Kontraindikation
KAUM GRÜNDE FÜR IMPFBEFREIUNGS-ATTEST
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Atteste zur Freistellung von der Corona-Impfung sind stark nachgefragt: „Klinikärzte und Niedergelassene können sich der Anfragen kaum erwehren“, sagt Professor Markus Lerch, Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für innere Medizin und Vorstandsvorsitzender des LMU Klinikums München. Am Klinikum habe man den ärztlichen Kollegen geraten, wenn sie nicht in eine dauerhafte Behandlung des Patienten eingebunden waren, keine solchen Atteste auszustellen.
Doch was sind überhaupt Gründe gegen eine Impfung mit Comirnaty und Co.? Etwa akute Infekte oder Fieber ab 38,5 Grad Celsius; auch Schwangere im ersten Trimester sollten keine Impfung erhalten. Danach aber schon, und das gilt auch für andere nach der Genesung – lediglich temporäre Hinderungsgründe also.
Echte Ausschlusskriterien für eine Impfung
Auch eine bekannte Überempfindlichkeit gegen die in Deutschland eingesetzten COVID-19-Impfstoffe stellt ein Ausschlusskriterium für eine Impfung dar. Das gilt insbesondere bei einer schweren, IgE-vermittelten allergischen Reaktion oder einer Anaphylaxie auf diesen in der Vergangenheit. Comirnaty® (BioNTech/Pfizer) und Spikevax® (Moderna), die beiden mRNA-Impfstoffe, enthalten RNA in Lipidnanopartikeln, welche stellenweise mit dem potenziellen Allergen Polyethylenglykol (PEG) vernetzt sind. Bei den beiden Vektorimpfstoffen Vaxzevria® (Astra-Zeneca) und COVID19 Vaccine Janssen® (Johnson & Johnson) sowie bei dem proteinbasierten Impfstoff Nuvaxovid® (Novavax) sind vor allem die enthaltenen Polysorbate allergieauslösend.
Allergische Reaktionen
Im Falle eine Allergie gegen Bestandteile eines bestimmten Präparates könne unter Berücksichtigung von Kreuzallergien auf ein anderes Präparat ausgewichen werden. Menschen mit nachgewiesener PEG-Allergie könnten mit einem Vektorimpfstoff, solche mit Polysorbat-Allergie mit einem mRNA-Impfstoff geimpft werden. Eine Kreuzreaktion zwischen PEG und Polysorbaten trete so gut wie nie auf, sagt der Präsident des Ärzteverbandes deutscher Allergologen (AEDA), Professor Dr. Ludger Klimek.
Weitere Kontraindikationen
Noch zwei weitere Kontraindikationen sind vorhanden: Zum einen ein Kapillarlecksyndrom in der Vorgeschichte des Patienten oder ein bestätigtes Thrombose-mit-Thrombozytopenie-Syndrom nach einer COVID-19-Impfung. Auch hier ist ein Wechsel auf einen mRNA-Impfstoff möglich. Und hier endet sie auch schon, die Liste der absoluten Kontraindikationen.
Vorsicht bei Myo- oder Perikarditis
Bei einer Myo- oder Perikarditis in der Vorgeschichte des Patienten ist allerdings Vorsicht geboten. Die Ständige Impfkommission STIKO rät hier, dass auf mRNA-Impfstoffe verzichtet werden sollte, wenn nach einer Impfung damit eine solche Entzündung aufgetreten ist. Im Einzelfall könne jedoch eine erneute Impfung empfohlen werden, wenn nämlich ein individuelles hohes Risiko für einen schweren COVID-19-Verlauf bestünde.
Professor Dr. Christoph Sarrazin, Mitglied im Vorstand der DGIM, erklärt hierzu: „Aus meiner Sicht gibt es praktisch keine weiteren allgemeinen Kontraindikationen gegen eine der zugelassenen Corona-Impfungen, die über die in der Fachinformation genannten Überempfindlichkeitsreaktionen gegen Inhaltsstoffe der Vakzine oder den Impfstoff selbst hinausgehen.“ Allerdings sei immer dann eine relative Kontraindikation gegeben, wenn ein Patient bereits in der Vergangenheit eine schwere Nebenwirkung – etwa eine Autoimmunreaktion bis hin zum Organversagen – auf eine Impfung gehabt habe. Hier sei die Sorge vor einer erneuten ähnlichen Reaktion nachvollziehbar.
Erhöhtes Risikopotenzial
Laut RKI und Paul-Ehrlich-Institut (PEI) ist eine schwere allergische Reaktion auf einen Bestandteil einer anderen Impfung, der nicht in den COVID-19-mRNA-Impfstoffen enthalten ist, keine Kontraindikation für eine COVID-19-Impfung mit einem mRNA-Präparat. Allerdings besteht hier erhöhtes Risikopotenzial, weshalb man die Impfung unter erhöhter Notfallbereitschaft betrachten sollte und eine Nachbeobachtungszeit nicht unter 30 Minuten ansetzen sollte.
Krebs keine Kontraindikation
Es kursieren noch viele Gerüchte über weitere mögliche Kontraindikationen – die jedoch keine sind. Krebs, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Asthma, Diabetes, Rheuma – das alles stellt eher einen guten medizinischen Grund für eine COVID-19-Impfung dar. Denn viele chronisch Erkrankte haben ein erhöhtes Risiko für einen schweren Verlauf und profitieren von einer Impfung. Auch Rheumapatienten oder solche in onkologischer Behandlung könnten geimpft werden, nur ist ihr Schutz dann möglicherweise schwächer als bei Gesunden.
Auch blutverdünnende Medikamente sind kein Grund gegen die Impfung, ebenso wie die Einnahme von Antibiotika oder Corticosteroiden. Multiple Sklerose, chronische Erkrankungen wie chronisch-entzündliche Darmerkrankungen oder Allergien sind ebenfalls keine Hinderungsgründe.
Angst vor Spritzen?
Angstpatienten mit Spritzen-Phobie sind zwar speziell, aber auch dem kann begegnet werden, nämlich therapeutisch. Und das geht so: „Die Betroffenen sehen sich zunächst gemeinsam mit Therapeuten Bilder und dann Filme der Situation an bis sie so weit sind, eine Spritze zu erhalten“, erklärt Professor Dr. Angelika Erhardt, Leiterin der Ambulanz am Max-Planck-Institut für Psychiatrie. Die Angst sei nach der Therapie nicht komplett weg, aber Impfungen seien in der Regel gut durchführbar.
Quelle: Pharmazeutische Zeitung