Die Auslage einer Metzgerei mit viel Wurst und Fleisch© U. J. Alexander / iStock / Getty Images Plus
Der hohe Fleisch- und Wurstkonsum ist Mitursache für hohe Harnsäurewerte und Gicht.

Praxistipps

ERNÄHRUNG BEI GICHT – SO SCHRUMPFEN DIE HARNSÄUREWERTE

Gicht ist eine Stoffwechselerkrankung mit schmerzenden Gelenkentzündungen. Einfluss nehmen die Gene, eine fleischbetonte Ernährung und ein ungesunder Lebensstil. Um vorzubeugen ist – noch vor der Medikamenten-Gabe – eine gezielte Ernährung ratsam, damit eine Gicht gar nicht erst entsteht.

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Was hattenAlexander und Karl der Große, Rubens, Casanova, Martin Luther und Goethe gemeinsam? Sie alle litten an Gicht, auch Arthritis urica genannt. Erhöhte Harnsäurespiegel sind also kein Relikt der Neuzeit, es hat gab sie schon lange vorher. Typisch sind dabei wiederkehrende Anfälle, die sich beispielsweise in Gelenken am großen Zeh oder Daumen bemerkbar machten.

Zu den Ursachen gehören Bewegungsmangel sowie große Mahlzeiten bei denen stets Fleisch und Wurst oder Fisch und gerne auch Alkohol eine große Rolle spielen. Typische Initialzündung für den ersten Gichtanfall ist eine ausgiebige Schlemmerei, bei der große Mengen Fleisch und Alkohol konsumiert wurden. Meistens tritt ein Gichtanfall zum Bespiel nach einem Fest, Urlaub oder nach Feiertagen wie Weihnachten oder Ostern auf. Dementsprechend empfiehlt sich im Kundengespräch die Frage nach dem Auftreten des ersten Gichtanfalls.

„Casanova, Martin Luther und Goethe hatten Gicht. Ein Zeichen des Wohlstandes und üppiger Völlerei. Gicht ist also keine Stoffwechselerkrankung der Neuzeit.“

Gicht ist weit verbreitet, besonders bei Männern

Besonders in den Ländern, in denen reichlich und viel Fleisch und Alkohol konsumiert werden, tritt Gicht verstärkt auf. Nach Angaben der deutschen Gicht-Liga leiden in Deutschland ein bis zwei Prozent der Erwachsenen an einer Gicht. Männer sind häufiger betroffen als Frauen. Mit zunehmendem Alter steigt das Risiko zu erkranken.

Doch bevor es zur Gicht und den überaus schmerzhaften Anfällen in den Gelenken kommt, zeigen sich erhöhte Harnsäurewerte. So haben laut Gicht-Liga etwa 20 Prozent der Erwachsenen hierzulande bereits einen erhöhten Harnsäurespiegel. Ob daraus tatsächlich eine chronische Gicht entsteht, hängt stark von der Ernährung und dem individuellen Lebensstil ab.

Kurzum: Mit gesunder Ernährung und einem entsprechenden Lebensstil lässt sich hier aktiv gegensteuern. Neben dem erhöhten Risiko für Männer sind auch Kunden mit deutlichem Übergewicht (Adipositas), einem Typ-2-Diabetes, Bluthochdruck und/oder Fettstoffwechselstörungen (erhöhte Cholesterin- und/oder Triglycerid-Werte) oft davon betroffen.

„Etwa ein bis zwei Prozent der Erwachsenen leiden in Deutschland an Gicht.“

Wie entsteht Gicht?

Purine sind Bestandteile der Erbsubstanz, unserer Gene also. Sie kommen in menschlichen und tierischen Zellen vor. Sie stecken in unseren eigenen Zellen und in tierischen und pflanzlichen Lebensmitteln. Pflanzliche Lebensmittel enthalten mehr Purine als tierische. Pflanzliche Zellen haben aber eine Zellwand, die der Mensch nicht verdauen kann – so belasten die Purine uns in den meisten Fällen nicht. Tierische Produkte kann der Mensch beim Verdauen jedoch aufschlüsseln, sodass das Purin verfügbar wird. Harnsäure ist das Abbauprodukt des Purin-Stoffwechsels.

Diese Harnsäure wiederum wird vorwiegend über Nieren und teilweise auch über den Darm ausgeschieden. Ist die Harnsäurekonzentrationen im Blut dauerhaft erhöht, entwickelt sich daraus oft eine Gicht. Allerdings impliziert ein erhöhter Harnsäurewert im Blut (Hyperurikämie) nicht automatisch, dass daraus ein Gichtanfall entsteht. Er ist ein erstes Alarmsignal, dass eine Umstellung der Ess- und Lebensgewohnheiten vor der Entstehung einer chronischen Gicht schützen kann.

Primäre und sekundäre Formen

Medizinisch betrachtet unterscheiden sich erhöhte Harnsäurespiegel in die primäre und sekundäre Form. Die häufig auftretende, primäre Form basiert auf einer angeborenen Harnsäurestoffwechselstörung. Deren Ursache basiert auf einer Störung der Harnsäureausscheidung.

Bei der sekundären Form wird die Erkrankung durch verschiedene Begleiterkrankungen ausgelöst, etwa durch große Mengen anfallender Harnsäure bei zytostatischer Chemotherapie, durch Niereninsuffizienz, Adipositas sowie eine betont harnsäurereiche Ernährung.

Vorsicht, Abnehmfalle
Auch radikale, strenge Diäten sowie Fasten wirken kontraproduktiv. Die beim Fettabbau entstehenden Produkte hemmen die Harnsäureausscheidung über die Nieren. Die Folge ist eine erhöhte Harnsäurekonzentration im Blut.

 

Wie äußert sich ein Gichtanfall?

Ein Gichtanfall kommt meist plötzlich, verbunden mit gewaltigen Schmerzen, gerne tritt er in der Nacht auf. Fieber und massive Schmerzen sind typisch. Besonders häufig betroffen sind die Gelenke der großen Zehen sowie der Daumen. Betroffene berichten, dass allein die Berührung der Bettdecke auf dem großen Zeh extrem heftige Schmerzen verursachen. Denn die Gelenke sind meistens geschwollen, sehr berührungsempfindlich und gerötet. Ein Gichtanfall kann mehrere Tage andauern.

Auf jeden Fall ratsam ist es den Hausarzt aufzusuchen, damit besprochen wird, was die akuten Schmerzen lindern kann. Kalte Umschläge können, neben Medikamenten, zur Linderung beitragen. Es ist aber nicht nur wichtig, dem akuten Leiden ein Ende zu setzten. Wird jetzt nicht im Hinblick auf die Ernährung und den allgemeinen Lebensstil gegengesteuert, können sich die Abstände bis zum nächsten Gichtanfall verkürzen. Neben der Ernährungs- und Lebensstil-Therapie können hier auch Arzneimittel wie Allopurinol, Febuxostat, Probenecid und Benzbromaron zum Einsatz kommen.

Tipps fürs Kundengespräch zur Anamnese einer Gicht

Folgende Fragen helfen Ihnen einzuschätzen, ob Ihr Kunde oder Ihre Kundin Gicht haben könnte:

  • Gab es schon einmal einen Gichtanfall?
  • Sind Gichterkrankungen blutsverwandter Familienmitglieder bekannt?
  • Fragen nach Vorerkrankungen
  • Welche Medikamente werden regelmäßig eingenommen, z.B. Diuretika oder Zytostatika?
  • Fragen zum Lebensstil: Bewegung, Alkoholkonsum, Ess-Gewohnheiten
  • Wurde in letzter Zeit eine Fastenkur oder kalorienarme Diät praktiziert?

Empfehlenswert ist eine Blutabnahme zur Bestimmung der Harnsäurewerte. Die Normwerte für Frauen liegen bei unter 6,5 Milligramm pro Deziliter (mg/dl), für Männer unter 6,9 mg /dl.

Purinarm Essen lindert Beschwerden

Je nachdem ob lediglich ein erhöhter Harnsäurespiegel oder doch ein akuter Gichtanfall therapiert werden soll, bietet sich eine entsprechende Lebensmittelauswahl an. Dazu bedient man sich einer purinarmen Kost.

Im Akutfall hat sich eine streng purinarme Kost bewährt. Dabei gilt es täglich maximal 300 mg Harnsäure oder bis zu 2000 mg Harnsäure in der Woche zu essen. Einen hilfreichen Purinrechner gibt es auf den Seiten der Gicht-Liga.

Als Dauerkost empfiehlt sich eine purinarme Ernährung mit täglich 500 mg, beziehungsweise 3000 mg Harnsäure pro Woche.

Purinfreie beziehungsweise purinarme Lebensmittel bevorzugen

  • Getreide und Getreideerzeugnisse
  • Kartoffeln
  • Fast alle Gemüsesorten
  • Blattsalate
  • Frisches Obst
  • Milch und Milchprodukte sowie Käse
  • Eier

Eingeschränkt geeignet: Lebensmittel mit einem mittlerem Puringehalt

  • Samengemüse/Hülsenfürchte wie Erbsen, Bohnen, Sojaprodukte
  • Einige Kohlgemüsearten, z. B. Rosenkohl, Brokkoli, Blumenkohl
  • Spargel, Spinat
  • gekochter Schinken
  • Rinder-, Schweine- oder Geflügelfilet
  • Wurst wie Geflügelmortadella, Bierschinken, Sülzwurst
  • Seefisch, z. B. Kabeljau, Lachs

Purinreiche Lebensmittel meiden

  • Innereien wie Bries, Leber, Niere, Herz, Lunge, Milz
  • Schweineschwarte
  • Sprotten, Sardinen, Sardellen (Fische in der Größe eines Herings und kleiner)
  • Haut von Schwein, Geflügel und Fisch

Ernährung spielt bei Gicht eine zentrale Rolle

Wie in der Übersicht zu sehen ist, sind besonders Lebensmittel wie Fleisch, Fisch, Geflügel, Wild und Wurst sehr purinreich. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt deshalb die Mengen an tierischen Lebensmitteln drastisch zu senken. Auch Fleischbrühe zum Würzen oder als Suppe ist nicht empfehlenswert. Eine sinnvolle Alternative bietet klare, gekörnte Gemüsebrühe. Sie eignet sich zum Würzen von Sauce, Suppen, Gemüse und ersetzt zusätzlich Salz.

Gänzlich verzichtet werden sollte auf Innereinen von rotem Fleisch, Geflügel und Fisch. Ferner wird vom Verzehr bestimmter Fischarten wie Sprotten, Sardinen und Sardellen abgeraten. Auch Alkohol gilt es komplett wegzulassen oder nur in Minimengen zu konsumieren. Alkohol steigert die Harnsäurebildung und hemmt die Harnsäureausscheidung über die Nieren. Das gilt auch für Bier, was im Volksmund bei Gicht gerne empfohlen wird.

Vorsicht Fructose
Auch Fructose hat einen ungünstigen Effekt auf die Harnsäurewerte. Denn Fruchtzucker steigert die körpereigene Purin-Synthese und hemmt die Harnsäure-Ausscheidung. Dabei ist es nicht die Fructose, die natürlicherweise in Obstvorkommt, sondern der Fructosesirup, der Softdrinks und Süßigkeiten zugesetzt wird, der hier in der Verantwortung steht. Der Effekt ist mindestens so stark wie der von Alkohol: Schon ein Glas täglich erhöht das Gichtrisiko um 45 Prozent.

Relativ purinarm sind Gemüse, Obst, Kartoffeln und Getreideprodukte. Sie sollten den Hauptteil des Speiseplans ausmachen. Ausnahme: Gemüse mit von Natur aus hohem Puringehalt. Dazu gehören Hülsenfrüchte wie Erbsen, Bohnen, Linsen und Sojabohnen. Ferner Blumenkohl, Spinat, Spargel und daraus hergestellt Produkte. Fast purinfrei sind Milch und Milchprodukte wie Quark, Joghurt, Kefir oder Dickmilch.

Ernährungs-Tipps bei Gicht

  • Langfristig gesund abnehmen: keine Crash- oder Fastenkur praktizieren
  • Regelmäßige Bewegen tut Gewicht, Psyche und Blutwerten gut.
  • Täglich mindestens 2 bis 3 Portionen frisches Gemüse und Obst
  • Täglich Vollkornprodukte wie Brot oder Müsli ohne Zucker
  • Ein bis zwei Milchprodukte täglich
  • Mindestens zwei Liter kalorienarme, besser -freie Flüssigkeit täglich
     
  • Spargel, Spinat, Rosen- oder Blumenkohl, Brokkoli und Hülsenfrüchte höchstens einmal wöchentlich
  • 3- bis 4-mal pro Woche insgesamt 100 bis 150 g Fleisch, dazu max. 2 bis 3 Portionen Wurst à 30 g in der Woche
  • Tausch von Fleischbrühe gegen hefefreie Gemüsebrühe.
  • Ideale Fleischgerichte: Spieße, Ragout, Gulasch, Geschnetzeltes mit Gemüse
     
  • Alkohol am besten meiden bzw. selten in sehr kleinen Mengen konsumieren.
  • Auch alkoholfreies Bier ist ungeeignet.
  • Getränke, die mit Fructose, Fructosesirup, Glucose-Fructose-Sirup oder fructoseangereichertem Mais-Sirup gesüßt sind, meiden

Quellen:
https://www.dge.de/
https://www.ernaehrungs-umschau.de/
https://www.gichtliga.de/purinrechner
https://www.gesundheitsinformation.de/wann-ist-eine-langfristige-behandlung-mit-medikamenten-sinnvoll.html
https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/news/artikel/2014/03/13/fructose-so-schaedlich-wie-alkohol

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