Diabetes Life
ANGENEHME SÜSSE
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Menschen mit Diabetes müssen auf süße Leckereien wie Plätzchen und Kuchen nicht verzichten. Dennoch ist es sinnvoll, wenn sie wissen, was jeweils im Naschwerk an Zucker, Kalorien, Fett und Kohlenhydraten steckt. Denn Kekse, Kuchen und Lebkuchen haben aufgrund ihrer Zutaten Einfluss auf den Blutzuckerspiegel. Mittlerweile gibt es fertige, zuckerfreie Produkte. Doch „zuckerfrei“ heißt nicht automatisch auch frei von Kalorien oder dass das Produkt sich nicht auf den Blutzuckerspiegel auswirkt.
Auf Nummer sicher gehen Die Wahrheit übers Produkt steht nicht in großen Lettern prägnant auf der Verpackungsvorderseite, sondern im Kleingedruckten, sprich der Zutatenliste und Nährwertanalyse. Um diese genau entschlüsseln zu können, ist manchmal eine Lupe nötig. In der Zutatenliste sind alle Bestandteile nach ihrer jeweiligen Menge in absteigender Folge gelistet. Findet sich dort zum Beispiel an zweiter oder dritter Stelle Zucker oder eines seiner Synonyme, erklärt dies, dass der Löwenanteil des Produktes tatsächlich aus purem Zucker besteht.
Für Diabetiker heißt das: viele Kohlenhydrate und ein schneller Blutzuckeranstieg. In der Nährwertanalyse finden sich neben dem Energiegehalt auch die Angaben, wie viel Zucker, Kohlenhydrate, Fett und Eiweiß in 100 Gramm enthalten sind. Allerdings muss diese Menge noch in die verzehrte Portionsmenge umgerechnet werden. Die findet man, je nach Produkt, neben der 100-Gramm-Angabe – zum Beispiel für ein Stück, etwa einen Dominostein, oder eine Standardportion, wie zwei Spekulatius. Das erleichtert die Diabetes-Berechnung.
Eingedampft
Auch bei Diabetes sind kleine Mengen Zucker zum Backen möglich. Für jedes Rezept ist es wichtig, die blutzuckerwirksamen Kohlenhydrate (BE oder KE) mit Hilfe einer Kohlenhydrataustauschtabelle zu berechnen. Honig, Kokosblütenzucker, Dicksaft oder Sirup liefern Kalorien und Kohlenhydrate, so wie Zucker. Kalorienfreie Süßungsmittel sind zum Beispiel Erythrit, Stevia oder klassische Süßstoffe in flüssiger, Tabletten- oder granulierter Form. Im Vergleich zu anderen Zuckeraustauschstoffen haben Stevia und Süßstoffe wie Saccharin, Cyclamat und Aspartam keine blähende und abführende Wirkung.
Wie wird ein herkömmliches Plätzchenrezept berechnet? Ganz gleich, ob Plätzchen selbst gebacken werden oder ein gekauftes Produkt zur Wahl steht: Der jeweilige Kohlenhydratgehalt (Broteinheit BE oder Kohlenhydrateinheit KE) ist für das Diabetes-Management bei Insulinpflicht nötig. Mit Hilfe einer Kohlenhydrat-Austauschtabelle zur Berechnung der BE oder KE ist dies einfach machbar. Zu den Kohlenhydrat-anrechnungspflichtigen Lebensmitteln gehören alle pflanzlichen (außer kohlenhydratarmes Gemüse und kleine Mengen an Nüssen), Milch- und Milchprodukte (außer Quark und Sahne) sowie eine Reihe an Fertigprodukten wie Kuchen, Paniertes oder zahlreiche Fertiggerichte.
Wie lässt sich nun ein Rezept für Plätzchen, beispielsweise Spritzgebäck, berechnen? In den Teig kommen Butter, Zucker, Ei, Milch, Mehl, Stärke und Zartbitterschokolade. Außer der Butter und dem Ei enthalten alle Zutaten Kohlenhydrate. 200 Gramm Mehl sind angegeben. Mit Hilfe der KH-Tabelle lässt sich jedes der Kohlenhydrat-anrechnungspflichtigen Lebensmittel ausrechnen. So liefern 17 Gramm Mehl eine BE und 14 Gramm eine KE. In den Teig kommen 200 Gramm. Gerechnet wird: 200 Gramm dividiert durch 17 (BE) oder 14 (KE) und ergibt 11,7 BE oder 20 KE. Mit allen weiteren anrechnungspflichtigen Lebensmitteln verfährt man ebenso. Am Ende addiert man alle BE- oder KE-Werte und dividiert sie durch die Anzahl der Plätzchen, die das Rezept ergibt. So lässt sich jedes Rezept individuell ausrechnen.
Praxistipps
+ Stevia allein hat häufig einen metallischen Nachgeschmack. In Kombination mit Erythrit oder kleinen Mengen Zucker ist er weniger dominant.
+ Stevia harmoniert wunderbar mit Anis, Lebkuchen- oder Spekulatiusgewürz und Zimt.
+ Erythrit gibt es als Granulat wie Zucker, als sogenannte Bronze alternativ zu braunem Zucker und fein gemahlen in Puderform.
+ Erythrit hat einen leicht kühlen Nachgeschmack. Dieser verschwindet, wenn er mit wenig Zucker oder Süßstoff gemischt in den Teig kommt.
+ Süßstoffe und Zuckeraustauschstoffe sind nicht identisch. Süßstoffe sind energiefrei. Fruchtzucker oder Sorbit, die zu den Zuckeraustauschstoffen gehören, nicht.
Zuckeralternativen, die sich nur bedingt eignen Wird Zucker beispielsweise gegen Honig, Birnen-, Agaven- oder Apfeldicksaft getauscht, enthält er trotzdem blutzuckerwirksame Kohlenhydrate. Auch ein hoher Anteil an Trockenfrüchten macht es zwar möglich Zucker zu sparen, hat aber dank des enthaltenen Fruchtzuckers trotzdem Kohlenhydrate. Rezepte mit Datteln liegen, insbesondere in der Food-Blogger Szene, hoch im Kurs. Sie werden als zuckerfrei angepriesen, was sie jedoch nicht sind. Ähnlich verhält es sich mit Kokosblütenzucker.
Dessen Kohlenhydratgehalt ist zwar etwas niedriger als der von herkömmlichem weißen Zucker, er wirkt sich dennoch auf den Blutzuckerspiegel aus. Wer auf Nummer Sicher gehen möchte, backt am besten selbst. So lässt sich genau festlegen, ob, welcher und wie viel Zucker in den Teig kommen. Wer mit Honig, Agavendicksaft und Co. kocht und backt, sollte die Süßungsmittel im Hinblick auf ihre Blutzuckerwirksamkeit, den Kohlenhydrat- und Kaloriengehalt unbedingt berücksichtigen.
Zucker, Süßstoffe und Zuckerersatz in der Plätzchenbäckerei Statt mit Zucker, Datteln oder Kokosblütenzucker bieten sich verschiedene Alternativen zur leckeren Plätzchenbäckerei für Menschen mit Diabetes an. Diese lassen sich in drei Gruppen einteilen:
Kalorienfrei, ohne Auswirkungen auf den Blutzucker:
- Erythrit E 968
- Aspartam 951 – verliert bei längerer Backzeit seine Süßkraft, für Plätzchen möglich
- Saccharin E 954 & Cyclamat E 952 – beispielsweise als Tablette, Streu- und Flüssigsüße
- Sucralose E 955
- Steviolglykoside „Stevia“ E 960
Kalorienhaltig, mäßige Auswirkung auf den Blutzucker:
- Agavendicksaft
- Birkenzucker
- Xylit E 967
- Sorbit E 420
- Fruchtzucker
Höchste Energiedichte und direkte Auswirkung auf den Blutzucker:
- Ahornsirup
- Kokosblütenzucker
- Haushaltszucker (Saccharose)
- Brauner Zucker
- Honig
Diesen Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 11/2021 ab Seite 52.
Kirsten Metternich von Wolff, freie Journalistin