Auffälligkeiten im Kindes- und Jugendalter
DAS GING IN DIE HOSE
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Enuresis und Enkopresis fallen unter die Störungen der Ausscheidung, die altersunangemessen stattfinden. Enuresis nocturna ist die vollständige Blasenentleerung, die in der Regel ungewollt im Schlaf stattfindet, Enkopresis ist das Einkoten. Bei beiden Störungen müssen organische Ursachen für das Verhalten ausgeschlossen werden können (zum Beispiel anatomische Fehlbildungen). Aufgrund der Relevanz des Alters sollte eine Enuresis nicht vor dem fünften Lebensjahr, eine Enkropesis nicht vor dem vierten Lebensjahr diagnostiziert werden.
Das Einnässen oder Einkoten der Kinder ist Eltern meist sehr unangenehm, sodass sie nicht gerne darüber sprechen. Häufig befürchten sie, sie hätten in der Erziehung versagt – ein unnötiger Gedanke, denn die Problematik tritt häufiger auf, als man erwartet. Laut einer britischen Studie kommt es nicht selten vor, dass selbst Neunjährige nachts ins Bett machen. Bei acht Prozent der Altersgruppe geschieht dies mindestens zweimal wöchentlich, überwiegend sind Jungen von der Problematik betroffen.
Verschiedene Varianten Man differenziert die primäre und die sekundäre Form der Störung: Beim primären Typus hatte das Kind bisher noch keine erworbene Blasen- oder Stuhlgangkontrolle, während bei der sekundären Variante nach bestandener Kontrolle ein Rückfall des Einnässens oder Einkotens erfolgt. Wichtig zu wissen ist, dass a a das Einnässen oder Einkoten nicht absichtlich geschieht. Die Störungen bleiben nur in den seltensten Fällen bestehen – meist kommt es zu spontanen Remissionen.
Entwicklung der Blasenfunktion Kein Mensch ist von Geburt an „sauber“: Die Steuerung der Blasenfunktion läuft durch subkortikale Strukturen unwillkürlich ab, sodass sich das Hohlorgan automatisch entleert, wenn es voll ist. Die bewusste Beeinflussung der Miktion vollzieht sich erst ab dem ersten oder zweiten Lebensjahr, mit zwei bis vier Jahren können die Kinder die Ausscheidungen dann in der Regel vollständig kontrollieren. Die Ursachen des Einnässens sind noch nicht vollständig bekannt, wahrscheinlich spielen Entwicklungsverzögerungen der Regulation der Urinproduktion oder der Blasenkontrolle eine wichtige Rolle:
- Zum Teil ist die Problematik erblich bedingt, kann jedoch auch durch Umweltfaktoren beeinflusst werden.
- Das antidiuretische Hormon (ADH, Vasopressin) spielt eine wichtige Rolle für die Regulation des Wasserhaushaltes, denn es reduziert die Harnproduktion. Bei Kindern mit Enuresis wird das Hormon unter Umständen in der Hirnanhangdrüse nur unzureichend gebildet.
- Betroffene schlafen so tief, dass sie durch den Reiz der vollen Blase nicht geweckt werden.
- Kritische Lebensereignisse oder Stress gelten als zusätzliche Risikofaktoren für die Entwicklung oder Verschlimmerung der Symptomatik.
- Psychische Ursachen sind vor allem bei den sekundären Störungen möglich.
- Auch falsche Trinkgewohnheiten können für eine nächtliche Enuresis verantwortlich sein: Trinken die Kinder erst am späten Nachmittag oder Abend ihre Haupttrinkmenge, ist die Blase unter Umständen in der Nacht überlastet.
- Die Blasenkapazität ist nicht altersentsprechend entwickelt und die Harnspeicherung zu gering.
- Der Tag-Nacht-Rhythmus der Harnausscheidung ist noch nicht hinreichend ausgebildet. Normalerweise wird zur Nacht mehr Vasopressin freigesetzt, damit der Organismus weniger Harn produziert.
- Bei der Enkopresis sind eine zu frühe und strenge Sauberkeitserziehung, eine reduzierte Darmsensitivität oder Darmkontrolle mögliche Auslöser.
Bettnässende Kinder brauchen die Unterstützung ihrer Eltern, um wieder Selbstvertrauen zu finden. Die Eltern sollten gelassen mit der Situation umgehen.
Einhalten üben Grundsätzlich ist es sinnvoll, die abendliche Flüssigkeitszufuhr zu vermindern. Außerdem bringen Eltern am besten einen Plastikschutz im Bett an, um die Matratzen zu schonen. Raten Sie Ihren Kunden, den Nachwuchs auf keinen Fall für das Einnässen oder Einkoten zu bestrafen und stattdessen lieber Verständnis zu zeigen. Durch die Unterstützung der Eltern gewinnen die Kinder an Selbstvertrauen. Beim sogenannten Einhaltetraining üben Betroffene den Urin trotz des Harndrangs zurückzuhalten, um die Blasenkapazität zu vergrößern.
Zusätzlich ist es hilfreich, in der Nacht einen Weckplan aufzustellen, um die Kinder regelmäßig auf den Gang zur Toilette hinzuweisen. Bewährt haben sich auch sogenannte Bettnässer-Alarmsysteme (Klingelhose). In der Hose oder auf der Matratze wird ein Sensor angebracht, der bei Nässe und Feuchtigkeit Alarm auslöst. Die Therapie beruht auf lerntheoretischen Prinzipien und strebt eine Verhaltensänderung an, sodass Betroffene regelmäßig erwachen und zur Toilette gehen.
Medikamentöse Hilfe Zur Behandlung der Enuresis kommen Wirkstoffe zum Einsatz, welche die Harnausschüttung oder -produktion verringern. Das Arzneimittel Desmopressin ist dem körpereigenen Hormon Vasopressin sehr ähnlich und reduziert somit die Wasserausscheidung. Manchmal wirkt sich die Anwendung von trizyklischen Antidepressiva positiv auf die Störung aus, allerdings stehen Eltern diesen aufgrund der zahlreichen Nebenwirkungen häufig skeptisch gegenüber.
Therapie des Einkotens Bei Kindern mit Enkopresis treten oft Verstopfungen auf, die durch die Einnahme von Abführmitteln oder durch eine ballaststoffreiche Ernährung verbessert werden können. Verhaltenstherapeutische Maßnahmen zielen darauf ab, erfolgreichen Stuhlgang zu fördern und das unkontrollierte Einkoten zu verhindern.
Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 02/18 auf Seite 142.
Martina Görz, PTA und Fachjournalistin