Statistisches Bundesamt
CORONA LÄSST LEBENSERWARTUNG EINBRECHEN
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Die Lebenserwartung in Deutschland ist seit Beginn der Corona-Pandemie deutlich gesunken. Die durchschnittliche Lebenserwartung betrug 2021 für neugeborene Mädchen nur noch 83,2 Jahre und für neugeborene Jungen 78,2 Jahre. Damit hat sich die Lebenserwartung von Neugeborenen im Vergleich zu 2019 - dem letzten Jahr vor der Pandemie - stark verringert, wie das Statistische Bundesamt am Dienstag in Wiesbaden berichtete: bei Jungen um 0,6 Jahre, bei Mädchen um 0,4 Jahre.
Die Statistiker sind sich sicher: "Hauptgrund für diese Entwicklung sind die außergewöhnlich hohen Sterbefallzahlen während der Coronawellen." Die Entwicklung der Lebenserwartung zeige Veränderungen der Sterblichkeit an, die von der Altersstruktur unabhängig sind. Sie seien deshalb besonders gut für Vergleiche geeignet.
"Wir können die Entwicklung direkt auf Covid-19 zurückführen", sagt auch Jonas Schöley, der am Max-Planck-Institut für Demografische Forschung in Rostock über den Gesundheitszustand der Bevölkerung forscht. Die Zahlen aus Wiesbaden decken sich eins zu eins mit den Ergebnissen seiner Forschungsgruppe. "Ein so starker Rückgang, synchronisiert über den Planeten, an zwei aufeinanderfolgenden Jahren, das ist völlig ungewöhnlich und eine absolute Ausnahme."
Rückgang der Lebenserwartung in Ostdeutschland höher
In Ostdeutschland war der Auswertung zufolge der Rückgang der Lebenserwartung bei Geburt von 2019 auf 2021 besonders deutlich. Für Jungen nahm dieser Wert um 1,3 Jahre, für Mädchen um 0,9 Jahre ab. In Westdeutschland betrug der Rückgang bei den Jungen 0,4 Jahre und bei den Mädchen 0,3 Jahre. Die ostdeutschen Bundesländer waren ab der zweiten Welle besonders stark von der Pandemie betroffen.
Bei dem Thema spielen zwei Faktoren zusammen: Weil der Anteil älterer Menschen an der Bevölkerung steigt, wird seit etwa 20 Jahren mit einer jährlich steigenden Zahl der Sterbefälle gerechnet. Gleichzeitig wurden - zumindest vor Beginn der Corona-Pandemie - alte Menschen immer älter. «Der Effekt der steigenden Lebenserwartung schwächte damit den Alterungseffekt ab», erklärt das Bundesamt.
Bei gleichzeitigem Wirken beider Effekte stiegen die Sterbefallzahlen vor Beginn der Pandemie jährlich um durchschnittlich ein bis zwei Prozent. Bereits 2020 war der Anstieg im Vergleich zum letzten Jahr Vorpandemiejahr 2019 stärker ausgeprägt - die Statistik zeigte fünf Prozent mehr Sterbefälle. 2021 stiegen die Sterbefallzahlen um weitere vier Prozent.
"Ausgehend von 2019 wäre für 2021 eine Sterbefallzahl von 960 000 bis 980 000 erwartbar gewesen, also ein Anstieg um zwei bis vier Prozent.
Tatsächlich ist die Zahl der Sterbefälle von 2019 auf 2021 um neun Prozent gestiegen", berichteten die Statistiker. "Bezogen auf die beiden Jahre 2020 und 2021 gab es demnach etwa 70 000 bis 100 000 zusätzliche Sterbefälle." Beim Robert Koch-Institut wurden in diesen beiden Jahren knapp 115 000 Covid-19-Todesfälle gemeldet.
Dass der Effekt 2021 geringer ausfiel als 2020 erklärt das Statistische Bundesamt mit den Maßnahmen und Verhaltensänderungen während der Pandemie. Sie könnten auch dafür gesorgt haben, dass 2020 und 2021 weniger Sterbefälle durch andere Infektionskrankheiten wie beispielsweise die Grippe verursacht wurden.
Die Frage ist, ob die beiden Ausnahmejahre den Trend, dass Menschen immer älter werden, beendet oder nur unterbrochen haben. Seit mehr als 100 Jahren steige die Lebenserwartung in Europa, sagt Schöley, aber innerhalb dessen habe es immer wieder Einbrüche gegeben, etwa die beiden Weltkriege oder die Spanische Grippe. Danach sei man jedes Mal zur positiven Entwicklung zurückgekehrt.
Manchmal hätten die Krisen den Trend sogar beschleunigt. "Nach dem Zweiten Weltkrieg hatte man Antibiotika - vielleicht hilft uns die mRNA-Technologie, auf der die meisten Corona-Impfstoffe basieren, im Kampf gegen Krebs." Allerdings gebe es auch neue Risikofaktoren, etwa eine mögliche Wirtschaftskrise oder politische Instabilität. "Dann können wir auch durchaus länger auf die Rückkehr steigender Lebenserwartung warten."
Quelle: dpa
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