Junge und ältere Menschen sitzen nebeneinander.© Ljupco/ iStock / Getty Images Plus
Die Deutschen sitzen zu viel. Dabei ist jede Minute in Bewegung ein Plus für die Gesundheit. So steht es im DKV-Report 2023 der Deutschen Sporthochschule Köln und der Deutschen Krankenversicherung (DKV).

DKV-Report

DEUTSCHE SITZEN IMMER LÄNGER

Im Auto, bei der Arbeit, vor dem Tablet oder Fernseher: Die Zeit, die die Deutschen sitzend verbringen, steigt laut einem Report seit Jahren kontinuierlich. Warum das für Fachleute ein Alarmsignal ist – und wie viel Bewegung empfohlen wird.

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So manche Belastung der Corona-Pandemie scheint nachzulassen, aber von einer rundum gesund lebenden Republik ist Deutschland noch weit entfernt. Das zeigen Ergebnisse eines Reports der Deutschen Sporthochschule Köln und der Deutschen Krankenversicherung (DKV), der am Montag in Berlin vorgestellt wurde.

Darin werden bei den Bundesbürgern unter anderem ein Trend zum immer längeren Sitzen und ein teils geringes psychisches Wohlbefinden kritisch gewertet.

Warnung vor Gesundheitsrisiken

Ohne umfassende Präventionsangebote drohe der Gesellschaft ab 2030 eine gesundheits- und sozialökonomische Krise, warnt einer der wissenschaftlichen Leiter, der Kölner Sportwissenschaftler Ingo Froböse.

Er fordert, dass Bewegung zu alltäglicher Routine wird und Sport wieder einen Platz im Zentrum der Gesellschaft einnimmt. Es ist die siebte Ausgabe des DKV-Reports „Wie gesund lebt Deutschland?“ seit 2010. Die Angaben zum Lebensstil basieren auf telefonischen Befragungen.

Weniger als jeder Fünfte lebt rundum gesund

17 Prozent der Befragten erreichen nach den Kriterien des Reports Werte, die einem rundum gesunden Leben in sämtlichen abgefragten Bereichen gleichkommen: Dazu zählen körperliche Aktivität, Ernährung, Alkohol- und Tabakkonsum sowie Stressempfinden.

Das werten die Verfasser als niedriges Niveau. Der Anteil hat sich nach einem Knick im Corona-Jahr 2021 mit damals nur elf Prozent aber immerhin wieder auf dem Niveau der Zeit vor der Pandemie eingependelt.

Eher ungesund leben laut dem Report die 30- bis 45-Jährigen, die oft Beruf, Kinderbetreuung und Pflege Angehöriger unter einen Hut bekommen müssen. Nur jeder Zehnte in dem Alter erreicht Werte eines rundum gesunden Lebens. Die Maßstäbe, die die Forscher ansetzen, sind an Empfehlungen verschiedener Institutionen angelehnt, darunter etwa die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE).

Als positive Entwicklung hebt der Bericht unter anderem sinkende Raucherzahlen hervor (85 Prozent rauchen nicht). Und auch beim Umgang mit Stress seien Fortschritte zu verzeichnen.

Zu viel Sitzen, zu wenig Pausen und Bewegung

Als besorgniserregend stufen die Autoren die immer längeren Zeiten pro Tag ein, die die Bundesbürger im Sitzen verbringen: An Werktagen seien es nun 9,2 Stunden durchschnittlich, noch einmal eine halbe Stunde mehr als 2021. Nach Daten von 2015 hatten die Menschen damals noch 7,5 Stunden pro Tag gesessen. Am längsten sitzen laut der aktuellen Befragung die 18- bis 29-Jährigen, mit mehr als 10 Stunden täglich.

Langes Sitzen könne das Risiko für das Entstehen von Herzerkrankungen, Krebs und Typ-2-Diabetes erhöhen, warnt die WHO.

„Eine Verminderung der täglichen Sitzzeiten durch Bewegung reduziert das Sterberisiko erheblich“, sagte Froböse laut Mitteilung. Das Autorenteam betont zudem die Bedeutung von regelmäßigem

Muskeltraining: Das sei auch ein wichtiger Schutzfaktor gegen Pflegebedürftigkeit im Alter. Bislang betreibe knapp die Hälfte der Bundesbürger aber gar kein solches Training.

Auch beim subjektiven psychischen Wohlbefinden deuten die Ergebnisse auf einen beunruhigenden Trend hin: Bei etwa einem Viertel der Bundesbürger seien die Ergebnisse kritisch – so, dass man sie als ersten Hinweis für die Entwicklung einer Depression ansehen könne.

Dabei könne gerade regelmäßige Bewegung mehr Wohlbefinden bringen:

„Wer sich wohl fühlt, bewegt sich mehr beziehungsweise wer sich mehr bewegt, fühlt sich wohler.“

Bewegungsempfehlungen gegen langes Sitzen

Sitzen: Welche tägliche Sitzdauer noch gesundheitsverträglich ist, können Fachleute bisher nicht gesichert sagen. Generell lautet der Rat aber, diese Zeit zu verringern. Je länger man sitze, umso mehr Bewegung sei nötig, um das gesundheitliche Risiko auszugleichen, erklärt Birgit Sperlich von der Universität Würzburg, die die Untersuchung mit Froböse leitete. Sie beruft sich auf eine Studie, derzufolge Menschen, die mehr als acht Stunden am Tag sitzen, ihr gesundheitliches Risiko nur durch 60 bis 75 Minuten mindestens moderat-intensive Bewegung pro Tag ausgleichen konnten.

Bewegung: Jegliche körperliche Aktivität ist besser als keine – und mehr ist besser, wie die WHO betont. Für Gesundheit und Wohlbefinden empfiehlt sie allen Erwachsenen mindestens 150 bis 300 Minuten moderat-intensive Bewegung pro Woche. Sei es bei der Arbeit, im Haushalt, beim Sport oder in der Freizeit. „Moderat-intensive Bewegung entspricht dabei einer Bewegung, die einen ganz leicht ins Schwitzen und etwas schwerer zum Atmen bringt, wie zum Beispiel Spazierengehen“, erklärt Sperlich. Bei intensiverer Bewegung müsse man für den gleichen gesundheitlichen Nutzen weniger Zeit aufbringen.

3 Tipps: Bewegung in den Alltag integrieren

Möglichkeiten, Bewegung und Pausen in den Alltag einzubauen, gibt es viele.

1. Das fängt damit an, am Schreibtisch immer mal die Sitzposition zu verändern. „Der Wechsel ist das Wesentliche“, sagt Thomas Schneider, Orthopäde an der Gelenk-Klinik Gundelfingen. „Man sollte auch zwischendurch mal stehen und rumlaufen und nicht dauerhaft sitzen.“ 
Warum also nicht im Büro aufstehen und zu den Kollegen hinübergehen, statt anzurufen oder zu mailen? Oder beim Telefonieren herumlaufen und die Mittagspause für einen Spaziergang nutzen sowie statt des Aufzugs die Treppe nutzen?

2. Bewegung löst nicht nur starre Sitzpositionen, sondern stärkt auch die Muskeln. Deren regelmäßiges Training könne das Risiko für viele chronische Lebensstil-Erkrankungen verringern. Niedrigschwellig kann es schon die Runde an der frischen Luft nach Feierabend anstelle des Sitzens auf dem Sofa sein. Als Sportart für Vielsitzer empfiehlt Schneider vor allem das Schwimmen oder ein gezieltes Training der oberen und unteren Rückenmuskulatur.
Dazu eine Übung: Ein dehnbares Band vor sich etwas oberhalb des Kopfes befestigen. Mit den Händen die beiden Enden greifen und sie mit parallelen Unterarmen zur Brust ziehen, dabei die Schulterblätter zusammenführen.

3. Auch Stress ist ein Gesundheitskiller, hier gilt: Schon kleine Erholungspausen können helfen. So kommt es bereits auf eine gute Atmung an: Wer sich in stressigen Situationen darauf besinne, ruhiger, langsamer und tiefer zu atmen, lindere Stresssymptome und entspanne sich, empfiehlt der Report.
„Ruhiges Atmen hilft der Psyche und oberen Nackenmuskulatur“, bestätigt Schneider und rät zu dieser Übung, die ruhiges Atmen und Lockern kombiniert und gut in den Alltag integriert werden kann: Für den sogenannten Katzenbuckel begeben Sie sich in den Vierfüßlerstand. Der Kopf hängt locker nach unten, der Rücken wird so rund wie möglich gemacht. Beim Durchdrücken des Rückens in den Buckel einatmen, beim Lockerlassen ins Hohlkreuz ausatmen. Das Ganze mehrmals wiederholen.

Wie die Ergebnisse des DKV-Reports zustande kommen

Die Ergebnisse der Befragung von 2800 Erwachsenen sind laut Angaben repräsentativ. Körperliche Untersuchungen gab es allerdings nicht.

Die Verfasser selbst weisen auf das Risiko hin, dass Befragte am Telefon eher sozial erwünschte Antworten geben könnten. Sie könnten zum Beispiel behaupten, regelmäßiger Gemüse zu essen als sie das in Wahrheit tun. Insofern ist nicht ausgeschlossen, dass der Report sogar noch ein zu positives Bild zeichnet.

Quelle: dpa

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