Hauterkrankungen
WEISSE FLECKEN AUF DER HAUT
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Unsere Haut ist umso dunkler, je mehr Melanin sie enthält. Dieser schwarzbraune Farbstoff wird von speziellen Hautzellen, den Melanozyten, gebildet. Seine eigentliche Funktion ist es, die Haut vor Sonnenschäden zu schützen. Wirkt Sonnenlicht auf die Haut ein, regen die Melanozyten die Melaninbildung an, sodass die Haut stärker pigmentiert und damit weniger UV-Strahlung bis an die Zellkerne – und damit an die DNA – der lebenden Hautschichten durchlässt. Je dunkelhäutiger ein Mensch ist, desto weniger anfällig ist er daher auch für einen Sonnenbrand, der nichts anderes ist als eine Hautschädigung durch zu viel UV-Strahlung.
Zu wenig Pigmente Bei Vitiligo, der Weißfleckenkrankheit, stellen die Melanozyten die Melaninproduktion in kleineren oder größeren Hautarealen nach und nach ein und sterben teilweise auch ab. Dadurch verlieren die betroffenen Hautstellen ihre Pigmentierung teilweise oder vollständig, sodass sie deutlich blasser oder komplett weiß erscheinen. Die Depigmentierung kann sich auf bestimmte Areale wie Gesicht und Hände beschränken, aber auch den ganzen Körper betreffen.
Entstehung unklar Die Ursachen der Erkrankung sind bisher nicht geklärt, aber es gibt unterschiedliche Hypothesen, wie etwa die einer Autoimmun-Reaktion. Danach erkennt das Immunsystem die Melanozyten nicht als körpereigene Zellen, sondern hält sie fälschlicherweise für Eindringlinge, die es mit Antikörpern und zytotoxischen T-Zellen bekämpft. Hierfür spricht auch, dass Menschen mit anderen Autoimmunerkrankungen wie einer Hashimoto-Thyreoditis oder einem Typ-1-Diabetes ein höheres Risiko für Vitiligo haben.
Möglicherweise wird das Immunsystem aber auch durch Botenstoffe aus Nervenzellen dazu angeregt, die Melanozyten zu zerstören. Ursache für diese neuronale Reaktion könnte extremer Stress sein. Dafür spricht, dass viele Betroffene berichten, dass ihre Vitiligo nach Stress oder Traumata wie sehr starkem Sonnenbrand aufgetreten ist oder sich nach solchen Ereignissen verschlimmert. Manchmal sind auch Hautstellen betroffen, die starkem Druck ausgesetzt sind, wie etwa an den Füßen beim Tragen von engem Schuhwerk.
Ein dritter Ansatz, die Autoaggressions-Hypothese, geht davon aus, dass der Fehler in den Melanozyten selbst liegt. Danach ist ihr Zellstoffwechsel so gestört, dass toxische Stoffwechselprodukte den Untergang der Zellen verursachen. Sicher ist allerdings, dass die Erkrankung auch eine genetische Komponente hat. Denn tritt Vitiligo in der Familie auf, erhöht sich das Risiko für die Nachkommen, ebenfalls daran zu erkranken. Direkt vererbt wird die Weißfleckenkrankheit jedoch nicht.
Enormer seelischer Druck Vitiligo ist keine ansteckende Krankheit und für die Betroffenen auch nicht gesundheitsgefährdend. Problematisch kann jedoch die Stigmatisierung und Ablehnung sein, die nicht selten zu schweren seelischen Belastungen der Betroffenen führt. Hierbei spielt eine wesentliche Rolle, dass die Flecken meist zuerst im Gesicht und an den Händen auftreten und daher kaum zu verbergen sind. Erschwerend kommt hinzu, dass Vitiligo häufig in jungen Lebensjahren erstmals auftritt, einer Zeit der Selbstfindung, in der vermeintliche körperliche Makel einen hohen Stellenwert haben.
Supermodel mit Vitiligo Je dunkelhäutiger ein Mensch ist, desto auffälliger ist die Vitiligo – eine Tatsache, die mittlerweile vielleicht helfen könnte, die Krankheit von ihrem Stigma zu befreien. Chantelle Brown-Young wuchs im Getto von Toronto auf. Die Tochter jamaikanischer Einwanderer erkrankte im Alter von vier Jahren an Vitiligo. Sie wurde schwer gehänselt, als „Kuh“ und „Zebra“ beschimpft und hatte Depressionen und Selbstmordgedanken. Doch ihr Leben machte eine 180-Grad-Wendung, als sie 2013 an der Casting-Show „America’s Next Topmodel“ teilnahm und ihre Außenseiterrolle zum Vorteil ausbauen konnte.
Als Winnie Harlow erfand sie sich neu und machte ihre großflächige Vitiligo zu ihrem Markenzeichen. Seit 2014 läuft sie auf allen großen Modeshows dieser Welt und ist Vorbild für eine ganze Reihe solcher Models, die den Bekanntheitsgrad der Krankheit und ihre Akzeptanz erhöht haben. Denn: Vitiligo ist eine seltene Krankheit, an der nur etwa 0,5 bis 1 Prozent der Weltbevölkerung leiden. Auch Michael Jacksons Autopsie bestätigte, was dem Popstar niemand glaubte: Dass seine Haut immer heller wurde, war einer generalisierenden Vitiligo geschuldet.
Heilung nicht möglich Da man nicht weiß, was Vitiligo auslöst, ist keine ursächliche Therapie möglich. Das Wichtigste ist, dass Betroffene die Hautstellen abdecken oder mit Sunblocker einreiben, bevor sie nach draußen gehen – nicht nur im Sommer, sondern das ganze Jahr über. Vitiligo ist entweder generalisiert, das heißt, die weißen Flecken können – meist symmetrisch – überall am Körper auftreten und sich über die Jahre hinweg in Schüben immer weiter ausbreiten.
Oder sie macht sich als lokalisierte Vitiligo bemerkbar, bei der die Depigmentierung auf ein Hautareal begrenzt bleibt und die Ausbreitung nach einigen Monaten stoppt. Diese Form der Vitiligo wird meist mit Cortisonpräparaten behandelt. Standard bei der generalisierten Vitiligo ist hingegen eine Schmalband-UV-Phototherapie mit kurzwelligem blauem Licht, das die Pigmentierung in den betroffenen Arealen anregen kann.
Die Lichttherapie sollte zweimal pro Woche über mindestens drei Monate fortgeführt werden. Sind bereits 15 bis 20 Prozent des Körpers von den weißen Flecken betroffen, kann die Lichttherapie auch als Ganzkörperbehandlung durchgeführt werden, dann allerdings für mindestens neun Monate. Wichtig ist, dass gleichzeitig keine fotosensibilisierenden Medikamente eingenommen werden. Dazu gehören unter anderem NSAR wie Ibuprofen oder Diclofenac, bestimmte Antibiotika wie Doxycyclin oder Tetracyclin sowie Antihistaminika, Mittel gegen Depressionen, Psychosen oder Epilepsie und Wirkstoffe aus der Gruppe der Diuretika, aber auch pflanzliche Arzneimittel wie Johanniskraut.
Neuer Wirkstoff? Gezielt eingesetzt könnte der Wirkstoff Afamelatonid die Wirkung der Lichttherapie noch weiter verbessern. Dabei handelt es sich um ein synthetisches Hormon, das die Melaninbildung stimuliert. Afamelatonid ist unter dem Markennamen Scenesse® bereits seit 2016 in Deutschland zugelassen – allerdings nur zur Behandlung von EPP, der erythropoetischen Protoporphyrie, bei der Sonnenlicht auf der Haut der Betroffenen starke Entzündungen und Verbrennungen verursacht.
In Studien wurde Afamelatonid aber auch schon bei Vitiligo untersucht. Dazu wurde das Hormon einmal pro Monat unter die Haut gespritzt und die Behandlung mit der Lichttherapie kombiniert. Das Ergebnis: Die Repigmentierung setzte 20 Tage früher ein und erreichte mit 49 gegen 33 Prozent eine größere Ausdehnung als in der Vergleichsgruppe, die nur mit der Lichttherapie behandelt wurde. Ob und wann das Medikament für Vitiligo zugelassen, wird, ist derzeit allerdings noch völlig offen.
Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 03/18 auf Seite 66.
Dr. Holger Stumpf, Medizinjournalist