Biene in der Wabe.© Aleksandr Rybalko / iStock / Getty Images

Schmöker des Monats

GOLDENES GIFT

Endlich ist er da: Der siebte Band um den luxemburgischen Ex-Sternekoch Xavier Kieffer. Diesmal handelt er von Honigpanschereien, von wild gewordenen Bienen und beinahe tödlichen Anschlägen – und, natürlich, wie der Koch den Schurken auf die Schliche kommt.

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Mir ist Xavier mit der Zeit ans Herz gewachsen. Angefangen hat er mit seinen kulinarischen Ermittlungen 2011, da ging es um eine „Teufelsfrucht“ und das Buch beschäftigte sich thematisch mit Geschmacksverstärkern. Hauptfigur Kieffer hat einmal beim Gastro-Sternezirkus mitgemacht und dann entschieden, dass das nichts für ihn ist. Inmitten der alten Festungsmauern in Luxemburg, seiner Heimat, eröffnete er dann ein Lokal, Deux Églises heißt es, und es gibt Bohneneintopf (Bouneschlupp), Linsensuppe (Lensebulli) und Judd mat Gaardebounen (Schweinenacken mit Saubohnen). Stets ist die Hütte voll; besonders gern kommen auch die in Luxemburg arbeitenden EU-Beamten, besonders einer, aber davon später mehr.

500 Seiten Spannung Das nächste Buch der Reihe handelte dann vom „Roten Gold“, gemeint sind der Thunfisch und der weltweite Handel damit. Endlich hat Xavier eine nette, schlaue Freundin, das ist Valérie Gabin, die Herausgeberin des berühmten Guide Gabin, der Sterne für die besten Restaurants vergibt und nicht zufällig sehr dem (wirklich vorhandenen) Guide Michelin ähnelt. Bis beide herausfinden, warum der Sushi-Koch mitten im Essen plötzlich tot umfällt, vergehen wie stets knapp 500 Seiten, und keine einzige davon ist langweilig. Wenn Sie immer schon mal wissen wollten, was und wer hinter der internationalen Lebensmittelindustrie steht, wie hier getrickst, betrogen und getäuscht wird, dann sollten Sie diese Krimis lesen.

Es geht dann im weiteren Verlauf der Reihe um Olivenöl, um Schokolade und um die Feindseligkeiten berühmter Fernsehköche untereinander. Herrlich! Diesmal also die Bienen. Ein bekannter Stadtimker, der seine Bienenstöcke an Firmen vermietet, kommt auf dem Dach eines Büroturms ums Leben. Doch warum? Am Sturz selbst kann es nicht gelegen haben, findet die Polizei heraus. Und dass er so zerstochen war, ist eigentlich ungewöhnlich für einen Menschen, der seine Tiere genau kennt.

Xavier Kieffer bekommt noch zwei Kisten Honig von ihm für sein Restaurant, und er sieht gar nicht ein, warum er die bereits bezahlte Ware nicht aus dem Schuppen holen soll, der dem Imker als Lager dient. Gerät mitten hinein in ein Wespen-, nein Bienennest. Plötzlich geht es um genmanipulierte Killerbienen, um Königinnen, die tot vor dem Stock liegen, um Peilsender und internationale Machenschaften rund um das „Goldene Gift“. Mitten in der Nacht werden Bienenstöcke auf- und wieder abgebaut, mal macht Valérie Fotos davon, mal versteckt sich Xavier im Gebüsch. Die Spur führt in ein Analyselabor in Bremen, das Isotope markiert und Zuckerarten bestimmt.

Der Autor Tom Hillenbrand ist Journalist und er hat stets gut recherchiert, zum Beispiel wie man Reissirup und Invertzucker so im Honig versteckt, dass es nicht auffällt. Jedenfalls normalen Menschen nicht. Als sein Patissier seinem Chef Kieffer einen Löffel Honig hinhält und ihn bittet, zu schmecken, versteht er sogleich: „Dieser Honig schmeckte süß. Aber das war es dann auch schon.“ Kein Wunder, denn wie das Bremer Labor herausfindet, ist in den Gläsern reiner Allpass – Zuckersirup ohne einen einzigen Pollen darin. Und die müssen nun mal sein im Honig.

Bienen, Drohnen, Drogen Hier hilft wieder der finnische EU-Mann für Lebensmittelfragen Pekka Vatanen. Der gehört zur Einrichtung des Deux Églises wie der Barhocker zur Theke, an der er stets sitzt und beachtliche Mengen Rivaner in sich hineinkippt, derweil er die Speisekarte rauf und runterfuttert. Wenn Xavier mal ein bisschen Ermittlung braucht, läuft das immer über ihn. So sitzt er dann irgendwann mit einem Start-up-Gründer, der Drohnen vermietet, im Auto, und fährt die verlassenen Bienenstöcke des Stadtimkers ab: Wieso verschwinden die und werden kurz danach wieder aufgestellt? Warum findet die Polizei in einem der hölzernen Häuschen so viel Bargeld?

Sind hier doch Drogen im Spiel? Und hat das Glas mit dem Honig aus Rhododendronblüten („Deli Bal“) etwas damit zu tun? Xavier jedenfalls wähnt sich während seiner Halluzinationen in einem staubigen Schuppen auf einem anderen Planeten. Valerie jagt inzwischen einer Frau hinterher, die Honigproben verschickt und dabei partout unerkannt bleiben will. Aber nicht mit der Gabin-Erbin! Die ist nach dem Verkauf ihres Gastronomie-Führers an einen amerikanischen Multimillionär zu ihrem Kummer „nur“ noch Gastro-Kritikerin und Foodbloggerin und hat ein bisschen Zeit übrig.

Nachdem der Koch ihr Huhn in sahniger Rieslingsauce serviert hat, fällt sie in tiefen Schlummer. Als sie erwacht, ist er schon weg. Unterwegs in Sachen Bienen, mitten in der Nacht, und leider hat er sein Handy vergessen. Showdown also! Da wird sich auf wackligen alten Festungsmauern gestritten und geprügelt, es geschehen Überfälle im Dunkeln und konspirative Gespräche in Limousinen werden geführt. Und wenn dieser Fall dann geklärt ist, dann hat man wieder - hinterrücks - eine Menge gelernt. Dass Professoren gar nicht immer so seriös sind und Studien besser nur von wirklichen Experten interpretiert werden sollten.

Hamburg, München, Luxemburg-Stadt Autor Hillenbrand – ein Hamburger, der in München lebt – hat sich mit seiner Serie um den Old-fashioned-Koch Kieffer in die Herzen der Luxemburger geschrieben, stand dort – wie auch in Deutschland – monatelang auf der Bestsellerliste. Inzwischen veröffentlicht er auch viel beachtete Science-Fiction-Romane und Dystopien, sogar vor einem Wirtschaftsthriller schreckte er nicht zurück.

Alle Bücher haben mindestens einen Preis bekommen. Aber wissen Sie, ich persönlich warte schon auf den nächsten Krimi. Wenn Xavier seiner Valérie wieder etwas Leckeres brutzelt, der Finne eine neue Weinsorte entdeckt und der Koch beim Hin- und Herfahren in seinem uralten Auto in den Kassetten herumkramt, sich dabei eine Zigarette ansteckt. Herrlich inkorrekt. Hoffentlich bleibt das so.

Diesen Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 02/2022 ab Seite 140.

Alexandra Regner, PTA und Medizinjournalistin

Tom Hillenbrand Goldenes Gift
Ein kulinarischer Krimi, Taschenbuch, Kiepenheuer & Witsch, 480 Seiten, 22 Euro ISBN: 978-3-462-05464-4

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