Mann mit Baby auf dem Arm.© dusanpetkovic / iStock / Getty Images Plus
Das allgemeinhin als „Kuschelhormon“ bekannte Oxytocin ist unverzichtbar für die Bindung zwischen Eltern und ihren Kindern.

Neuropeptide

DEM „KUSCHELHORMON“ OXYTOCIN AUF DER SPUR

Autismus, diese rätselhafte Krankheit, könnte unter anderem durch einen Mangel an Oxytocin im Gehirn bedingt sein. Das wurde jedoch nie bewiesen. Forscher der Uni Basel konnten nun erstmals einen Mangel des „Kuschelhormons“ infolge einer Erkrankung der Hirnanhangsdrüse belegen.

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Vasopressin und Oxytocin haben ungefähr dieselbe chemische Struktur und entstehen auch im gleichen Hirnareal. Menschen mit einem (seltenen) Mangel an Vasopressin können ihren Urin nicht konzentrieren und verlieren deshalb literweise Wasser. Um die zehn Liter Wasser müssen sie pro Tag trinken, um diesen Verlust zu kompensieren.

Das lässt sich zwar mit Tabletten oder Nasenspray mit künstlich hergestelltem Vasopressin meist problemlos behandeln. Jedoch leiden viele dieser Patienten unter Angststörungen, haben Mühe mit sozialen Interaktionen oder allgemein mit der Emotionswahrnehmung.

Zusammenhang zwischen Vasopressin und Oxytocin hergestellt

Den Grund dafür vermutet man in einem Mangel an Oxytocin, dem „Kuschelhormon“, das eine große Rolle bei gelingenden sozialen Beziehungen spielt und reichlich zwischen Eltern und Kindern fließt sowie den Milchfluss der mütterlichen Brustdrüsen anregt. „Weil die Produktion der beiden Hormone anatomisch so nahe beieinanderliegt, könnten Störungen, die zu einem Vasopressin-Mangel führen, auch die Oxytocin-produzierenden Neuronen betreffen“, vermuteten die Forschenden um den Endokrinologen Dr. Cihan Atila.

Mit Oxytocin gibt es nur ein kleines wissenschaftliches Problem: Man kann es schlecht messen. Für eine zuverlässige Aussage braucht es einen Stimulationstest. Die gängigste ist 3,4-Methylenedioxy-N-Metamphetamin (MDMA), unter Fachleuten bekannt als Ecstasy. Forschende der Universität Basel und des Universitätsspitals Basel unter der Leitung von Prof. Dr. Mirjam Christ-Crain konnten mit dieser Methode zeigen, dass Gesunde, die diese Substanz einnehmen, einen 8,5-mal höheren Oxytocinspiegel haben – während er bei Menschen mit Vasopressin-Mangel unverändert bleibt. Also lautet die Schlussfolgerung:  Hier scheint auch die Oxytocin-Produktion gestört zu sein.

Hormonproduktion hängt eng beieinander

Wie erwartet, bewirkte der Anstieg von Oxytocin bei den Gesunden ein pro-soziales Verhalten und eine Zunahme an Empathie sowie gleichzeitig eine Reduktion von Angstsymptomen. Menschen mit Vasopressin-Mangel zeigten hingegen keinerlei Veränderungen in diesen Belangen. „Ein Oxytocin-Mangel bei Personen mit Vasopressin-Mangel würde diesen Befund zumindest teilweise erklären“, sagt Atila. Seine Kollegin Mirjam Christ-Crain ergänzt: „Diese Resultate beweisen somit zum ersten Mal, dass ein klinisch relevanter Oxytocin-Mangel tatsächlich existiert.“ Das eröffne neue therapeutische Möglichkeiten und könnte sowohl für Erkrankungen wie Autismus als auch für ein vertieftes Verständnis für Oxytocin als Schlüsselhormon für sozio-emotionale Effekte interessant sein.

So plant man jetzt eine große Studie, die untersucht, ob eine Therapie mit Oxytocin die psychologischen Symptome bei Menschen mit einem Vasopressin-Mangel verbessern kann.

Quelle: Informationsdienst wissenschaft

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