Zwei Pinsel mit Rouge oder rosa Lidschatten. Die Kosmetik fliegt staubend um die Pinsel.© RkaKoka/iStock/Getty Images Plus
Ist Talk, das in zahllosen Kosmetika und Arzneimitteln steckt, krebserregend?

Gefährlich?

TALK ALS WAHRSCHEINLICH KREBSERREGEND EINGESTUFT

Talk begegnet uns nicht nur täglich in der Apotheke. Der schier unverzichtbare Stoff, auch Talkum genannt, wurde nun als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuft. Müssen Sie Käufer von Hautpuder oder Tabletten jetzt darauf hinweisen, dass sie mit einem gefährlichen Stoff in Kontakt kommen?

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Die internationale Krebsforschungsagentur IARC hat Talk neu bewertet und stuft ihn nun als „wahrscheinlich krebserregend“ ein. Besteht jetzt Grund zur Panik? Schließlich ist Talk schier unverzichtbar in der pharmazeutischen Industrie, aber auch für die Herstellung von Plastik, Papier, Farben und sogar zahlreichen Lebensmitteln. Wäre Talkum nun tatsächlich krebserregend, müssten viele Prozesse umgestellt werden.

Das ist aber gar nicht nötig, meint Dr. Rolf Daniels, Professor im Ruhestand für Pharmazeutische Technologie der Universität Tübingen. Er fordert, die Einstufung von Talk als „wahrscheinlich krebserregend“ mit der nötigen Vorsicht zu behandeln, aber „nicht das Kind mit dem Bade auszuschütten“.

Talk nicht zwingend krebserregend, verunreinigt mit Asbest aber schon

In der Vergangenheit war Talk oft mit Asbest verunreinigt, was bereits 2009 zur Einstufung als „wahrscheinlich krebserregend“ durch die IARC führte. Allerdings bezog sich hier die Warnung nur auf Asbest-haltigen Talk. Solcher, bei dem eine Verunreinigung ausgeschlossen werden konnte, befand sich in der niedrigsten Gefahrenstufe. In dieser Gruppe 3 liegen weder am Menschen noch im Tierversuch ausreichende Beweise für eine krebserregende Wirkung vor. In der Gruppe 3 befindet sich auch Kaffee.

Talk, auch ohne Asbest-Verunreinigung, stuft die IARC nun hoch in die Gruppe 2a, „wahrscheinlich krebserregend“. Sie findet ausreichende Beweise für eine durch Talk mögliche krebserregende Wirkung in Tierversuchen. Am Menschen gibt es dagegen keine ausreichenden Belege. Damit kommt Talk in seinem krebserregenden Potential prinzipiell rotem Fleisch gleich, das sich ebenfalls in Gruppe 2a befindet.

Das Problem der aktuellen Studien, die der Einstufung zugrunde liegen, ist, dass für Talk die krebserregende Wirkung nicht sicher vom Talk allein ausgeht. Auch Asbest-Kontakt könnte im Spiel gewesen sein, so zum Beispiel in den Studien, die für Intimpuder auf Basis von Talk eine gewisse krebserregende Wirkung bei Frauen herausfanden. Es konnte nicht sicher ausgeschlossen werden, dass auch Asbest im Puder enthalten war beziehungsweise die Frauen nicht auch beruflich möglicherweise Asbest ausgesetzt waren.

Trotzdem war in den Studien ein Risiko für Eierstockkrebs erkennbar, was die IARC zu ihrer Einstufung von Talk als „wahrscheinlich krebserregend“ führte. Auch im Tierversuch häuften sich seltene und ungewöhnliche Tumoren nach dem Kontakt mit Talk.

Talk nicht prinzipiell gefährlich

Die Einstufung in eine Risikogruppe der IARC bedeutet übrigens nicht, dass Talk tatsächlich krebserregend ist. Es hat die Eigenschaften eines potenziellen Karzinogens, und zwar im Tierversuch. Talk, ein Schichtsilikat, das umgangssprachlich auch als Speckstein bezeichnet wird, weist gewebereizende Eigenschaften auf. Das kann letztlich gefährlich oder krebserregend wirken.

Zum Beispiel kann Talk nadelförmige Strukturen besitzen, die ähnlich wie Asbest krebserregende Wirkungen in der Lunge haben. Außerdem kann Talk im Zellkulturversuch chronische Entzündungen auslösen sowie die Zellteilung und den Zellstoffwechsel verändern.

Das alles kann gefährlich werden oder krebserregend wirken, muss es aber nicht. Denn das persönliche Krebsrisiko eines jeden Menschen ist sehr unterschiedlich, meint auch Dr. Rolf Daniels. Es hängt davon ab, wie oft und wie der Betreffende mit dem Stoff (hier Talk) in Kontakt gekommen ist, ob eine krebserregende Wirkung möglich ist oder nicht.

Talk in Tabletten

Da Talk zum Beispiel in der Tablettenherstellung unverzichtbar als inertes Gleitmittel ist, sollte mit der Einstufung von Talk als wahrscheinlich krebserregend vorsichtig umgegangen werden, so Daniels. Die verwendeten Mengen sind äußerst gering, und die modernen Nachweismethoden schließen eine Asbestverunreinigung sicher aus.

Er sieht die Gefahr, dass Patienten ihre Tabletten nicht mehr einnehmen wollen, weil sie die Information, das Talk wahrscheinlich krebserregend und damit gefährlich ist, nicht richtig einordnen können. Es gebe aber kaum Alternativen, ohne dass aufwendige Stabilitätsprüfungen aller Arzneimittel und vollständige Neubewertungen des Nutzen-Risiko-Verhältnisses aller Inhaltsstoffe nötig würden. Diese „stehen nach meinem Dafürhalten aber in keinem Verhältnis zu einer möglichen Risikominderung“, meint der Technologe. Talk sollte nicht als krebserregend „verunglimpft“ werden.

„Man stelle sich nur einmal vor, was es für einen Aufschrei von Konsumenten und Erzeugern geben würde, wenn man erwägen würde, rotes Fleisch als „wahrscheinlich krebserregend“ zu kennzeichnen.“ Dr. Rolf Daniels

Im HV kommt Ihnen als PTA also große Verantwortung zu, wenn Sie eventuell auf Talk als „gefährlich“ oder „krebserregend“ angesprochen werden. Das individuelle Krebsrisiko bei jedem Stoff hängt ab von Art, Häufigkeit und Stärke des Kontaktes. Panik vor Talk als krebserregend oder gefährlich ist also nicht geboten. Vom eigenmächtigen Absetzen von verordneten Medikamenten sollten Sie abraten und an den Arzt verweisen.

Quellen:
https://www.pharmazeutische-zeitung.de/talk-ist-wahrscheinlich-krebserregend-149525/
https://www.krebsinformationsdienst.de/aktuelles/detail/talkum-krebserregend
https://www.iarc.who.int/wp-content/uploads/2024/07/pr352_E.pdf
https://flexikon.doccheck.com/de/Talkum

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