Abbildung Viren im Gesicht© peterschreiber.media / iStock / Getty Images

Repetitorium

HERPES-ERKRANKUNGEN – TEIL 1

Herpesviren gehören zu den weltweit am meisten verbreiteten Infektionserregern. Sie sind in der Lage, den Menschen lebenslang zu begleiten und ganz unterschiedliche Erkrankungen auszulösen.

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Bereits Hippokrates kannte vor mehr als 2000 Jahren die schmerzhaften Herpesbläschen und gab ihnen ihren Namen. Herpes leitet sich von griech. herpein = kriechen ab, womit sowohl das langsame Ausbreiten der Bläschen auf der Haut als auch der schleichende Rückzug der Viren in den Körper beschrieben wird.

Acht humanpatogene Herpesviren Aber Herpes ist nicht gleich Herpes. Von den weit über einhundert bekannten Herpesviren lösen lediglich acht verschiedene Arten beim Menschen Krankheiten aus – und die gehen nicht alle mit kleinen, roten Bläschen einher. Circa 95 Prozent der erwachsenen Bevölkerung sind mit dem Herpes-simplex-Virus Typ 1 (HSV-1) infiziert. Dieser Herpestyp ist Hauptverursacher des Lippenherpes (Herpes labialis), er kann sich aber auch als Genitalherpes (Herpes genitalis) präsentieren. In der Mehrzahl der Fälle sind die Herpesinfektionen in der Anogenitalregion auf den Herpes simplex-Virus Typ 2 (HSV-2) zurückzuführen, mit dem ein gutes Drittel der Erwachsenen durchseucht ist.

Sowohl beim Varizella-Zoster-Virus (VZV) als auch beim Epstein-Barr-Virus (EBV) liegt die Infektionsrate mit zirka 90 Prozent fast so hoch wie beim HSV-1. Der VZV ist vor allem bei den Älteren gut bekannt, da sie sich inzwischen gegen die Zweitmanifestation des Virus, gegen die Gürtelrose (Herpes zoster), impfen lassen können. Aber auch die Jüngeren kennen ihn, insbesondere junge Eltern. Die Varizellen-Impfung gegen die Windpocken, die sich bei Erstkontakt mit VZV entwickeln, zählt bereits seit langem zu den Standardimpfungen im Kindesalter. Während der Schwangerschaft werden Frauen mit dem Thema Zytomegalie-Infektion durch das Zytomegalie-Virus (CMV) konfrontiert, die beim ungeborenen Kind zu schweren Schädigungen führen kann.

Da es keine Impfungen dagegen gibt, gilt es, sie durch Hygienemaßnahmen unbedingt zu vermeiden. Oftmals weniger geläufig ist das Epstein-Barr-Virus (EBV). Es löst als Erstmanifestation eine infektiöse Mononukleose (Synonyme: Pfeiffersches Drüsenfieber, Kusskrankheit) aus und trifft vorwiegend Kinder und Jugendliche. Weitere humanpathogene Herpesviren sind die Humanen Herpesviren 8 (HHV-8) sowie 6 (HHV-6) und 7 (HHV-7). Während erstere bei Personen mit einer Immunschwäche zu schweren, gefürchteten Infektionen führen, sind HHV-6 und -7 für das eher harmlose Dreitagefieber verantwortlich, das vor allem bei Kindern zwischen sechs Monaten und drei Jahren ausbricht.

Lebenslanges Versteckspiel Auch wenn sich die verschiedenen Herpesviren mit den unterschiedlichsten Krankheiten beim Menschen zeigen, haben sie doch eines gemeinsam: Nach ihrem Eindringen in den fremden Organismus gelingt es ihnen, sich dort einzunisten und ein Leben lang zu verweilen. Ist der Virus einmal in den menschlichen Körper gelangt, wird er zum ungeliebten Dauergast. Nach der ersten Infektion kriechen die Viren von ihrer Eintrittspforte über Nervenbahnen zu den Nervenganglien. An diesen Knotenpunkten, an denen mehrere Nerven zusammenlaufen, verharren sie symptomlos in einer Art Ruhezustand solange ihr Wirt lebt.

Ist das Immunsystem geschwächt, werden die schlafenden Viren wieder aus ihrem Versteck zurück an die Oberfläche geholt und damit wieder virulent. Eine derartige Reaktivierung kann bald oder erst viele Jahre nach der Erstinfektion erfolgen und wird beispielsweise durch andere Infektionskrankheiten oder in Stress- und anderen Belastungssituationen ausgelöst. Dann vermehren sich die Viren explosionsartig und manifestieren sich je nach Virustyp mit den unterschiedlichsten Erscheinungsbildern.

Epstein-Barr-Virus: Pfeiffersches Drüsenfieber Die infektiöse Mononukleose, auch als Pfeiffersches Drüsenfieber bezeichnet, ist eine durch das Epstein-Barr-Virus (EBV) verursachte Rachenentzündung. Da EBV vor allem durch den Speichel übertragen wird, trägt sie auch den Namen Kusskrankheit. Weitere mögliche Übertragungswege sind Geschlechtsverkehr, Kontakt mit Blut (z. B. Bluttransfusionen) oder Transplantationen. Das Virus befällt die B-Lymphozyten, also die weißen Blutkörperchen, und gelangt über das Blut und das Lymphsystem in die Lymphknoten sowie Organe wie Milz und Leber. Epstein-Barr-Viren zählen zu den am weitesten verbreiteten Viren der Welt.

Mit Anfang 50 haben bereits 95 bis 98 Prozent aller Menschen eine Infektion mit EBV durchgemacht. Infiziert man sich in der frühen Kindheit mit EBV, verläuft sie meist symptomlos oder zeigt einen sehr milden Verlauf. Eine Erstinfektion im Jugend- und Erwachsenenalter ist dagegen mit deutlichen Krankheitszeichen verbunden. Starke Schwellungen der Lymphknoten im Halsbereich und ein schweres Krankheitsgefühl sind typisch. Auch treten vermehrt Komplikationen wie beispielsweise bakterielle Superinfektionen, Erschöpfungszustände, Leber- oder Milzschwellung auf. Bei Menschen mit einem eingeschränkten Immunsystem sind schwere Verläufe möglich, bei denen es zu einer Hirnhautentzündung (Meningoenzephalitis), Herzmuskelentzündung (Myokarditis), Nierenentzündung (Nephritis) oder Leberentzündung (Hepatitis) kommt.

Eine Infektion mit EBV kann sich über Wochen hinziehen, da nur eine symptomatische Behandlung mit desinfizierenden Lutschtabletten, Analgetika oder Halswickeln möglich ist. Antibiotika kommen lediglich bei sich dazugesellenden bakteriellen Sekundärinfektionen wie einer Mandelentzündung in Frage. Dabei wird auf die Gabe von Aminopenicillinen wie Ampicillin oder Amoxicillin verzichtet, da diese während einer akuten EBV-Infektion Exantheme aufgrund einer Interaktion der Substanzen mit den Lymphozyten auslösen.

In schweren Fällen entwickelt sich daraus ein lebensgefährliches Lyell-Syndrom („Syndrom der verbrühten Haut“), bei dem sich die Epidermis ablöst. Sehr wichtig ist körperliche Schonung. So ist auf Sport mindestens sechs Wochen lang zu verzichten, um eine Milzruptur zu vermeiden. Nach einer Infektion verbleibt das Virus lebenslang latent im Körper. Wird es reaktiviert, wird der Betroffene wieder infektiös und kann beispielsweise bei Immunsuppression die Weißschwielenkrankheit der Zunge (Leukoplakie) entwickeln. Zudem wird EBV mit der Entwicklung bösartiger Tumoren in Verbindung gebracht. So kann es das Nasopharynxkarzinom oder Lymphome (z. B. Burkitt-, Hodgkin-Lymphom) verursachen.

Humanes Herpesvirus 8: Kaposi-Sarkom Auch Infektionen mit dem Humanen Herpesvirus 8 (HHV-8) lösen schwerwiegende Erkrankungen aus. Meist treten sie bei Personen mit einer Immunschwäche auf. Bekannt geworden ist besonders das Kaposi-Sarkom, welches den häufigsten Tumor bei HIV-Patienten darstellt. Das Virus ist deshalb auch unter dem Begriff Kaposi-Sarkom-assoziiertes Herpesvirus (KSHV) bekannt. KSHV ist in den unterschiedlichen Regionen der Welt verschieden stark vertreten. Besonders häufig kommt es in einigen Regionen Afrikas vor, wo mehr als 40 Prozent der Einwohner mit KSHV infiziert sein können. In Europa und Nordamerika ist KSHV mit weniger als zehn Prozent deutlich seltener in der Bevölkerung vorhanden.

Zytomegalie-Virus: Embryopathien Ein weiterer Vertreter der Herpesfamilie ist der Zytomegalie-Virus (HVV-5 oder CMV). Der Name des Virus nimmt auf das Aussehen der Zellen Bezug, die mit CMV infiziert sind (griech. cytus = Zelle, griech. megalos = groß). Sie werden zu Riesenzellen mit charakteristischen Einschlusskörperchen, weshalb man bei CMV-Infektionen auch von der Einschlusskörperchenkrankheit spricht. Etwa 40 Prozent aller Erwachsenen in Deutschland sind mit dem Virus infiziert. Zumeist verläuft der Übertragungsweg über Tröpfcheninfektion oder Geschlechtsverkehr, er kann auch durch Transplantation infizierter Organe erfolgen.

Die meisten Infizierten bemerken die Erstinfektion jedoch nicht, da sie in der Regel bei Erwachsenen mit intaktem Immunsystem symptomlos verläuft. Eine Gefahr stellt das Virus vor allem für Immunsupprimierte und Schwangere dar. Nach Angaben des Robert Koch-Instituts ist CMV in Deutschland die häufigste Ursache für Virusinfektionen im Mutterleib, bei denen die Viren über das Blut und die Plazenta der Mutter zum Ungeborenen gelangen (pränatale Infektion). Vor allem ist das Risiko für eine Mutter-Kind-Übertragung bei Erstinfektionen besonders hoch. Infektionen mit CMV stellen sich unterschiedlich dar.

Weit über hundert Herpesviren sind derzeit bekannt, aber nur von acht Typen weiß man, dass sie bei Menschen Krankheiten auslösen.

Während bei HIV-Infizierten und Tumorpatienten mit schweren Komplikationen wie Entzündungen der Netzhaut (Retinitis), die zur Erblindung führen können, lebensgefährlichen Lungenentzündungen (CMV-Pneumonie) oder Leberentzündungen (CMV-Hepatitis) zu rechnen ist, tragen Neugeborene vor allem schwere neurologische Schäden (z. B. Hörschäden, geistige Behinderung) davon. Auch werden Schädelfehlbildungen (Mikrozephalie) sowie Früh- und Totgeburten und eine erhöhte Säuglingssterblichkeit beobachtet. Erfolgt die Ansteckung während der Geburt (perinatale Infektion) durch Kontakt mit infiziertem Zervikalsekret aus dem Gebärmutterhals, Muttermilch oder Blutprodukten, sind die Folgen weitaus weniger dramatisch.

Häufig verläuft die Infektion dann sogar asymptomatisch. Therapeutisch kommen bei aktiven CMV-Infektionen Virustatika wie Ganciclovir zur Anwendung (aber nicht bei Schwangeren). Bei Resistenz werden Foscavir und Cidofovir eingesetzt. Die Substanzen sind allerdings nicht in der Lage die Viren zu eliminieren. Sie können lediglich – wie bei anderen Herpes-Erkrankungen auch – die Virusvermehrung hemmen. CMV verweilt daher auch nach erfolgter virustatischer Therapie latent im Körper und kann reaktiviert werden. Ihr genauer Aufenthaltsort ist nicht bekannt. Es werden Gewebe, Organe und die weißen Blutkörperchen diskutiert. Zudem sind Reinfektionen möglich.

Humane Herpesviren Typ 6 und 7 – Dreitagefieber Weniger gefährlich sind die Humanen Herpes-Viren (HHV) Typ 6 und 7. Sie lösen durch Tröpfcheninfektion bei 95 Prozent aller Säuglinge und Kleinkinder bis zu drei Jahren eine der häufigsten Hauterkrankungen, das Exanthema subitum oder Roseola infantum, aus. In seltenen Fällen sind ältere Kinder betroffen. In Europa ist vor allem der Subtyp HHV 6B für die Erkrankung verantwortlich, die auch als Dreitagefieber bezeichnet wird. Wie der Name schon sagt, beginnt die Infektion mit einem plötzlich einsetzenden hohen Fieber von 39 bis 40 Grad Celsius, das drei bis vier Tage lang anhält.

Danach fällt es abrupt ab und es erscheint ein nicht juckender, kleinfleckiger, blassroter Hautausschlag, der sich innerhalb kurzer Zeit stark ausbreitet und zusammenlaufen kann. Vor allem überzieht er Brust, Bauch und Rücken, er kann sich auch auf die Extremitäten erstrecken. Gesicht und Kopfhaut sind seltener betroffen. Nach spätestens ein bis zwei Tagen – manchmal sogar bereits nach wenigen Stunden – verschwindet das Exanthem ebenso rasch, wie es aufgetaucht ist. In dem Moment bestätigt sich dann die Diagnose Dreitagefieber. Die Infektion kann noch von Erbrechen und Durchfall begleitet sein.

Auch sind Husten und eine Schwellung der Lymphknoten möglich. Seltener ist HHV-7 der Verursacher. Typischerweise stellt sich das Dreitagefieber dann mit höherem Fieber dar und ist mit Krämpfen verbunden. Weitere neurologische Symptome können hinzukommen. Bei vielen Kindern verlaufen HVV-6- und -7-Infektionen aber mild und in abgeschwächter Form, sodass sie häufig unbemerkt bleiben. Einzige therapeutische Maßnahme besteht in der symptomatischen Linderung des Fiebers, wobei auf eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr geachtet werden muss. Auch HHV-6 und -7 persistieren nach überstandener Infektion im Körper und können reaktiviert werden. Es zeigen sich dann allerdings in der Regel keine Symptome, die Erkrankten sind aber über ihren Speichel ansteckend.

Den Artikel finden Sie auch in DIE PTA IN DER APOTHEKE 01/2022 ab Seite 71.

Gode Chlond, Apothekerin

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