Tierheilpraxis
DER GANG ÜBER DIE REGENBOGENBRÜCKE
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Viele Patienten habe ich über mehrere Jahre mit meinen Therapien begleitet. Man kann durch einen achtsamen Umgang, eine artgerechte Fütterung und Haltung die Gesundheit erhalten und dem Tier ein möglichst langes Leben bescheren. Doch der Alterungsprozess lässt sich nicht aufhalten und irgendwann ist jedes Leben zu Ende. Der schwerste Weg im gemeinsamen Zusammenleben mit dem Tier ist sicher der Abschied von seinem Seelengefährten. Doch wie damit umgehen? Was tun? Einschläfern oder den „natürlichen“ Sterbeprozess geschehen lassen? Zuhause oder beim Tierarzt? Und überhaupt: Wann ist der richtige Zeitpunkt?
Jeder Abschied ist einzigartig und wird unterschiedlich erlebt, genauso wie einige Menschen besser mit der Trauer nach dem Tod ihres geliebten Tieres umgehen können und andere jahrelang damit zu tun haben. Oftmals spüren die Tiere, wenn ihre Menschen nicht loslassen können und halten ebenfalls fest. Dann kann es wichtig sein, dem Tier zu erlauben, gehen zu dürfen, der Trauer zwar ihren Lauf zu lassen, aber in der wichtigen Phase dem Tier mit klarem Loslassen das Gehen zu erleichtern. Welchen Weg sie auch beschreiben, das Abschiednehmen und diese besondere Zeit darf ebenso durchlebt werden wie der Einzug des Tieres. Man kann ein Abschiedsritual einbauen, zum Beispiel einen Brief an sein Tier schreiben und ihm danken für die gemeinsame Zeit oder man zündet eine Kerze an.
Die letzten gemeinsamen Momente Es kann auch schön für das Tier sein, ihm in Gedanken Bilder von gemeinsamen Erlebnissen zu schicken oder die Lieblingsorte zu besuchen, sodass es in einem „schönen Tagtraum“ hinübergleitet. Trauer zuzulassen ist wichtig, auch wenn man das Tier unterstützt mit dem eigenen Loslassen und In-der-Ruhe-bleiben während des Sterbeprozesses. Dennoch sollte auch die Trauerphase beim Menschen selbst später zugelassen werden dürfen. Das Thema Sterben sollte vielmehr umgewandelt werden von einem Tabuthema hin zur Annahme, dass auch dieser gemeinsam erlebte Weg am Ende ein Geschenk sein kann. Ich bin sehr dankbar dafür, dass ich einige Menschen und ihre geliebten Tiere mitbegleiten darf. Ich habe viel Wärme, Erleichterung und Liebe spüren dürfen, wie schön – und zugleich traurig – dieser intensive Weg der Sterbebegleitung ist.
Wenn ein liebender Tierbesitzer sich bewusst auf diesen Weg mit seinem Tier macht, findet währenddessen, nach meinem Empfinden, schon viel Heilung für die Seele statt. Selbst wenn dies nicht den Schmerz nehmen kann, es hinterlässt kaum offene Fragen. Häufig spüren die Menschen auch noch die Anwesenheit der Tiere um sie herum in der nächsten Zeit nach dem Verlassen des Körpers. Andere Tiere in der Familie wiederum brauchen die Zeit des Abschiednehmens und Trauerns ebenso, haben sie doch auch einen Gefährten verloren und spüren die Trauer des Menschen. Hier könnten bestimmte ätherische Öle den Tieren und Menschen für die Zeit nach dem Abschied helfen.
Sterbebegleitung von Teake Ich begleitete Teake, einen stattlichen Friesenwallach, die letzten sechs Jahre seines Lebens. Als ich ihn das erste Mal behandelte, war er bereits im stolzen Alter von 24 Jahren. Er hatte aufgrund seines Alters ein paar kleinere gesundheitliche Baustellen, die wir durch die ganzheitliche Therapie sehr gut in den Griff bekamen. Ich kam regelmäßig zum Gesundheitscheck und behandelte ihn bei Bedarf. Teake ging es gut und er liebte es mit seiner Besitzerin, die jeden Tag zu ihm kam, durch den Wald zu spazieren. Die beiden hatten eine sehr enge Verbindung. Kurz vor seinem 30. Geburtstag rief mich die Besitzerin an und erzählte mir, dass er auf der Koppel wohl einen Tritt abbekommen hatte und lahmte.
Das Abschiednehmen vom geliebten Gefährten darf ebenso durchlebt werden wie der Einzug des Tieres.
Ich machte mich sofort auf den Weg zu ihm. Sein rechtes Bein war unterhalb des Karpalgelenkes angeschwollen. Ich behandelte ihn mit dem Laser und zusätzlich homöopathisch. Nach drei Tagen ging die Schwellung zurück, doch er lief noch nicht lahmfrei. Ich riet dazu, das Bein röntgen zu lassen. Der Befund war niederschmetternd. Das Röntgenbild zeigte einen Haarriss am Knochen. Teake bekam ein Mineralfutter, das den Knochenaufbau unterstützen sollte. Ich behandelte ihn mit Laserfrequenzen, die speziell bei Knochenbrüchen eingesetzt werden. Doch der Heilungsprozess war nicht zufriedenstellend. Teake hatte Schmerzen. Es musste eine Entscheidung zum Wohle des Tieres getroffen werden.
Ein schwerer Entschluss Nach 26 gemeinsamen Jahren wollte die Besitzerin nicht, dass ihr Pferd leiden musste. Gemeinsam mit der Tierärztin besprachen wir den Termin seiner letzten Reise. Wir kontaktierten einen Tierbestatter, der Teake abholen konnte. Es war ein Sonntagabend, niemand war mehr im Stall. Ich hatte auf der Koppel alles vorbereitet. Kerzen, Rosen und ein weißes Laken. Ich verwendete für Teake und die Besitzerin Weihrauchöl, um den beiden den Abschied zu erleichtern. Wir gingen gemeinsam mit ihm auf die Koppel und ließen ihn grasen. Ich zündete die Kerzen an, Weihrauchduft lag in der Luft. Es erfordert sehr viel Mut und Kraft sein Seelenpferd auf die letzte Reise zu schicken. Die Besitzerin war sehr gefasst und tapfer. Sie sprach ganz ruhig mit ihm und streichelte ihn liebevoll.
Es war ein trauriger, aber auch ein sehr ergreifender Moment. Sie nahm meine Hand, legte ihre andere Hand auf die Stirn ihres geliebten Pferdes und bedankte sich für die gemeinsame wundervolle Zeit mit ihm. Sie sagte ihm, dass jetzt eine Zeit für ihn auf der immergrünen Wiese beginnt und er keine Schmerzen mehr haben muss. Er schnaubte ab und war ganz entspannt. Die Tierärztin kam und legte den Zugang für die Narkose. Der sanfte Riese wurde müde. Er sank langsam zu Boden, nach der zweiten Spritze schlief er friedlich für immer ein, sein Herz hörte auf zu schlagen. Er war von seinen Schmerzen erlöst. Wir deckten seinen Körper mit dem Laken ab, sodass nur sein Kopf noch sichtbar war. Die Besitzerin schmückte ihn mit Rosen und wir setzten uns zu ihm. Ich verabschiedete mich auch von ihm und bedankte mich, dass ich ihn die letzten Jahre begleiten durfte.
Es war ganz still um uns herum, die Besitzerin konnte jetzt um ihr geliebtes Pferd weinen. Ich ließ die beiden kurz alleine und holte seine beste Freundin aus dem Stall, um auch ihr die Möglichkeit zu geben, sich von ihm zu verabschieden. Die Stute lief zu ihm, stupste ihn mit den Nüstern sanft an, doch er reagierte nicht. Sie begann mit den Hufen zu scharren, sie war aufgeregt. Ich streichelte sie und sprach mit ihr. Auch sie behandelte ich mit Weihrauchöl. Nach einigen Minuten wurde sie ruhig. Was dann geschah war herzergreifend. Sie legte sich ganz nah neben ihren toten Freund. Ich setzte mich auch dazu. So saßen die Besitzerin von Teake und ich bei den beiden Pferden. Es war mittlerweile schon dunkel geworden und die Sterne leuchteten am Himmel. Auch wenn Tiere über die Regenbogenbrücke gegangen sind – in unseren Herzen bleiben sie für immer.
Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 09/2021 ab Seite 128.
Elvi Scheffler, PTA und Tierheilpraktikerin