abgebrochener Schlüssel und Schloss© AndreyPopov / iStock / Getty Images Plus
Wenn Enzyme blockiert sind, sind sie nicht in der Lage an einen Rezeptor anzudocken.

Enzymblocker

MITTEL AUS DER TIERMEDIZIN KÖNNTE GEGEN SARS-COV-2 HELFEN

Ein Medikament aus der Krebsforschung könnte sich als effektiv gegen SARS-CoV-2 erweisen. Allerdings wird es zurzeit lediglich bei Hunden eingesetzt: Dort verwendet man es zur Behandlung von Mastzelltumoren.

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Antibiotika helfen bekanntlich nicht gegen Viren. Wohl aber Enzymblocker: Es gibt Medikamente, die bei Virusinfektionen wie HIV oder Hepatitis diejenigen Biokatalysatoren blockieren, die die Viren zur Replikation in den Zellen benutzen: ohne passendes Enzym keine Vermehrung.

Natürlich brauchen auch Coronaviren solche Helfer. Ihr Genom wird nach Eintritt in die Zelle erst einmal in zwei Polyproteine übersetzt, die dann in kleinere Einheiten zerlegt werden müssen. Und das übernehmen zwei Proteasen: 3CL und PLpro sind ihre Namen. Wenn ein arzneilicher Wirkstoff diese beiden schachmatt setzen würde, könnte das Fortschreiten der Infektion effektiv gestoppt werden.
 

Auf der Suche nach vielversprechenden Blockern

Remdesivir ist zurzeit der einzige Wirkstoff, der die Replikation von Coronaviren verhindern kann. Allerdings gibt es da ein paar Hürden: Zum einen muss der Wirkstoff stets per Infusion eingesetzt werden, zum anderen hilft er nur in der Frühphase und bei insgesamt milden Verläufen. 

Also suchte ein Team um Savas Tay und Nir Drayman von der Universität Chicago systematisch nach weiteren erfolgversprechenden Blockern. Dazu führten sie ein Screening mit OC43 durch. Das ist eines der vier Coronaviren, die als ganz normale Erkältungsviren zirkulieren und keine tödlichen Infektionen auslösen. Bei dieser Tätigkeit fanden sie insgesamt 108 Wirkstoffe, die die Replikation von OC43 hemmten.
 

8 von 108, und ein Gewinner

Diese 108 wurden nun auf SARS-CoV-2 angesetzt. Nur acht von ihnen waren sowohl in der Lage, die Replikation des Pandemie-Virus außer Betrieb zu setzen und gleichzeitig das Enzym 3CL zu inhibieren. Am wirksamsten erwies sich dabei der Wirkstoff Masitinib. Es hemmte die 3CL-Aktivität in den Zellen vollständig. Masitinib ist oral verfügbar und zur Behandlung von Mastzelltumoren bei Hunden zugelassen. 

Beim Menschen ist er bereits in klinischen Phase-I und II-Studien bei Krebs, Asthma, Alzheimer, Multipler Sklerose und Amyotropher Lateralsklerose erprobt, aber noch nicht als Medikament zugelassen. Dabei erwies sich in einer Röntgenkristallografie: Mastinib bindet die 3CL-Protease und verhindert damit, dass dieses Enzym das Polyprotein von SARS-CoV-2 spaltet. Mit diesem Virus infizierte Mäuse erhielten Mastinib zwölf Stunden nach der Infektion – und siehe da, es senkte die Viruslast um sagenhafte 99 Prozent und verhinderte damit den Ausbruch von COVID-19.
 

Studien laufen

Jetzt sind die klinischen Studien am Menschen in vollem Gange. Dabei werden in Mastinib große Hoffnungen gesetzt, denn es könnte auch gegen andere zirkulierende Virusvarianten wirksam sein – getestet wurde an SARS-CoV-2 Alpha, Beta und Gamma. Sogar gegen Picornaviren scheint es zu wirken. Zu dieser Gruppe gehören unter anderem das Hepatitis-A-Virus, das Poliovirus – und auch viele Erkältungen verursachende Rhinoviren.

Quellen:

https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/125803/Mittel-gegen-Hundeerkrankung-koennte-als-3CL-Inhibitor-gegen-SARS-CoV-2-wirksam-sein
Nir Drayman et al.: „Masitinib is a broad coronavirus 3CL inhibitor that blocks replication of SARS-CoV-2“, Science, 20. Juli 2021. https://science.sciencemag.org/content/early/2021/07/19/science.abg5827

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