Repetitorium
VITAMINE – TEIL 1
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Der menschliche Organismus braucht zum Leben nicht nur Eiweiß, Fett und Kohlenhydrate. Damit er seine vielfältigen Aufgaben erfüllen kann, ist er auch auf Vitamine und Mineralstoffe angewiesen. Sie üben im Enzym-, Energie-, Hormon- und Immunstoffwechsel lebenswichtige Funktionen aus.
Das dreiteilige Repetitorium widmet sich diesem Thema. Was sind Vitamine und Mineralstoffe überhaupt? In welchen Lebensmitteln stecken sie? Und was sollten PTA bei der Beratung beachten? Das lesen Sie im April, Mai und Juni bei DIE PTA IN DER APOTHEKE.
Essenzielle Nährstoffe
Der menschliche Organismus kann Vitamine und Mineralstoffe nicht selbst herstellen. Es sind vielmehr essenzielle Stoffe, die er regelmäßig alimentär aufnehmen muss. Doch es gibt Ausnahmen.
- Vitamin D nimmt eine Sonderstellung unter den Mikronährstoffen ein, da es zum größten Teil (80 bis 90 Prozent) vom Körper in der Haut unter dem Einfluss von Sonnenlicht gebildet wird.
- Zudem wird Vitamin K von Bakterien im Darm produziert.
Am besten gelingt eine ausreichende Versorgung mit Vitaminen und Mineralstoffen, wenn der Speiseplan abwechslungsreich und ausgewogen nach den Grundsätzen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) zusammengestellt wird. Neben einer ausreichenden und regelmäßigen Zufuhr von Ballaststoffen und Flüssigkeit sollen nach den „10 Regeln der DGE“ fünf Obst- und Gemüsemahlzeiten über den Tag verteilt miteinbezogen werden. Dabei ist auf eine schonende Zubereitung und sorgfältige Lagerung der Lebensmittel zu achten, um eine Zerstörung der licht- und hitzeempfindlichen Vitamine möglichst zu vermeiden.
Regelmäßig kleine Mengen zuführen
Vitamine und Mineralstoffe werden nur in geringe Mengen benötigt – wenige Mikrogramm (µg ) oder Milligramm (mg) – weshalb sie auch als Mikronährstoffe bezeichnet werden. Große Zufuhrmengen auf einmal gilt es zu vermeiden. Der Körper kann zwar Überschüsse wasserlöslicher Vitamine, also von der Gruppe der B-Vitamine und Vitamin C, rasch mit dem Urin wieder ausscheiden (Ausnahme: Vitamin B12), fettlösliche Vitamine speichert er hingegen über einen längeren Zeitraum im Fettgewebe.
Somit besteht bei längerfristiger Zufuhr hoher Mengen der Vitamine A, E, D und K die Gefahr einer Hypervitaminose. Aber auch bei den wasserlöslichen Vitaminen ist eine überhöhte Zufuhr ungünstig, da für die meisten von ihnen eine aktive Resorption mit Sättigungskinetik besteht. Das bedeutet, dass bei zunehmender Dosierung die Resorptionsrate abnimmt. Darüber hinaus können hohe Einzeldosen (z. B. von Vitamin C und B1) zu einer tubulären Rückresorption und damit zu einer überhöhten Ausscheidung führen.
Ebenso ist eine zu geringe Mikronährstoffaufnahme bedenklich.
- Nur die fettlöslichen Vitamine verfügen über eine begrenzte Speicherkapazität, sodass eine Unterbrechung der exogenen Zufuhr erst nach einiger Zeit Mangelerscheinungen hervorruft.
- Die wasserlöslichen Vitamine haben mit Ausnahme des Vitamin B12 aber nur eingeschränkte Reservekapazitäten.
Somit kann eine mangelnde Zufuhr schnell zu einer latenten Unterversorgung mit Mikronährstoffen führen, die sich durch unspezifische Symptome bemerkbar macht. Bereits bei einem suboptimalen Mikronährstoffstatus werden Enzymleistungen und immunologische Funktionen gehemmt. Damit nimmt die allgemeine Leistungsfähigkeit ab und die Infektanfälligkeit steigt. Müdigkeit und Konzentrationsschwäche sind ebenso wie das vermehrte Auftreten akuter Infektionskrankheiten typische Anzeichen. Zudem wird auf lange Sicht auch das Risiko für verschiedene chronische Erkrankungen erhöht.
Überwiegend gute Versorgungslage
Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) betont in einer Stellungnahme aus dem Jahr 2021, dass die deutsche Bevölkerung überwiegend gut mit Vitaminen und Mineralstoffen versorgt ist. Dem BfR zufolge werden lediglich einige wenige Mikronährstoffe – Vitamin D, Calcium, Folsäure und Jod – von manchen Bevölkerungsgruppen nicht entsprechend den Zufuhrempfehlungen der DGE aufgenommen. Dies ist aber nicht mit einem Vitaminmangel gleichzusetzen, wie das BfR weiter ausführt.
„Ein echter Vitaminmangel, aus dem klinisch manifeste Mangelerkrankungen resultieren, ist in Deutschland sehr selten.“
Damit bestätigt das BfR die Ergebnisse der Nationalen Verzehrsstudie II (NVS II) aus dem Jahr 2008. Auch diese hatte bereits gezeigt, dass in Deutschland die Versorgung mit den meisten Vitaminen bei der Mehrheit der Bevölkerung ausreichend ist. Sie hatte aber auch schon auf Ausnahmen hingewiesen und ausgeführt, dass bei einem Großteil der Bevölkerung in allen Altersstufen Versorgungslücken mit Folat und Vitamin D auftreten, da sich diese selbst bei geschickter Nahrungsmittelzufuhr nicht in genügendem Maße zuführen lassen.
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Risikogruppen erkennen
Auch bei einzelnen Bevölkerungsgruppen oder in besonderen Lebenssituationen kann es zu einer unzureichenden alimentären Versorgung mit Mikronährstoffen kommen. Die Gründe dafür sind vielfältig. Bestimmte Altersgruppen oder Umstände sind prinzipiell für eine Unterversorgung prädestiniert, aber auch individuelle Gründe spielen eine Rolle.
Als Risikogruppen, bei denen eine Supplementierung mit Mikronährstoffen notwendig werden kann, gelten:
- Personen mit einer unzureichenden Zufuhr durch einseitige Ernährung, z. B. Veganer (Verzicht auf tierische Produkte), Jugendliche (z. B. Fast Food), Berufstätige (z. B. Kantinenessen), Personen mit Unverträglichkeiten (z. B. Gluten, Lactose, Fructose), Personen, die unausgewogene Reduktionsdiäten durchführen
- Personen mit verringerter Aufnahme, z. B. aufgrund bestimmter Erkrankungen (z. B. Störungen der Nieren- oder Leberfunktion, chronische Durchfälle), altersabhängiger, physiologischer Veränderungen (z. B. Verringerung des Intrinsic-Faktors, verminderte endogene Vitamin D-Synthese), Mangelernährung (z. B. Senioren, Personen mit hohem Alkoholkonsum, bei Anorexia nervosa)
- Personen mit einem gesteigerten Bedarf, z. B. Kinder im Wachstum, Schwangere, Stillende, Leistungssportler, Raucher, Personen mit chronischen Erkrankungen (z. B. Diabetes mellitus) oder Personen, die bestimmte Medikamente einnehmen (z. B. Protonenpumpenhemmer, Antazida)
Individuelle Präparateauswahl
In der Apotheke stellt sich die Frage, ob man Kunden zu einzelnen Vitaminen und Mineralstoffen in Form von Monopräparaten raten sollte oder eher Präparate empfiehlt, die Mikronährstoff-Kombinationen enthalten. Das lässt sich nicht generell beantworten. Vielmehr sollte im Beratungsgespräch ausgelotet werden, welches Präparat sich für die individuellen Bedürfnisse des Kunden eignet. Bei einigen Mikronährstoffen ist eine alleinige Ergänzung sinnvoll. In der Regel sind die Dosierungen der einzelnen Substanzen höher als in kombinierten Produkten. Das ist von Vorteil, wenn erwiesenermaßen Defizite vorliegen, die zum Ausgleich höhere Zufuhrmengen erfordern. Häufig betrifft dies beispielsweise Vitamin D, Vitamin B12 und Folsäure sowie die Mineralstoffe Calcium, Eisen, Jod oder Magnesium.
Aber auch Kombinationspräparate haben ihre Berechtigung, beispielsweise wenn Nährstofflücken mehrerer Vitamine zugleich geschlossen werden sollen, was in bestimmten Lebenssituationen der Fall sein kann (z. B. nach einer Krankheitsphase). Dann sind Multivitaminpräparate, die das ganze Spektrum an Vitaminen und Mineralstoffen umfassen, eine gute Option. Für besondere Zielgruppen (z. B. Schwangere) oder bei einzelnen Indikationen (z. B. für die Knochengesundheit) können auch Präparate mit speziellen Kombinationen die optimale Lösung sein.
Für Kombinationspräparate spricht zudem, dass einige Vitamine in Kombination besser wirken. Synergieeffekte sind beispielsweise bei Vitamin B12, Vitamin B6 und Folsäure zu verzeichnen. Nur wenn alle drei ausreichend vorhanden sind, kann der Homocysteinstoffwechsel reibungslos ablaufen. Ebenso ergänzen sich Vitamin E und C. Vitamin E wird in seiner antioxidativen Wirksamkeit durch Vitamin C unterstützt, da letztes das oxidativ verbrauchte Vitamin E regeneriert.
Die richtige Dosis finden
Bei Vitaminkombinationen besteht allerdings die Gefahr, Mikronährstoffe in zu hohen Mengen zu dosieren – speziell bei der Einnahme mehrerer Präparate zugleich. Im Apothekenalltag lässt sich das beispielsweise bei Vitamin D beobachten, das Bestandteil zahlreicher Kombinationspräparate für unterschiedlichste Anwendungsgebiete ist (z. B. zur Steigerung des Immunsystems, zur Erhaltung normaler Haare, zur Unterstützung der normalen Muskelfunktion).
Bekommt der Kunde beispielsweise vom Arzt wegen einer Osteoporose eine Calcium-Vitamin-D-Kombination verordnet und er kauft sich zusätzlich in Eigenregie noch Vitaminpräparate, beispielsweise um seine Abwehrkräfte zu mobilisieren, Haarausfall zu bekämpfen oder Muskelkrämpfen entgegenzuwirken, sind Überdosierungen mit dem fettlöslichen Vitamin durchaus möglich. Häufig ist dem Kunden die Mehrfachdosierung gar nicht bewusst, oder er denkt, er täte sich sogar etwas Gutes.
Seit langem wird propagiert, dass die Bevölkerung unzureichend mit Vitamin D versorgt ist und es daher zusätzlich eingenommen werden sollte. Zudem werden teilweise sehr hohe Dosierungen in Nahrungsergänzungsmitteln (NEM) vertrieben. Da aber zumeist keine individuell laborgesicherten Vitaminspiegel existieren, kann der Kunde schwer abschätzen, ab welcher Menge er zu viel an Vitamin D supplementiert und damit das Risiko einer Hypervitaminose eingeht.
Umgekehrt ist es auch möglich, dass Kunden glauben, mit einem Kombinationspräparat, das die ganze Palette an Mikronähstoffen umfasst, könnten sie vorhandene Defizite ausreichend ausgleichen oder Erkrankungen vorbeugen. Allerdings sind in diesen klassischen Multivitaminpräparaten die einzelnen Mikronährstoffe meist nur in Höhe der Referenzwerte enthalten. Mit den Referenzwerten der DGE werden in der Regel bei gesunden Personen lediglich lebenswichtige metabolische, physische und psychische Funktionen sichergestellt, um Mangelsymptome zu verhüten sowie eine Über- und Unterversorgung zu vermeiden. Mit ihnen lassen sich jedoch in der Regel keine bestehenden Versorgungslücken angemessen schließen. Ebenso werden nicht immer präventive Aspekte zur Verhütung von Krankheiten mit einbezogen.
Prinzipiell bleibt es bei Mikronährstoffen schwierig, eine auf den Kunden abgestimmte Dosierung auszuwählen. Der Vitaminbedarf ist nicht nur von individuellen Ernährungs- und Lebensumständen abhängig. Zudem variieren die Dosierungsempfehlungen selbst unter den Experten erheblich. Nur für einige Risikogruppen existieren Empfehlungen von Fachgesellschaften über die zu ergänzenden Mikronährstoffe und ihre Zufuhrhöhen (z. B. über Folsäure für Frauen mit Kinderwunsch und Schwangere). Aber selbst diese werden von Fachleuten bezüglich der Dosierung immer wieder neu diskutiert. Bei anderen Mikronährstoffen ist immer eine Rücksprache mit dem Arzt empfehlenswert, damit dieser eine Labordiagnostik zur Ermittlung einer adäquaten Dosierung veranlasst (z. B. Vitamin B12 bei Veganern).
Höchstmengen beachten
Wird sich an den Referenzwerten der DGE orientiert, gelingt es in der Regel, gesunde Personen in gewünschtem Maße mit Mikronährstoffen zu versorgen, ohne Überdosierungen zu riskieren. Zudem ist die tolerierbare obere Aufnahmemenge für die tägliche Gesamtaufnahme für Vitamine und Mineralstoffe (Tolerable Upper Intake Level; UL) eine wichtige Angabe. Die UL ist von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) festgelegt und stellt die Menge dar, die bei chronischer täglicher Zufuhr eines Nährstoffes aus allen Quellen nach derzeitigem Wissen nicht mit negativen gesundheitlichen Wirkungen einhergeht.
Aktualisierte UL und Höchstmengen
Die EFSA führt derzeit eine Neubewertung der UL für ausgewählte Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente durch. Finale Gutachten liegen bereits für
- Vitamin B6,
- Vitamin D,
- Folsäure und
- Selen vor.
Es sollen noch Neubewertungen von Eisen, Vitamin E sowie von Vitamin A und Beta-Carotin folgen. Für Vitamin D behält die EFSA beispielsweise die zulässige Höchstmenge von 100 µg pro Tag für Erwachsene, Schwangere und Stillende bei. Kindern zwischen ein und zehn Jahren wird weiterhin ein UL von 50 µg Vitamin D pro Tag empfohlen.
Ebenso bleiben die bestehenden UL für Folsäure für alle Bevölkerungsgruppen (z. B. 1.000 µg pro Tag für Erwachsene) unverändert. Für Säuglinge im Alter von vier bis elf Monaten wurde eine neue UL von 200 µg pro Tag festgelegt. Für die Zufuhr von Vitamin B6 wurde der bisherige UL-Wert von 30 mg pro Tag auf 12,5 mg pro Tag für Erwachsene (einschließlich schwangerer und stillender Frauen) gesenkt.
Die neubewerteten UL hat das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) ihrer aktualisierten Empfehlung für Höchstmengen für Vitamine und Mineralstoffe in Nahrungsergänzungsmitteln (NEM) und angereicherten Lebensmitteln zugrunde gelegt. Demnach sehen die nationalen Höchstmengenvorschläge des BfR beispielsweise maximal 20,0 µg Vitamin D in NEM (pro Tagesverzehrsempfehlung eines Produkts für Jugendliche und Erwachsene) vor. Für Milch und Milchprodukte (einschließlich Käse) gelten Höchstmengen von 1,5 µg Vitamin D pro 100 g Lebensmittel, Brot und Getreideprodukte (außer Feinbackwaren) sollten höchstens mit 5,0 µg pro 100 g angereichert sein.
Bei Streichfetten und Speiseölen sollte sich der Zusatz auf maximal 7,5 µg Vitamin D pro 100 beschränken, UV-bestrahlte Speisepilze dürften nach Berechnung des BfR maximal 10,0 µg Vitamin D pro 100 g und UV-bestrahlte Milch maximal 3,2 µg Vitamin D pro 100 g enthalten. Bei sonstigen Lebensmitteln sollte kein Vitamin D-Zusatz erfolgen. Noch in diesem Jahr beabsichtigt zudem die Europäische Kommission eine EU-weite Einführung von einheitlichen Höchstgehalten in Nahrungsergänzungsmitteln und angereicherten Lebensmitteln, um das gesundheitliche Risiko einer Überversorgung mit Vitaminen und Mineralstoffen zu begrenzen.