen Veranlagung aus, rund 20 Prozent der Betroffenen haben Verwandte mit Vitiligo. Forschende identifizierten bereits Gene, die für Vitiligo empfänglicher machten und unter anderem an der Entwicklung von Melanozyten beteiligt sind. Dazu, wie die Melanozyten konkret zerstört werden, existieren ein paar Theorien:

  • Autoimmunes Geschehen: Eine zentrale Rolle tragen hierbei die zytotoxischen T-Zellen. Über eine fehlgeschaltete Immunkettenreaktion werden diese CD8+-Zellen so programmiert, dass sie Oberflächenstrukturen der Melanozyten als fremd einstufen und zerstören. Man konnte bereits in vielen Fällen eine Beteiligung des JAK-STAT-Signalwegs (JAK=Januskinase, STAT = Signal Transducers and Activators of Transcription; ein spezieller Übertragungsweg, der an Zellentwicklung, Wachstumskontrolle und Homöostase beteiligt ist) nachweisen, was einen möglichen Ansatzpunkt für eine ursächliche Therapie mit beispielsweise Januskinase-Hemmern darstellen würde. 
  • Autoaggression: Die betroffenen Melanozyten produzieren über fehlgeschaltete Prozesse bestimmte Enzyme und Zellgifte, die zur eigenen Zerstörung führen.
  • Neurogene Hypothese: Körperlicher oder psychischer Stress führt dazu, dass Nervenzellen bestimmte Signalstoffe abgeben, die über eine Aktivierung des Immunsystems zum Absterben der Melanozyten beiträgt. Diese Hypothese könnte erklären, warum die Krankheit bei Stress schneller fortschreitet.

Die Autoimmunhypothese wird derzeit favorisiert, jüngste immunologische Untersuchungen bestätigten die Rolle des angeborenen und erworbenen Immunsystems bei einem bestimmten Vitiligo-Typ. Zum einen konnten im Blut Betroffener entsprechende Antikörper nachgewiesen werden, zum anderen treten andere Autoimmunerkrankungen wie die Hashimoto-Thyreoiditis oder der Diabetes mellitus Typ 1 bei Vitiligo-Patienten vermehrt auf. In aktiver Vitiligo-Haut konnten verschiedene proinflammatorische Zytokine (Chemokine und γ-Interferon) festgestellt werden, die zur Mobilisierung der zytotoxischen T-Zellen beitragen.
Berichten von Patienten zufolge bemerkten sie die Hautkrankheit erstmalig nach bestimmten Triggern, wie zum Beispiel Hautverletzungen, Sonnenbrand, Schwangerschaft, anderen Erkrankungen oder großem Stress. Untersuchungen existieren für Sauerstoffradikale, sowohl von außen zugeführt als auch innerlich als Stressantwort gebildet, und Therapien mit Hemmstoffen des Tumornekrose-Faktors (TNF) wie Infliximab als mögliche Triggerfaktoren.
 

Prognose und Verlauf: sichtbare und unsichtbare Schäden

Die ersten Flecken können in jedem Alter auftreten, es findet sich jedoch eine Häufung zwischen dem 10. und 30. Lebensjahr. Bei der Diagnosestellung unterscheiden Mediziner in zwei Hauptformen: die generalisierte und die lokale Vitiligo.

Lokale Vitiligo:
Nur einzelne, kleine Hautareale sind depigmentiert, wobei keine Symmetrie zwischen den beiden Körperhälften erkennbar ist. Häufig treten die weißen Flecken an Stellen auf, die zuvor verletzt waren, an Narben beispielsweise. Der Krankheitsverlauf ist beschleunigt, nach wenigen Monaten kommt er aber zum Erliegen und die Flecken bleiben in ihrer Ausbreitung stabil. Sehr selten geht eine lokale in eine generealisierte Form über.
Generalisierte Vitiligo:
Diese Form, die häufiger auftritt, kennzeichnet sich durch eine großflächige Ausbreitung der weißen Flecken. Die depigmentierten Bereiche vergrößern sich oder fließen ineinander – vor allem an beanspruchten Körperstellen wie Kniekehlen, um die Fingerknöchel, die Augen- oder Lippenpartie. Über 10 bis 20 Jahre breitet sich die Hautkrankheit weiter schubweise aus, bis es zu einem plötzlichen Stillstand kommt. Dabei sind selten mehr als ein Viertel der gesamten Haut betroffen.
Innerhalb des generalisierten Verlaufs treten weitere Unterformen auf. Bei der Vitiligo vulgaris verteilen sich die teilweise bizarr geformten weißen Flecken über den gesamten Körper, auch Schleimhäute und Haare können betroffen sein, wodurch das Haar stellenweise weiß erscheint. In den meisten Fällen sind dabei die jeweiligen Körperseiten parallel betroffen (nicht-segmentale Vitiligo). Beschränken sich die weißen Flecken hingegen auf eine Körperseite, treten also zum Beispiel nur am linken, aber nicht am rechten Arm auf, spricht man von einer segmentalen Vitiligo. Wird eine Vitiligo akrofazialis diagnostiziert, leiden Betroffene unter auffälligen Depigmentierungen im Gesicht, vor allem um Mund und Augen. Zusätzlich können auch Hände und Füße befallen sein. Daher auch die Bezeichnung, den facies lässt sich mit Gesicht und Akren mit Körperenden aus dem Lateinischen übersetzen. Eine Sonderform stellt die Vitiligo universalis dar, bei der es zu einem Pigmentverlust der gesamten Haut kommt. 

Obwohl die Hautpartien durch ihre Depigmentierung auffallen, ist die Hautstruktur nicht verändert: Die Haut ist intakt, nicht entzündet oder trockener als die pigmentierten Bereiche. Lediglich die Ränder der weißen Flecken können manchmal rötlich verfärbtsein. Auch die inneren Organe werden nicht in Mitleidenschaft gezogen. Lediglich ein sorgsamer UV-Schutz wird für Menschen mit Vitiligo empfohlen. Sowie eine regelmäßige Untersuchung der Schilddrüse, der Augen und Blutwerte zum Ausschluss eines Diabetes mellitus oder eines Vitamin-B-12-Mangels – all diese Krankheiten treten mit Vitiligo häufiger auf.
Nicht nur wegen der häufig parallel auftretenden Autoimmunerkrankungen, auch wegen der starken psychosozialen Beeinträchtigung, ist Vitiligo kein kosmetisches Problem. Es handelt sich um eine schwere Krankheit. Durch ihr andersartiges Aussehen ziehen sie Blicke auf sich, sind verunsichert, fühlen sich hässlich, weniger Wert oder werden gehänselt. Die Unkenntnis, die weiterhin über das Krankheitsbild herrscht (ansteckende Krankheit, Verwechslung mit Lepra), führt dazu, dass Betroffene ausgegrenzt und stigmatisiert werden.  Es können sich Depressionen, Angststörungen, paranoide Gedanken, zwanghafte oder hypochondrische Störungen entwickeln – vor allem junge Menschen sind häufig betroffen, gehen weniger persönliche und sexuelle Beziehungen ein. Selbsthilfegruppen oder in schweren Fällen eine psychologische Betreuung können helfen, besser mit der Krankheit zu leben und sich als schöner, „normaler“ Mensch innerhalb der Gesellschaft zu fühlen. Der Deutsche Vitiligo-Bund e.V. listet auf seiner Website regionale Selbsthilfegruppen in Deutschland auf: https://www.vitiligo-bund.de/index.php/de/regionen/allg-info-region

Therapie: Neue S1-Leitlinie 

Obwohl sie zu den häufigsten chronischen Hautkrankheiten zählt und eine immense psychische Belastung für Betroffene darstellt, existierte bislang keine Leitlinie für Vitiligo. Dieses Jahr füllte die Deutsche Dermatologische Gesellschaft diese Lücke und veröffentlichte eine S1-Leitlinie zur Diagnostik und Therapie der segmentalen und nicht-segmentalen Vitiligo.   

  • Mittel der Wahl: topische Corticoide
    Bei allen Formen der Vitiligo, und einem Befall der Haut von weniger als drei Prozent der Hautfläche, sind die Wirkstoffe Clobetasonpropionat oder Mometasonfuorat zu bevorzugen. Auch im Gesicht erwiesen sich die Topika als hochwirksam, aber problematisch wegen der unerwünschten Wirkungen: Das Risiko für Hautatrophien ist erhöht, seltener treten Teleangiektasien, Hypertrichose, Striae, akneiforme Reaktionen und periorale Dermatitis auf. 
  • Nicht zugelassen, aber wirksam: topische Calcineurin-Inhibitoren
    Offiziell sind sie nur bei Neurodermitis anzuwenden, im offlabel-use gelten Tacrolimus sowie Pimecrolimus aber als hochpotente Alternative zu Corticoiden, vor allem im Gesicht.
  • Seit Jahrzehnten die wichtigsten Optionen: Lichttherapien
    Schmalband UVB (narrowband UVB, NB UVB) stellt die am besten untersuchte Therapievariante dar. Menschen mit genrealisierter Vitiligo, die nicht mehr mit Corticoiden behandelt werden können, weil zu viel Hautfläche betroffen ist, können sich zwei- bis dreimal pro Woche am ganzen Körper bestrahlen lassen. Kombinationen mit Topika können den Effekt verstärken. Das Nutzen-Risiko-Verhältnis ist dem der PUVA (Psoralen plus UVA)-Therapie weit überlegen. 
    Gezielte Lichttherapie mit 308 Namometer (nm)-Laser oder -Lampen (=Excimer-Therapie) zeigt den Vorteil, dass nur betroffene Hautareale Strahlenbelastung ausgesetzt sind. Auch hier scheinen Kombination mit topischen Corticoiden oder Calcineurin-Inhibitoren die Effektivität zu steigern.
  • Immunsuppressiva für einen schnellen Stopp 
    Akute, sich rasch verschlechternde Vitiligo kann von einer oralen Dexamethasongabe profitieren, wobei drei bis sechs Monate Therapiedauer nicht überschritten werden sollte. 
  • Wenn nichts hilft: Operation
    Chirurgische Verfahren sind zwar effektiv, können aber nicht ständig durchgeführt werden. Sie stellen keine dauerhafte Lösung dar. Aber stabile, therapieresistente Vitiligoherde, vor allem bei segmentaler und fokaler Vitiligo, können durch operative Eingriffe gut repigmentieren.  

Quellen:
https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/013-093l_S1_Diagnostik-Therapie-Vitiligo_2021-04.pdf 
https://www.apotheken-umschau.de/krankheiten-symptome/hautkrankheiten/vitiligo-weissfleckenkrankheit-741371.html 
http://www.medizinfo.de/hautundhaar/vitiligo/krankheitsbild.shtml 
https://www.onmeda.de/krankheiten/vitiligo.html 
http://www.medizinfo.de/hautundhaar/vitiligo/formen.shtml
https://vitiligo-online.de/vitiligo-behandlung/
https://www.pressetext.com/news/20060612034?phrase=vitiligo
https://www.vitiligo-bund.de/index.php/de/regionen/allg-info-region

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