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Gerichte aus der Kindheit

PASTA ASCIUTTA

Schauen wir zurück in die 70er-Jahre. Wenn meine Mutter etwas besonders Gutes kochen wollte, gab es „Pasta schuta“. Mir erschien es damals als der Gipfel der Raffinesse, quasi ein italienisches Sterne-Menü.

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Wir beratschlagten über ein neues Rezept, der Gatte und ich. Gerichte aus der Kindheit, ja, und wir hingen dabei unseren Gedanken nach. Ich lächelte und sagte: „Bei uns gab es immer Pasta schuta, meine Mutter hatte das, glaube ich, aus einem italienischen Kochbuch.“ „Bei uns auch“, sagte mein Mann, „mit Maccharoni.“ „Nein“, widersprach ich heftig, „das geht nur mit richtigen Spaghetti.“ Wir schauten uns an und mussten lachen. So ist das eben mit Gerichten aus der Kindheit – jeder von uns war im Besitz der alleinigen, unbedingten Wahrheit. Und weil uns beiden das gleiche Gericht durch den Kopf schoss, machten wir uns auf die Suche.

Zuerst einmal mussten wir feststellen: Pasta schuta hieß eigentlich „Pasta asciutta“. Und das hieß übersetzt noch nicht einmal „Nudeln mit Tomatensoße“, sondern „trockene Nudeln“, obwohl das Gericht ja alles andere als trocken ist. So unterscheidet man sprachlich in Italien, wie man mir erklärte, die Nudeln mit Soße von den Nudeln in der Suppe – den „Pasta in brodo“.

Tja, die Kenntnisse der italienischen Küche waren noch spärlich. Man muss allerdings bedenken: In den 70-ern war eine Knoblauchzehe eine exotische Zutat und Tomaten mit Mozzarella und Basilikum leuchteten noch fern am Horizont der deutschen Familienküchen. In denen es noch Hausfrauen gab – also Menschen weiblichen Geschlechts, die sich ausschließlich um das Wohl der übrigen Familienmitglieder kümmerten.

Des Gatten und meine Kindheit war so eine. Conny Froboess Liedchen „Zwei kleine Italiener“, das sie beim Grand Prix für Deutschland gesungen hatte, war gerade verklungen – aber eine große Sehnsucht nach diesem Land blieb. Es liefen die Schlagerfilme der 70-er, und man bekam den Eindruck, dass sich Peter Kraus, Rex Gildo und Peter Alexander überhaupt nur am Lago Maggiore, auf Capri oder an der Riviera aufhielten, wo sie mit Mandolinen im Mondschein die schönen Signorinas besangen. 1952 hatte die erste Pizzeria auf deutschem Boden in Würzburg eröffnet, bis das Gericht richtig massentauglich wurde, vergingen einige Jahre. Im Jahr 1970 kam die erste Tiefkühlpizza auf den Markt und damit auf den heimischen Küchentisch.

Pasta asciutta war nun die selbstgemachte, erste deutsche Version der Spaghetti Bolognese, von der es sich meilenweit unterschied, aber das machte nix, wusste ja keiner. Unsere Mütter rührten aus Tomatenmark, Mehl und manchmal sogar Kondensmilch einen Brei zusammen, gaben ein bisschen (nicht zu viel!) gehackte Zwiebeln hinein und etwas Hackfleisch (das war teuer!). Da es keinen Vergleich gab, wähnten wir uns beim Kosten im Himmel – so schmeckte Italien!

Der Gatte berichtete, dass seine Geschwister und er mit den Maccheroni stets Sauerei veranstalteten – denn die haben ja bekanntermaßen ein Loch, und man kann sie als eine Art labberigen Strohhalm benutzen, mit dem man die Tomatensoße schlürfen konnte und dann andersherum…, aber lassen wir das. Bei uns gab es immer die einzig richtigen dünnen Spaghetti. Manchmal noch mit Käse drüber, vielleicht Parmesan? Ich weiß es leider nicht mehr. Wir lachten sehr, der Gatte und ich, als wir in den Supermarkt gingen und nach Maccheroni suchten. Ganz hinten links, im Nudelregal der tausend Möglichkeiten, entdeckten wir noch eine Packung. Scheint nicht mehr so in zu sein, diese dicke Nudel mit dem Loch.

Dann nahmen wir noch eine kleine Dose Tomatenmark mit, denn, liebe Kinder: Das gab es früher nicht in Tuben. Die Zubereitung dieses Gerichtes ist sehr, sehr einfach und hat so einen Retro-Charme. Das Hackfleisch und die Zwiebel anbraten, getrennt geht das am besten, denn die beiden haben unterschiedliche Garzeiten. Dann wieder zusammen in den Topf oder die Pfanne, das Tomatenmark drüber und auch den Zucker (der neutralisiert die Säure der Tomaten). Kurz zusammen anrösten. Dann einen halben Liter kräftige Fleischbrühe dazugießen, köcheln lassen, bis alles durch ist. Fertig.

Inzwischen sind wohl auch die Nudeln, die in einem Topf separat gekocht wurden, abgegossen und verzehrfertig. Heute kocht man sie al dente, was damals noch nicht in war, kann ich mich erinnern. Bei uns zumindest waren sie nach heutigen Maßstäben immer zu weich. Die Mengenangaben in diesem Rezept sind den heutigen, modernen Zeiten angepasst, man kann für vier Personen auch locker doppelt so viel davon machen, finde ich. Denn als Kind mochte ich es, wenn die Nudeln in der Soße schwammen, also gar nicht asciutta waren. Und dann noch richtig dick Käse drüber.

Guten Appetit! 

Den Artikel finden Sie auch in DIE PTA IN DER APOTHEKE 03/2022 ab Seite 128.

Alexandra Regner, PTA und Medizinjournalistin in Zusammenarbeit mit Michael Regner, Koch

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