Ein kniendes Kind mit nasser Hose© goodmoments / iStock / Getty Images Plus
Beim Spielen kann schnell mal etwas in die Hose gehen.

Tabu-Thema

INKONTINENZ IM KLEINKINDALTER

Einnässen oder einkoten sind Probleme, die nur ältere Menschen betreffen? Keinesfalls! Auch Schulkinder können inkontinent sein. Scham und Hilflosigkeit überfallen Familien bei diesem Thema häufig, das muss nicht so sein.

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Endlich kein Baby mehr, sondern richtig groß: Kleine Kinder sind stolz, wenn sie selbstständig zur Toilette gehen können, sobald sich Darm oder Blase melden. 

Doch längst nicht bei allen Mädchen und Jungen klappt das reibungslos. Manche koten noch im Schulalter ungewollt in die Unterhose oder nässen sie ein - ein Tabuthema: Vielen ist das extrem unangenehm, sie schämen sich zumeist sehr", sagt die Leipziger Kinder- und Jugendärztin Melanie Ahaus.

Jungen sind häufiger betroffen als Mädchen

Dabei sind betroffene Familien nicht allein. Nach Angaben des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) koten 1,5 bis drei Prozent der Siebenjährigen ein, Jungen doppelt so häufig wie Mädchen.

Etwa zehn Prozent der Kinder im Alter von sieben Jahren machen nachts ins Bett, tagsüber sind ungefähr zwei bis drei Prozent betroffen.

Allerdings geht man sowohl beim Einkoten als auch beim Einnässen von einer hohen Dunkelziffer aus. Das In-die-Hose-machen ist immer noch ein Thema, über das man nicht spricht", sagt die Urologin Prof. Daniela Schultz-Lampel aus Villingen-Schwenningen.

Das geht so weit, dass einige Eltern die Harn- oder Stuhlinkontinenz ihrer Kinder gegenüber dem Kinderarzt oder der Kinderärztin verschweigen, obwohl sie sich insgeheim Sorgen machen. Dabei können ein Arztgespräch und eine Untersuchung des Kindes helfen, die Ursache herauszufinden - und Ängste zu zerstreuen.

Liebevolle Begleitung und Verständnis

Im Umgang mit dem inkontinenten Kind zählt vor allem eines: Eltern sollten ihr Kind niemals beschimpfen oder gar bestrafen", sagt Kinder- und Jugendärztin Ahaus. Vielmehr sollten sie es liebevoll begleiten und ihm das Gefühl vermitteln, dass das Einkoten oder Einnässen nur vorübergehend ist.

Denn: In den allermeisten Fällen steckt hinter Einnässen und Einkoten kein krankhaftes Problem", erklärt Ahaus. Oft sei es Teil des Reifungsprozesses. Kinder schlafen nachts oft tief und werden von einem Druck auf Darm oder Blase nicht unbedingt geweckt. Und schon ist es passiert. 

Plötzlich wieder nass?
Zum Einnässen kann es auch kommen, wenn es der Psyche des Kindes nicht gut geht. Auch ADHS, kurz für Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Störung, kann dahinterstecken. Ein Zeichen, dass Eltern ihr Kind ärztlich untersuchen lassen sollten, ist, wenn das Kind nachts trocken war und plötzlich einnässt", sagt Kinderärztin Ahaus.

Auch tagsüber seien Jungen und Mädchen durch das Spielen oder Lernen oftmals derart abgelenkt, dass sie einen Druck nicht wahrnehmen, so Ahaus. Oft sind die Kinder selbst erstaunt und erschrocken, dass die Unterhose auf einmal nass oder eingekotet ist.

Mögliche organische Ursachen

Um festzustellen, ob das Einnässen tatsächlich keine krankhaften Ursachen hat, bietet sich eine Ultraschalluntersuchung der Nieren an. Gegebenenfalls sollte auch die Blase untersucht werden. Laut Ahaus kann es beispielsweise sein, dass sich bei einigen Kindern der Schließmuskel nicht vollständig öffnet, während sie auf der Toilette sitzen. Dadurch verpassen es Betroffene, einen Teil des Urins abzulassen. Das geschieht dann später - wenn das Kind nicht mehr auf dem WC sitzt.

Hinter kindlichem Einkoten kann sich laut Daniela Schultz-Lampel eine chronische Verstopfung verbergen. Das klingt zwar erst einmal widersprüchlich", räumt die Fachärztin ein. Aber: In diesem Fall bahnt sich im Darm dünner, flüssiger Stuhl von oben einen Weg an den harten Brocken Kot vorbei. Diesen flüssigen Stuhl kann das Kind nicht mehr kontrollieren - er landet in der Unterhose.

Oft hat eine solche Stuhlinkontinenz Begleiterkrankungen. Das Einkoten kann etwa Harnwegsinfektionen auslösen, die letztendlich auch zu Harninkontinenz führen können", sagt Schultz-Lampel.

Um den Mädchen und Jungen zu helfen, gilt es in einem ersten Schritt, die Ursachen für die chronische Verstopfung aufzuspüren. Dabei spielen Faktoren wie eine wenig ballaststoffreiche Ernährung und auch zu wenig Bewegung eine Rolle", sagt Schultz-Lampel, die Mitglied im Expertenrat der Deutschen Kontinenz Gesellschaft ist.

Stuhltraining gegen Verstopfung

Aber auch bestimmte Verhaltensweisen können zu einer chronischen Verstopfung führen. Viele Eltern sagen ihren Kindern, dass sie doch bitte nicht woanders auf die Toilette gehen sollten, weil es dort schmuddelig sei", sagt Schultz-Lampel. In der Folge halten Mädchen und Jungen den Stuhldrang ein. Das kann aber dazu führen, dass der Darm irgendwann übervoll und eine Entleerung schmerzhaft ist - weil der Kot durch die Verstopfung steinhart wurde. Um diesen Schmerzen zu entgehen, halten die Kinder noch mehr ein - ein Teufelskreis.

Stuhlprotokoll
Grundlage für eine Therapie im Fall von Einkoten ist ein Stuhlprotokoll. Das sollten Eltern mit ihren Kindern in aller Regel zwei Wochen lang führen. Anhand dieses Protokolls und auf Basis der Anamnese erstellt die Kinderärztin oder der Kinderarzt einen Therapieplan", sagt Schultz-Lampel.

Zum einen bekommt das Kind dann sanfte Medikamente verschrieben, die den Stuhl weich machen. Zum anderen erfolgt ein Stuhltraining. Dabei geht das Kind zu festen Zeiten auf die Toilette. Auch wenn es nicht muss.  Um den Stuhlgang auszulösen, bekommt das Mädchen oder der Junge anfangs Zäpfchen. Ziel des Toilettentrainings ist ein normaler Stuhlgang-Rhythmus", erklärt Schultz-Lampel.

Locker bleiben, kleine Änderungen bewirken oft viel

Oftmals ist das Einnässen ihr zufolge allerdings harmlos. Zeigt die Untersuchung, dass bei dem Kind gesundheitlich alles in Ordnung ist, können schon Änderungen der Trinkgewohnheiten viel verbessern. So sollte das Mädchen oder der Junge über den Tag verteilt ausreichend trinken, aber abends ab 18 Uhr nichts mehr", sagt Ahaus. Vor dem Schlafen sollten die Kinder zur Toilette gehen. Ebenfalls helfen kann der Verzicht auf koffeinhaltige Getränke wie Cola. Die wirken harntreibend, was das Einnässen begünstigt.

Für Kinder, die tagsüber einnässen, ist es sinnvoll, zu festen Zeiten die Toilette aufzusuchen. Gegebenenfalls kann ein Wecker den Jungen oder das Mädchen alle zwei Stunden daran erinnern, aufs WC zu gehen", sagt Ahaus.

Quelle: dpa

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