Darm und Darmhirn
PTA-Fortbildung

Signale aus dem Bauch

In China gilt der Darm schon seit jeher als Sitz der Seele. Bei uns wird die Rolle des Bauchhirns erst seit kurzer Zeit intensiv beforscht und wir sind noch dabei zu lernen, die Signale zu verstehen.

20 Minuten

Veröffentlichung der Teilnahmebescheinigung:
01. Mai 2021

Evidenzbasierte Therapieoption Eine Indikation, bei der sich Probiotika bereits bewährt haben und daher sogar als Therapieempfehlung in die Leitlinie mit aufgenommen wurden, ist das Reizdarmsyndrom. Es zeichnet sich durch chronische Bauchbeschwerden aus, die sich in ihrer Symptomatik sehr unterschiedlich darstellen und auch individuell wechseln können. Typisch ist ein Symptomkomplex aus Bauchkrämpfen, Blähungen, Durchfall und/oder Verstopfung.

Zudem können sich auch systemische Beschwerden (Allergien, Kopfschmerzen, neurologische oder psychische Erscheinungen) einstellen. Meist treten die Symptome besonders intensiv nach der Nahrungsaufnahme auf und viele verspüren eine Verstärkung bei Stress oder psychischer Anspannung. Nachts sind die meisten Betroffenen beschwerdefrei. Obwohl die Lebenserwartung nicht eingeschränkt wird, empfinden die Betroffenen einen hohen Leidensdruck und fühlen sich in ihrer Lebensqualität stark beeinträchtigt.

Bei der Entwicklung von Autoimmunkrankheiten wird neben der Zusammensetzung des Darmmikrobioms auch eine Verbindung zum darmassoziierten Immunsystem hergestellt.

So unterschiedlich wie die Symptome sind auch die Ursachen. Obwohl die genauen Auslöser eines Reizdarmsyndroms bisher nicht in allen Einzelheiten geklärt sind, geht man von einer multifaktorellen Genese aus. Voraussetzung für die Diagnosestellung ist, dass sich ursächlich kein organisches Korrelat finden lässt. Diskutiert werden eine ungünstige Ernährung, Stress, Suchtmittel, Medikamente, genetische Faktoren, Umwelteinflüsse oder Unverträglichkeiten, die Einfluss auf die Darmbarriere nehmen und Störungen der Durchlässigkeit der Darmwand (Leaky Gut) und der mukosalen Immunabwehr verursachen können.

Zudem scheinen Störungen im darmeigenen Nervensystem vorzuliegen, die zu fehlerhaften Bewegungsabläufen und zu einer erhöhten Schmerzempfindlichkeit im Darm führen. Zugleich gibt es Hinweise darauf, dass einige Reizdarmpatienten im Vergleich zu gesunden Menschen eine Veränderung im Mikrobiom aufweisen. Da sich der Einsatz lebender Mikroorganismen auf das gestörte Mikrobiom positiv auswirken und zur Symptomlinderung beitragen kann, wurden ausgewählte Probiotika als evidenzbasierte Therapieoption in die Leitlinie zur Behandlung des Reizdarmsyndroms mit aufgenommen. Dabei wird geraten, die Wahl des Stammes auf die entsprechende Symptomatik abzustimmen.

Unter den Empfehlungen finden sich verschiedene Stämme von Bifidobakterien, Laktobazillen und E. coli sowie die Hefe Saccharomyces cerevisiae (Synonym Saccharomyces boulardii). Sie werden alle in der Leitlinie in Form einer Übersichtstabelle aufgelistet, die Angaben zu ihrer Wirksamkeit bei den einzelnen Reizdarm-Symptomen (Schmerzen, Blähungen, Obstipation, Diarrhoe) macht. Die meisten der aufgelisteten Stämme liegen in Mono-Präparaten vor, andere sind in Multi-Spezies-Präparaten verfügbar. Zudem führt die Leitlinie auch randomisierte kontrollierte Studien zu verschiedenen namentlich genannten Stämmen auf. Näheres ist in der kürzlich aktualisierten Fassung der S3-Leitlinie Reizdarmsyndrom der Deutschen Gesellschaft für Neurogastroenterologie und Motilität e.V. (DGVS) nachzulesen, die demnächst veröffentlicht wird.

Anwendung der Probiotika Gemeinsam ist allen probiotischen Zubereitungen, dass die zugeführten Keime so hoch dosiert sind und galenisch so verpackt wurden, dass sie die Passage durch den Magen und Dünndarm unversehrt überleben, damit sie sich anschließend unbeschadet durch Magen- und Verdauungssäfte in ausreichender Menge und in aktiver Form im Dickdarm ansiedeln können. Ganz unterschiedlich sind die Darreichungsformen. Am häufigsten sind Kapseln und Pulver, aber auch Tabletten und Trinkampullen sind im Handel. Meist liegen die Mikroorganismen darin gefriergetrocknet vor. Um ihr Überleben zu gewährleisten, müssen einige Präparate im Kühlschrank gelagert werden.

Die Kapseln erfordern eine Einnahme mit ausreichend Wasser, die Pulver werden zuvor in Wasser eingerührt. Durch den Kontakt mit Wasser werden die Mikroorganismen wieder aktiv und können sich im Darm vermehren. Bei der Anwendung von Pulvern ist in den meisten Fällen zu beachten, dass nach ihrem Einrühren noch mindestens eine Minute Aktivierungszeit abgewartet werden muss, bevor sie nach nochmaligem Umrühren getrunken werden können. Eine gleichzeitige Einnahme mit heißen Speisen ist zu vermeiden, da viele Mikroorganismen die hohen Temperaturen nicht überleben. Um die Überlebensrate bei der Magenpassage zu erhöhen, wird häufig die Einnahme auf nüchternen Magen oder mindestens eine halbe Stunde vor der Mahlzeit empfohlen, weil dann der Transport in den Darm schneller erfolgt.

Andere raten, Probiotika zu den Mahlzeiten zunehmen, da mit dem Essen der pH-Wert im Magen ansteigt, was ein Überleben der Mikroorganismen wahrscheinlicher macht. Sollen mit Probiotika Antibiotika-assoziierte Nebenwirkungen vermieden werden, ist eine zeitversetzte Einnahme zu empfehlen. Das bedeutet, dass eine begleitende Probiotikagabe während der Antibiotikatherapie erfolgt, hierbei aber ein zwei- bis dreistündiger Einnahmeabstand zum Antibiotikum eingehalten werden muss. Die Einnahme der Probiotika sollte dann noch circa vier Wochen fortgesetzt werden, um die Regeneration des physiologischen Mikrobioms und des darmassoziierten Immunsystems zu fördern.

PSYCHOBIOTIKA

Patienten mit einer Autismus-Spektrum-Störung weisen oft eine intestinale Dysbiose auf und leiden auch überproportional häufig unter gastrointestinalen Beschwerden. Man nimmt an, dass eine veränderte Zusammensetzung des intestinalen Mikrobioms zu einer Verschlechterung der Kommunikation zwischen Darm und Hirn führt und so die neuropsychologische Erkrankung begünstigt wird. Neben den bereits weit verbreiteten Probiotika, die einen positiven Effekt auf das intestinale Mikrobiom haben können, rücken seit kurzem Psychobiotika immer stärker in den Fokus. Sie gelten als lebende Organismen, die bei adäquater Aufnahme einen positiven gesundheitlichen Effekt für Patienten mit psychiatrischen Erkrankungen aufweisen.

Beispielsweise ist Lactobacillus plantarum PS128 ein Psychobiotikum, das laut aktueller Studiendaten das Verhalten von Menschen mit Autismus positiv beeinflussen kann. In einer randomisierten, placebo-kontrollierten Doppelblindstudie wurden 71 autistische Jungen im Alter von 7 bis 15 Jahren vier Wochen lang mit 3 x 1010 koloniebildenden Einheiten PS 128 vs. Placebo behandelt. Ziel der Studie war ein Vergleich der Autismus-Symptomatik nach vier Wochen gegenüber Studienstart. Die Ergebnisse zeigten statistisch signifikante Verbesserungen in der PS128-Gruppe für einige Autismus-Kernsymptome. Unter anderem verbesserten sich das Sozialverhalten, Ängstlichkeit sowie Widerstand und Trotzverhalten. Vor allem bei jüngeren Kindern (7 bis 12 Jahre) waren die Effekte ausgeprägt.

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