Myasthenia gravis
NEUES MEDIKAMENT GEGEN MUSKELSCHWÄCHE
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Myasthenia gravis heißt „schwere Muskelschwäche“. Bei der seltenen Erkrankung ist die Reizübertragung vom Nerv auf den Muskel gestört. Das heißt, die Muskeln fühlen sich bei Belastung schnell schwach und schwer an, Betroffene ermüden rasch. Auch die Sprach-, Schluck- und Atemmuskulatur können betroffen sein, bei generalisierter Myasthenia gravis ist es der ganze Körper.
Die Lebensqualität ist stark eingeschränkt. In 80 bis 90 Prozent der Fälle verursachen Autoantikörper die Beschwerden. Sie richten sich gegen den Acetylcholinrezeptor und stören so die Erregungsübertragung an der motorischen Endplatte.
Wie behandelt man Myasthenia gravis bislang?
Bisher erfolgt die Therapie mit Cholinesterase-Inhibitoren sowie Glucocorticoiden und Azathioprin zur Immunsuppression. Kurzfristig kann die Behandlung mit Cyclophosphamid oder dem monoklonalen Antikörper Rituximab intensiviert werden. All diese Optionen sind für die Betroffenen in der Regel belastend, denn sie sind unspezifisch und mit deutlichen Nebenwirkungen verbunden.
Experten bewerten sie als nicht ausreichend. Das neue Immunsuppressivum Efgartigimod alfa (Vyvgart®) gilt deshalb als Sprunginnovation. Es nutzt einen anderen Wirkmechanismus als bisherige Immunsuppressiva und die Studienergebnisse überzeugen. Es ist zugelassen für Erwachsene mit generalisierter Myasthenia gravis, die Antikörper gegen den Acetylcholinrezeptor bilden, zusätzlich zur Standardtherapie.
Wie wirkt Efgartigimod alfa?
Efgartigimod alfa ist ein Bruchstück des humanen Immunglobulins G1 (IgG1), das gentechnisch hergestellt wird. Genauer gesagt ist der Wirkstoff das Fc-Fragment von IgG1. Es bindet an den neonatalen Fc-Rezeptor (FcRn), seine Affinität ist erhöht. Die neue Substanzklasse, zu der Efgartigimod alfa gehört, heißt FcRn-Blocker. Der Fc-Rezeptor befindet sich innerhalb von Zellen und ist normalerweise daran beteiligt, IgG-Antikörper zu recyceln.
Bindet ein Immunglobulin G mit seiner Fc-Region an den Fc-Rezeptor, sorgt der dafür, dass das Immunglobulin nicht abgebaut, sondern aus der Zelle ausgeschleust und wiederverwendet wird. Efgartigimod alfa blockiert diese Rezeptorbindungsstelle, sodass das Immunglobulin nicht mehr aus der Zelle freigesetzt und stattdessen abgebaut wird. Der IgG-Spiegel sinkt.
Da auch die die pathogenen Autoimmun-Antikörper bei Myasthenia gravis zu den Immunglobulinen G gehören, greifen sie unter Efgartigimod alfa den Acetylcholinrezeptor weniger an. Die Erregungsübertragung an der motorischen Endplatte bessert sich und die Beschwerden lassen nach.
Der Wirkmechanismus ist spezifisch für IgG, andere Immunglobulin-Spiegel sinken nicht. Er ist aber nicht spezifisch für Myasthenia gravis; auch andere Autoantikörper könnten künftig durch Efgartigimod alfa oder verwandte Substanzen geblockt werden.
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Zulassungsstudien: Wirksamkeit und Sicherheit von Efgartigimod alfa
An der 26-wöchigen, doppelblinden randomisierten Phase-III-Studie nahmen 167 Patient*innen mit generalisierter Myasthenia gravis teil. Sie alle wurden in puncto Sicherheit des Arzneimittels berücksichtigt; für die Wirksamkeit nur die 129 von ihnen, die die autoimmune Erkrankungsform mit Acetylcholinrezeptor-Antikörpern haben. Die Studie sollte feststellen, ob sich die Lebensqualität der Teilnehmenden um einen definierten Punktewert auf einer Skala verbessert.
Dafür nutzte das Forschungsteam verschiedene validierte Fragebögen. Das war in der Verum-Gruppe nach dem ersten Behandlungszyklus bei 67,7 Prozent so, in der Placebo-Gruppe nur bei 29,7 Prozent. Auch nach dem zweiten und dritten Zyklus war Efgartigimod alfa überlegen.
Zu den häufigsten Nebenwirkungen gehörten leichte bis mittelschwere Infektionen der oberen Atemwege (sehr häufig, 10,7 Prozent) und der Harnwege sowie zu Bronchitiden, Myalgien und Kopfschmerzen (häufig). Bei unter zwei Prozent der Proband*innen musste die Therapie unter- oder abgebrochen werden. Das erhöhte Infektionsrisiko ist in den verringerten IgG-Spiegeln begründet.
Efgartigimod alfa wird von Schwangeren auf den Fötus übertragen. Schwangere oder Stillende sollen Efgartigimod alfa nur anwenden, wenn der Nutzen die Risiken übersteigt. Neugeborene, deren Mütter während der Schwangerschaft Efgartigimod alfa erhielten, haben vermutlich einen geringeren Nestschutz, da die Übertragung von Antikörpern von der Mutter auf das Kind gehemmt ist.
Fakten zum Fertigarzneimittel Vyvgart®
Vyvgart® ist ein Konzentrat zur Herstellung einer Infusionslösung. Die empfohlene Dosis liegt bei zehn Milligramm (mg) pro Kilogramm (kg) Körpergewicht, maximal aber 1200 mg. Jede 20 Milliliter (ml)-Durchstechflasche enthält 400 mg Efgartigimod alfa. Vyvgart® wird vier Wochen lang einmal wöchentlich angewendet; diese vier Wochen entsprechen einem Zyklus.
Weitere Zyklen im Abstand von mindestens sieben Wochen sind möglich. Die Durchstechflaschen werden originalverpackt bei zwei bis acht Grad Celsius gelagert und vor der Infusion mit isotoner Kochsalzlösung verdünnt.
Quellen:
https://www.pharmazeutische-zeitung.de/neues-immunsuppressivum-auf-dem-markt-135943/
https://www.ema.europa.eu/en/documents/product-information/vyvgart-epar-product-information_de.pdf
https://dmg-online.de/myasthenie/myasthenia-gravis