Efeu© Neydtstock / iStock / Getty Images

Evidenzbasierte Phytotherapie

KLETTERKÜNSTLER EFEU

Die Evidenz ist gut: Pflanzliche Präparate mit Efeuextrakt stellen aufgrund ihrer nachgewiesenen sekretolytischen und spasmolytischen Eigenschaften eine wirksame Therapieoption bei der Behandlung von Bronchialerkrankungen dar.

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Der Gemeine Efeu (Hedera helix L.) ist in ganz Europa und Westasien beheimatet. Bei uns ist er der einzige einheimische Vertreter der Efeugewächse (Araliaceae). Die immergrüne Schattenpflanze kann Baumrinden und Mauerwerk in bis zu 20 Meter Höhe emporsteigen, worauf ihr botanischer Name aufmerksam macht. Er leitet sich von griechisch hedra = sitzen und helix = Windung ab und beschreibt damit das Herumwinden und gleichzeitige Festsitzen des Rankgewächses mithilfe seiner Haftwurzeln. Die wirksamen Inhaltsstoffe der Pflanze finden sich in den Efeublättern (Hederae folium), die für die arzneiliche Verwendung von den jungen, nicht blühenden Pflanzen geerntet und getrocknet werden.

Lange Tradition Bereits Ärzte der Antike wie Hippokrates (um 460 – etwa 375 v. Chr.) oder Dioskurides (ca. 60 n. Chr.) nutzten Wurzeln, Blätter und Früchte der Pflanze bei vielerlei Beschwerden, wobei neben der innerlichen Anwendung gegen Lungenleiden vor allem der äußerliche Gebrauch gegen Schmerzen verschiedenster Art und zur Wundheilung im Vordergrund stand. Noch im Mittelalter wurde der Efeu vornehmlich äußerlich eingesetzt. So schätzte beispielsweise Hildegard von Bingen (1098 – 1179) seine kühlende Wirkung und applizierte Efeurezepturen bei unregelmäßigen Blutungen und gegen Gelbsucht. Im 16. Jahrhundert rückte schließlich die innerliche Einnahme bei Atemwegserkrankungen in den Fokus der Heilkunde und seit dem 19. Jahrhundert ist Efeu ein anerkanntes pflanzliches Heilmittel gegen Husten und Bronchitis.

Standardisiertes Fertigarzneimittel Efeuhaltige Hustenmittel spielen eine große Rolle in der Selbstmedikation. Sie werden vor allem als Expektorans zur Behandlung eines akuten Erkältungshustens bei Kindern geraten, ebenso profitieren Erwachsene. Allerdings ist die Droge selbst nicht mehr gebräuchlich, vielmehr werden gut verträgliche standardisierte Fertigpräparate mit Efeublätter-Trockenextrakten empfohlen. Qualitativ hochwertige Phytopharmaka beinhalten je nach Herstellung 45 bis 70 Milligramm Trockenextrakt, was einer geforderten wirksamen Dosis von 0,3 Gramm Droge täglich entspricht. Unter den Efeupräparaten sind verschiedene Darreichungsformen (z. B. Saft, Tropfen, Brausetabletten, Lutschpastillen) verfügbar, die teilweise schon für die ganz Kleinen geeignet sind. Der Saft kann bereits Säuglingen gegeben werden, wobei immer eine Rücksprache mit dem Arzt erfolgen sollte.

Medizinisch anerkannt Ende des 20. Jahrhunderts hatte bereits die Kommission E eine Positivmonographie für Efeublätter (Hederae folium) bei Katarrhen der Luftwege sowie zur symptomatischen Therapie chronisch-entzündlicher Bronchialerkrankungen erstellt. Ebenso nennt die ESCOP (European Scientific Cooperative on Phytotherapy) in ihrer Monographie als Indikation Husten, der von übermäßiger Absonderung eines zähflüssigen Schleims begleitet ist, sowie die unterstützende Behandlung entzündlicher Bronchialerkrankungen.

Die EMA (European Medicines Agency, Europäische Arzneimittelagentur) hat mittlerweile die Wirksamkeit von Efeu-Extrakten bei produktivem Husten bestätigt und es wurde vom HMPC (Herbal Medicinal Product Committee) die Anwendung von Efeublättern in Form von verschiedenen Trockenextrakten sowie von Fluid- und Dickextrakten als Expektorans bei produktivem Husten medizinisch anerkannt. Für die Zulassung als „well-established use“ berücksichtigte das Expertengremium mehrere klinische Studien, die Efeublätter mit synthetischen Substanzen verglichen. Bei Erwachsenen mit chronischer Bronchitis zeigten sie, dass Efeublätter bei der Verbesserung von Hustensymptomen so wirksam wie Ambroxol waren. Bei Kindern mit akuter Bronchitis ließ sich eine Vergleichbarkeit der Efeublätter mit Acetylcystein demonstrieren.

Entschlüsselter Wirkmechanismus Zu den wirksamkeitsmitbestimmenden Inhaltstoffen der Efeublätter zählen Triterpensaponine, Flavonoide und Phenolcarbonsäuren, die bronchospasmolytische, sekretolytische und antiinflammatorische Effekte vermitteln. Vor allem spielt das Saponin Hederacosid C eine Rolle. Es ist ein Prodrug, das im Körper in die eigentliche Wirkform alpha-Hederin umgewandelt wird. Dieses greift direkt an Bronchialmuskulatur- und Lungenepithelzellen an, wo es eine gesteigerte beta2-adrenerge Erregbarkeit und somit einen indirekten beta2-sympathomimetischen Effekt zur Folge hat. Das führt in den Bronchialmuskelzellen zu einer gesteigerten Dilatation (bronchospasmolytische Wirkung). In den Lungenbläschen stimuliert es die vermehrte Produktion von sekretlösendem Surfactant, wodurch das Sekret verdünnt wird und leichter abgehustet werden kann (sekretolytische und expektorierende Wirkung).

In Leitlinien empfohlen Inzwischen haben auch verschiedene Leitlinien eine Empfehlung für efeuhaltige Phytotherapeutika aufgrund überzeugender Studiendaten hinsichtlich der Reduktion von Häufigkeit und Dauer des Hustens ausgesprochen. Während die DEGAM-Leitlinie S3 akuter und chronischer Husten vor allem die statistisch signifikante Überlegenheit von Efeu-Thymian-Kombinationen hervorhebt, empfiehlt die S2k-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin zur Diagnostik und Therapie von erwachsenen Patienten mit Husten daneben auch explizit Efeu-Monopräparate.

Den Artikel finden Sie auch in DIE PTA IN DER APOTHEKE 01/2022 ab Seite 50.

Gode Chlond, Apothekerin

Literaturtipp
Wer Informationen zu evidenzbasierter Phytotherapie sucht, wird in dem Buch “Evidenzbasierte Selbstmedikation“ von Monika Neubeck fündig, das 2021 im Deutschen Apotheker Verlag in der 5., überarbeiteten und erweiterten Auflage mit der ISBN 978-3-7692-7556-8 erschienen ist. Es führt auf 430 Seiten Therapiemöglichkeiten zu 41 typischen Indikationen der Selbstmedikation auf, wobei bei fast allen Anwendungsgebieten auch pflanzliche Optionen genannt werden. Auf Grundlage von Einzelstudien und Metaanalysen werden die einzelnen Behandlungsalternativen bewertet. Zudem wurden vorhandene Leitlinien berücksichtigt.

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