Krummes Gemüse: Karotten, rote Beete, Pastinake© ALEKSEI BEZRUKOV / iStock / Getty Images Plus
Krumme Dinger: Auch Gemüse kann unvollkommen sein.

Depressionen

FLEISCHLOSE ERNÄHRUNG BEEINFLUSST STIMMUNG

Vegetarier sind depressiver als Fleischesser – zu diesem Schluss kommt eine Studie des Wittener Professors Johannes Michalak, der bekannte: „Das war jetzt nicht mein Lieblingsergebnis.“ Denn der Psychologe ist selbst Vegetarier.

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Aber von vorn. Der Wissenschaftler fand zwei Studien, die seine Kreativität beflügelten: Zum einen jene der Binghampton Universität, die besagte, dass Ernährung unsere Gehirnfunktionen und somit auch die Stimmung beeinflussen kann. Dasselbe Forscherteam fand in einer zweiten Untersuchung heraus, dass Frauen von diesem Effekt stärker betroffen seien als Männer.

Die fleischlose Ernährung ist ein Trend in Deutschland: Aktuell leben 7,5 Millionen Deutsche vegetarisch. Ein Jahr zuvor waren es noch eine Million weniger. Und das Statistische Bundesamt attestierte, dass die Fleischproduktion 2021 wieder einmal um 2,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahr gesunken sei; diesem Trend folgt die Kurve bereits seit 2017.

Impuls durch Datenerhebung des RKI

Angesichts der wachsenden Zahl an Nicht-Fleischessern ist das Ergebnis von Michalaks Studie ziemlich überraschend. Denn der Psychologe fand heraus, dass eine vegetarische Lebensweise in Zusammenhang mit psychischen Erkrankungen stehen könnte.

Impulsgebend waren dabei zwei Umfragen des Robert-Koch-Institutes (RKI): Eine befasste sich mit der Ernährung der deutschen Bevölkerung, die andere untersuchte deren psychische Gesundheit. Die Daten wurden unabhängig voneinander erhoben. Im Vergleich zu anderen Studien hatten man also eine methodisch hochwertige Stichprobe für die geplante Untersuchung.

Vegetarier und Nicht-Vegetarier unterscheiden sich aber nicht nur in ihrer Ernährungsweise, sondern auch durch andere Faktoren, die eine psychische Störung begünstigen können: Beispielsweise leben mehr Frauen vegetarisch. Sie haben aber auch ein höheres Risiko, Depressionen zu entwickeln.

Ein weiteres Absicherungsventil der Studie: Bezüglich soziodemokratischer Merkmale (zum Beispiel Geschlechterverteilung) wählte man eine vergleichbare Personengruppe von Nicht-Vegetariern als Gegengruppe aus. Dabei berücksichtigte das Forscherteam depressive Störungen, Angststörungen und somatoforme Störungen.

Und tatsächlich: Aus der Analyse geht hervor, dass Vegetarier tatsächlich häufiger an einer psychischen Erkrankung leiden. Michalak weist aber auch darauf hin, wie schwierig die tatsächliche Verbindung zwischen Vegetarismus und psychischen Erkrankungen nachzuweisen ist. Die Ernährung ist nämlich nur ein Aspekt von vielen, der für die Entwicklung von psychischen Störungen verantwortlich sein kann. In erster Linie gibt es dabei die drei großen Faktoren: Biologie, Psychologie und das Sozialleben.

Wer Unterstützung bekommt, im Job geschätzt wird und sozial gut vernetzt ist, wird nicht so oft psychisch krank

„Unter die biologischen Einflüsse fällt beispielsweise die Genetik“, erklärt Michalak. „Auch, ob es bei der eigenen Geburt zu Komplikationen kam, wie viel man sich bewegt und eben auch die Ernährung fallen unter die Biologie.“ Auch spiele es eine Rolle, wie ein Individuum mit Stress umgeht oder wie seine Beziehungen aussehen. Eine höhere Vulnerabilität gegenüber Stress vermindere die Chance, psychisch zu erkranken. Ebenso könne das Sozialleben beeinflussen, ob sich eine Depression, Angststörung oder eine andere Erkrankung dieser Art ausbildet.

Und doch hat der Wissenschaftler eine Erklärung dafür, warum die Vegetarier laut seiner Studie eher zu Depressionen neigen: „Bei den meisten Befragten war es so, dass sie zuerst an einer psychischen Erkrankung litten und dann mit der vegetarischen Ernährung begonnen haben.“ Daraus folge schon einmal, dass man die vegetarische Ernährung nicht als die Ursache für eine Depression interpretieren kann.

Bei einer vegetarischen Ernährung kann es sein, dass dem Körper nicht mehr alle Nährstoffe zur Verfügung stehen. Beispielsweise kommen Omega-3-Fettsäuren oder das Vitamin B12 dabei häufig zu kurz, was sich auf die Stimmung niederschlagen könnte.

Eine weitere Möglichkeit ist, dass Menschen, die ohnehin eher perfektionistisch und neurotisch veranlagt sind, eher eine vegetarische Lebensweise wählen. Diese Eigenschaften begünstigen aber ebenfalls eine psychische Erkrankung.

Fleischverzicht als Folge psychischer Erkrankungen

Doch auch andersherum wird ein Schuh daraus: Vegetarismus kann auch die Folge einer psychischen Erkrankung sein. Die Angst vor Medikamenten in Lebensmitteln kann zum bewussten Verzicht auf Fleisch führen. Dass Vegetarier noch immer einem gewissen Erklärungsdruck gegenüber Nicht-Vegetariern ausgesetzt sind, kann psychisch belasten.

Trotz alledem hält Michalak eine vegetarische Ernährung für Menschen mit einer psychischen Störung für unbedenklich. „Ich möchte keine generelle Empfehlung aussprechen. Für den einen Körper ist viel Obst gut, für den anderen nicht. Man könnte aber auch einfach mal ausprobieren, wie es dem eigenen Körper mit der vegetarischen Ernährung geht.“

Quelle: National Geographic

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