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DIE GESCHICHTE DER ZAHNPASTA
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Ein Hai hat solche Probleme nicht: Bricht ihm ein Zahn ab, wächst der einfach wieder nach – und zwar lebenslang. Für diese Fälle verfügen Haie sogar über sogenannte Revolvergebisse: fällt einer weg, steht der nächste schon parat.
Wir Menschen müssen die 32 Zähne, die uns nach dem Milchgebiss gewachsen sind, jedoch akribisch pflegen, damit sie ja nicht ausfallen, porös werden oder schmerzhaft abfaulen. Und dazu hat sich Homo sapiens einiges einfallen lassen.
Schon der Neandertaler pflegte seine Zähne
Die ersten historischen Funde gibt es von den Neandertalern. Die benutzten vor 130 000 Jahren immerhin schon Zahnstocher aus Knochen oder Holz. Und sie waren in der Lage, Zahnschmerzen zu behandeln: Dazu schabten sie die Karies mit Werkzeugen aus und sie nutzten salicylsäurehaltiges Pappelholz.
Vor 5000 Jahren zweckentfremdeten dann Ägypter und Inder die Zweige von Salvadora persica – auch Zahnbürstenbaum genannt –, kauten darauf herum, bis sie sich aufspalteten und reinigten so ihre Zähne. Was sie nicht wussten: Im Holz des Baumes ist Fluorid enthalten, außerdem hat es antimikrobielle, betäubende und antientzündliche Eigenschaften – ein Volltreffer. Im Land der Pyramiden war es außerdem Usus, dass man morgens und abends die Zähne mit Natron spülte und mit einem Pulver pflegte.
Mehr zu Zähnen und Zahnpflege finden Sie hier:
Holzkohlepulver aus der Apotheke
Die alten Römer kannten so etwas nicht. Sie benutzen in ihrem „Dentifricium“ („Mittel zum Abreiben der Zähne“) pulverisierte und zu Asche verbrannte Knochen, Horn oder Muschelschalen, Bimsmehl oder Natron, manchmal auch zerriebenes Salz.
Das Zahnpulver des 19. Jahrhunderts funktionierte auch nicht viel anders, zum Abrieb enthielt es nämlich Marmorpulver oder Ziegelmehl, Magnesiumcarbonat, pulverisierte Eier-, Sepia- oder Austernschalen oder auch Holzkohlenpulver. Solche Pulver wurden bereits von Apothekern gemixt und in Papiertütchen oder Dosen verkauft. Man steckte einfach einen nassen Finger hinein, oder ein Holzstäbchen oder Schwämmchen – und rieb sich dann damit die Zähne ab.
In der altindischen Medizin nutzte man eine Paste aus Salz, Ingwer, Zimt, Muskatnuss und Honig zum Zähneputzen.
Um 1500 erfanden die Chinesen die Zahnbürste, und zwar aus dem Haarkleid des wilden Schweines. Ganze 300 Jahre dauerte es, bis das Utensil aus Knochen und brettharten Borsten den Weg zu uns fand. Es war mehr schädlich als nützlich, da es das Zahnfleisch regelrecht durchlöcherte.
Borsten aus Pferdehaar – das innen hohl ist – waren danach auch eher kontraproduktiv, da sich in ihnen Zucker sammeln konnte, der seinen zerstörerischen Weg in den Zahnschmelz fand. 1780 brachte der Engländer William Addis dann die ersten professionellen Zahnbürsten aus Kuhknochen und -borsten auf den Markt.
Karius und Baktus lösten den Zahnwurm ab
Karies war lange Zeit völlig unbekannt, man beschuldigte den „Zahnwurm“, den Zahn von innen heraus aufzufressen. Der Volksglaube hielt sich immerhin bis ins 20. Jahrhundert. Spätestens als in den 50er Jahren die ersten Zahnbürsten mit (weicheren) Nylonborsten auf den Markt kamen, verschwand zwar nicht die Karies, aber der Zahnwurm spurlos. Der norwegische Puppenfilm zu Karius und Baktus, der auch hierzulande Kinder ans Zähneputzen erinnern soll, erschien 1954.
Vom Pulver über den Block zur Paste
Ab 1824 setzte man dem Zahnpulver Seifenpulver bei. Da das leicht verklumpte, gab es das Ganze als „Zahnblock“, auf dem man die angefeuchtete Zahnbürste so lange hin und her schrubbte, bis sich Schaum bildete. Aus verständlichen Gründen enthielt das Konglomerat Geschmacksverbesserer wie Pfefferminzöl, Salbei und Menthol, jedoch auch Zucker und Honig. Auch mit Cocain und Salicylsäure war man großzügig. Durch Zugabe von Karminrot hatte man gleichzeitig schöne rote Lippen.
1850 erfand der amerikanische Zahnarzt Washington Sheffield die erste Zahnpasta der Welt – indem er einfach Glycerin hinzugab. Ein Problem dieser richtig guten Geschäftsidee war allerdings die Aufbewahrung. Gab man die Paste in die üblichen Blechoder Keramikdosen, trocknete sie ganz schnell ein. Auch die üblichen Stannioltüten waren da nicht besonders hilfreich. Zum Glück schickte Washington seinen Sohn Lucius zum Studieren nach Paris.
Dort beobachtete er, wahrscheinlich am Montmartre, die unter freiem Himmel arbeitenden Kunstmaler, die ihre Farbpaste aus Metalltuben drückten – und übertrug diese Verpackungsform glücklicherweise auf „Dr Sheffield‘s Creme Dentifrice“. Die ganze Familie Sheffield wurde danach steinreich.
Und was ist heutzutage in Zahnpasta drin?
Handelsübliche Zahncreme besteht aus:
+ Putzkörpern wie Silikatverbindungen oder Schlämmkreide, die Plaque mechanisch von den Zähnen entfernen.
+ Schaumbildenden Tensiden, die die Oberflächenspannung herabsetzen und so die Benetzung der Zahnoberfläche erleichtern.
+ Feuchthaltemitteln wie Glycerin und Bindemitteln wie Tragant, damit die Zahnpaste nicht austrocknet.
+ Pfefferminzöl für den guten Geschmack.
Zur Hemmung des Zahnbelags werden einige Pasten mit dem Antiseptikum Chlorhexidin versetzt, das allerdings bei Langzeitgebrauch für eine Gelbfärbung der Zähne sorgt. Deshalb ist für die Daueranwendung das antibakterielle, viruzide und fungizide Triclosan besser geeignet. Wegen der Gefahr der Resistenzbildung empfiehlt das Bundesinstitut für Risikobewertung allerdings, dessen Einsatz auf das notwendige Maß zu beschränken.
Die Entdeckung von Karies veränderte auch die Zusammensetzung der Paste 1890 entdeckte Willoughby Miller, dass Bakterien im Mund Kohlenhydrate zu Säuren abbauen, was ihm zunächst keiner glaubte. Die erste Zahnpasta mit Desinfizienzien erschien.
In Deutschland kam erstmals der Apotheker Ottomar Heinsius von Mayenburg in Sachsen 1907 auf die Idee, moderne Zahnpasta herzustellen. Dank geschickten Marketings und modernen Designs der Tuben verkaufte er das Ganze als „Weltneuheit“. Mayenburg ist es zu verdanken, dass die Zahngesundheit ins Bewusstsein der Konsumenten rückte.
Zögerlich waren dann die Versuche mit Fluorid als Kariesprophylaxe. Da die Menschen am Alten hingen, verlor das gute alte Zahnpulver erst um 1920 an Marktmacht. Als sich nach dem Zweiten Weltkrieg amerikanische Studien durchsetzten, nach denen Fluorid dem Zahnschmelz dienlich war, kamen auch die ersten Zahncremes mit Zusatz auf den Markt.
Fakten zu Zahnpaste in Deutschland
18 Euro gibt jeder Deutsche durchschnittlich jährlich für seine Zahnpflege aus. Knapp sechs Tuben Zahnpasta verbraucht er dabei, (nur) dreieinhalb Zahnbürsten und immerhin zehn Meter Zahnseide.
Der Bundeszahnärztekammer ist das zwar immer noch zu wenig, doch man gibt zu, dass sich die deutsche Mundgesundheit in den letzten Jahrzehnten eklatant verbessert hat.