Blüten© John Theodor / iStock / Getty Images

Botanicals

PFLANZEN MIT POTENZIAL

Im Apothekenalltag führen Cistus-Präparate eher ein Schattendasein. Allerdings haben sie in den letzten Monaten durch ihre postulierte antivirale Wirksamkeit verstärkte Aufmerksamkeit erfahren.

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Zistrosen (Cistus) sind bis zu einem Meter hohe, stark verzweigte, buschige Sträucher, die eine Pflanzengattung in der Familie der Zistrosengewächse (Cistaceae) bilden. Sie sind im Mittelmeergebiet bis hin zum südlichen Kaukasus und auf den Kanarischen Inseln beheimatet und prägen dort als typisches Strauchgewächs das Landschaftsbild. Cistus ist nicht nur die dominierende Pflanze in der als Macchia bezeichneten mediterranen Gebüschformation (kors. maquis = Buschwald). Die Zistrose, die auf korsisch macchiu heißt, ist auch der Namensgeber der kleinwüchsigen, immergrünen Strauchschichten.

Anspruchsloser Überlebenskünstler Die größte Artenvielfalt befindet sich im westlichen Mittelmeerraum in Frankreich, Spanien, Portugal, Marokko und Algerien. Dort bedecken verschiedene Cistus-Arten mitunter große Flächen. Einzelne Sorten finden sich auch in lichten Wäldern Spaniens als Unterpflanzung. Die kleinen Sträucher sind wärmeliebend und gedeihen am besten an einem sonnigen, trockenen Standort, der vor Wind geschützt ist. Dann wachsen die genügsamen Pflanzen selbst auf steinigem, kalkarmem und nährstoffarmem Untergrund. Sogar in Gegenden, deren Vegetation immer wieder durch Waldbrände zerstört wird, finden sich die robusten Sträucher. Sie treiben als erstes unermüdlich aus ihrem feuerfesten Wurzelwerk wieder aus und besiedeln die kargen Areale.

Duftende Blüten Die Cistusblüten erinnern in Form und Farbe an einheimische Heckenrosen. Cistus wird deshalb – auch wenn die Sträucher nicht zu den Rosengewächsen zählen - im Deutschen als (Zist-)Rose bezeichnet. Während bei einigen Arten die Blüten in Büscheln angeordnet sind, stehen sie bei anderen einzeln an den Triebenden. Die Blüten blühen je nach Art und Sorte in vielen Farben. Es existieren Exemplare mit weißen, zart rosafarbenen, kräftig pinken, roten oder purpurnen Blüten.

Im Blütenzentrum findet sich eine Vielzahl intensiv gelbgefärbter Staubfäden (circa 50 bis 200). Ihre fünf Blütenblätter wirken immer leicht zerknittert, obwohl sie sich nur für kurze Zeit am Strauch zeigen. Bereits wenige Stunden nach dem Aufblühen lösen sie sich aus der Blüte und fallen zu Boden. Dafür öffnen sich aber unermüdlich mehrere hundert Blüten während der Frühlings- und Frühsommermonate und verwandeln die Macchia in ein duftendes Blütenmeer.

Wertvolles Ladanum Auch die grau-grünen, kleinen behaarten Laubblätter verströmen einen intensiven Duft, der auf ätherische Öle, Harze und Polyphenole (sekundäre Pflanzenstoffe wie Phenolsäuren, Flavonoide und hydrolysierbare Gerbstoffe) zurückzuführen ist. Das aromatische Harz der Zistrosenblätter wurde bereits im Altertum unter dem Namen Ladanum oder Labdanum geschätzt. Es war ein begehrtes Gut, das nach Ägypten und in den Sudan exportiert wurde, wo es als vielseitiges Heilmittel, Ingredienz duftender Salben und in Räuchermischungen Verwendung fand.

Dioskurides (1090 n. Chr.) beschrieb in seiner Arzneimittellehre „Materia medica“ detailliert verschiedene Wirkungen von Ladanum, die er auf die adstringierende, erwärmende, erweichende und öffnende Kraft des Harzes zurückführte. Mit Wein, Myrrhe und Myrtenöl gemischt sollte es Haarausfall bekämpfen. Mit Wein eingestrichen wurde es zur Wundbehandlung eingesetzt, um eine unschöne Narbenbildung zu verhindern. In der Geburtshilfe diente es als Räucherung zum Auswerfen der Nachgeburt, Zäpfchen zugemischt sollte es Verhärtungen in der Gebärmutter lösen und mit Honig- oder Rosenöl ins Ohr eingeträufelt Ohrenschmerzen lindern.

Der berühmte Gelehrte beschrieb zudem die Methode, wie früher das Harz gewonnen wurde. Hirten trieben dafür ihre Ziegen durch das Zistrosen-Dickicht und kämmten anschließend die am Fell hängengebliebenen klebrigen Harzklümpchen wieder hinaus. Alternativ wurde das harzverklebte Fell abgeschoren und in kochendes Wasser gegeben. Auf diese Weise löste sich das wertvolle Harz vom Haar und setzte sich an der Wasseroberfläche ab, sodass es leicht abgetrennt werden konnte.

Adstringierende Wirkung Noch immer findet das wohlriechende Harz mit seinem ambra-artigen, balsamischen, trockenen-holzigen Aroma als Ausgangsmaterial für Essenzen in der Parfum- und Seifenindustrie Verwendung. Zu Heilzwecken wird es aber heute nicht mehr genutzt. Vielmehr kommen die Blätter und das Kraut der Zistrosen medizinisch zum Einsatz, aus denen seit jeher in Griechenland traditionell ein Aufguss zubereitet wird. Von den etwa 24 verschiedenen Cistus-Arten werden aufgrund ihres hohen Gehalts an Polyphenolen vor allem die Kretische Zistrose (Cistus creticus L.) und die Graubehaarte Zistrose (Cistus x incanus L.) genutzt.

Beide Pflanzen sehen sich sehr ähnlich. Während die erste in ihrem Namen auf ihre Heimat Kreta Bezug nimmt, verweist die andere auf die weißgraue Behaarung ihrer Stängel, Zweige, Blütenstiele und Kelchblätter (lat. incanus = aschgrau). Die Volksheilkunde schätzt die adstringierende Wirkung beider Zistusarten und empfiehlt, einen Teeaufguss aus den getrockneten Blättern (Cistus folium) und den getrockneten einjährigen Trieben zur Blütezeit (Cistus herba) bei Durchfall und Erkältungskrankheiten zu trinken. Zudem werden äußerlich Umschläge aus wässrigen Abkochungen bei Hauterkrankungen wie Neurodermitis angeraten.

Antivirales Potenzial Inzwischen sind auch Lutschtabletten mit einem definierten Trockenextrakt aus dem Kraut von Cistus x incanus L. (4-9:1, Auszugsmittel: Wasser) aufgrund langjähriger Anwendung als traditionelles pflanzliches Arzneimittel zur Linderung von Schleimhautreizungen im Mund- und Rachenraum zugelassen. Ihnen wird eine antivirale Wirkung zugesprochen, für die in verschiedenen in-vitro- und Tierstudien der Nachweis erbracht wurde. Als Wirkmechanismus postuliert der Hersteller, dass hochpolymere Polyphenole die Erkältungserreger physikalisch binden und sie dadurch weitgehend am Eindringen in die Körperzellen hindern sollen.

Dabei wird für die Wirkung sowohl der hohe Anteil an Polyphenolen als auch ein spezielles Polyphenolmuster maßgeblich verantwortlich gemacht. Neben den apothekenexklusiven traditionellen Arzneimitteln mit der Graubehaarten Zistrose werden noch Cistus-Präparate mit einem Lebensmittelstatus angeboten. Diese Nahrungsergänzungsmittel (NEM) enthalten nicht nur Cistus x incanus L., sondern teilweise auch Cistus creticus L. und werden mit den verschiedensten Wirkungen angepriesen. Häufig sind diesen Produkten noch andere Mikronährstoffe wie Vitamin C, Zink oder Selen zugesetzt, die der Stärkung des Immunsystems dienen. Belege zur antiviralen oder immunstimulierenden Wirksamkeit der Zistrosenkomponente fehlen bei diesen NEM, auch wenn sie durch Werbeaussagen suggeriert werden.

Ebenso werden Angaben zu antioxidativen Eigenschaften der Zistrose von der Europäischen Lebensmittelsicherheitsbehörde EFSA als nicht ausreichend bewiesen eingestuft. Abschließend bleibt anzumerken, dass die Beratung zu Cistus-Präparaten schwierig ist. Vor allem lassen sich keine zuverlässigen Aussagen zur Dosierung machen. Bislang fehlt eine Monographie zur Zistrose und damit auch eine anerkannte Empfehlung zur wirksamen Tagesdosis. Allerdings ist eine HMPC-Monographie derzeit in Arbeit.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 08/2021 ab Seite 96.

Gode Chlond, Apothekerin

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