Phytotherapie
PTA-Fortbildung

Phytotherapie: pflanzliche Arzneimittel

Pflanzliche Arzneimittel und Medizinprodukte sind bei den Apothekenkunden sehr beliebt. Zeigen Sie Ihre Beratungskompetenz, indem Sie wirksame und sichere Präparate empfehlen. Am besten raten Sie zu evidenzbasierten Phytopharmaka.

19 Minuten

Erleichterte Zulassungsbedingungen

Für pflanzliche Arzneimittel gelten prinzipiell dieselben gesetzlichen Regelungen und Qualitätsstandards des Arzneimittelgesetzes (AMG), wie sie auch für chemisch-synthetische Arzneimittel verbindlich sind. Damit stellt das Arzneimittelrecht an Phytopharmaka prinzipiell die gleich hohen Anforderungen als Voraussetzung für ihre Verkehrsfähigkeit, wie sie für Arzneimittel mit chemisch-synthetischen Wirkstoffen gelten. Die pharmazeutischen Unternehmen müssen somit immer Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit pflanzlicher Arzneimittel sicherstellen.

Als Arzneimittel einer besonderen Therapierichtung darf das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) Phytopharmaka aber – anders als Arzneimittel mit chemisch-synthetischen Wirkstoffen – auf dreierlei Weise zulassen. Dementsprechend müssen beim Zulassungsprozedere nicht immer eigene präklinische und klinische Studien vorgelegt werden. Vielmehr gelten erleichterte Bedingungen, bei denen auch entsprechendes bibliografisches Material akzeptiert wird.

Zugelassen oder registriert?

Prinzipiell können Phytopharmaka heute auf drei unterschiedlichen Wegen zugelassen werden:

  • mittels Vollantrag,
  • aufgrund eines well-established use
  • oder eines traditional use.
  1. Die wenigsten pflanzlichen Arzneimittel erhalten eine Zulassung nach einem Vollantrag, der ein vollständiges Dossier mit eigenen präklinischen und klinischen Studien zur Wirksamkeit und Unbedenklichkeit beinhaltet.
  2. Die meisten werden auf Basis ihrer allgemein anerkannten medizinischen Verwendung, das heißt unter Bezug eines well-established use (wörtlich „gut etablierte Anwendung“) zugelassen. Hierbei wird auf die Vorlage von eigenen präklinischen und klinischen Studien verzichtet. Dafür wird anderes bereits veröffentlichtes wissenschaftliches Erkenntnismaterial vorgelegt. Es umfasst die Dokumentation der Wirksamkeit sowie Unbedenklichkeit einschließlich des pharmakologischen Wirkprofils und der Pharmakodynamik, der Toxikologie und soweit möglich Daten zur Pharmakokinetik.
    Eine weitere Voraussetzung für die Zulassung aufgrund well-established use ist der Nachweis, dass sich die Wirkstoffe des Arzneimittels seit mindestens zehn Jahren in der Europäischen Union (EU) medizinisch bewährt haben. Phytopharmaka mit einem Well-established-use-Status tragen auf ihrer Arzneimittelpackung eine Zulassungsnummer (Zul.-Nr.). Damit lassen sie sich allerdings nicht von den pflanzlichen Arzneimitteln mit einer Vollzulassung unterscheiden, die ebenso eine Zul.-Nr. erhalten.
  3. Zudem besteht die Möglichkeit einer Registrierung aufgrund einer langjährigen traditionellen Anwendung über den traditional use. Bei diesem Traditionsbeleg muss die Wirksamkeit lediglich plausibel sein, was durch Vorlage von Monografien, medizinischen Handbüchern oder Behandlungsberichten dokumentiert werden kann.
    Die medizinische Verwendung des Arzneimittels muss darüber hinaus seit über 30 Jahren ohne Zwischenfälle (davon mindestens 15 Jahre in der EU) belegbar sein. Zudem kann die Registrierung nur für Indikationen im Bereich relativ geringfügiger Gesundheitsstörungen beantragt werden, die keiner ärztlichen Aufsicht (Diagnose, Verschreibung, Überwachung) bedürfen. Sie müssen vielmehr der Selbstmedikation zugänglich sein und dürfen laut AMG nur zur Stärkung oder Kräftigung, zur Besserung des Befindens, zur Unterstützung der Organfunktion, zur Vorbeugung oder als mild wirkendes Arzneimittel angewendet werden. Dementsprechend dürfen keine definierten, krankheitsbezogenen Indikationen, sondern nur Formulierungen wie „Zur Vorbeugung gegen …“, „Zu Besserung des Befindens …“, „Zur Stärkung oder Kräftigung …“ genannt werden.
    Die Unbedenklichkeit ihrer Anwendung wird darüber hinaus noch über die Begrenzung auf bestimmte Darreichungsformen (nur oral, äußerlich oder inhalativ) sichergestellt. Traditionelle pflanzliche Arzneimittel finden sich nicht nur im Apothekensortiment, teilweise sind sie auch in Drogerie- und Verbrauchermärkten erhältlich (freiverkäufliche Arzneimittel). Sie sind erkennbar an ihrer Registierungsnummer (Reg.Nr.) und dem Zusatz „Traditionell angewendet“.

Aktuelles wissenschaftliches Material zum well-established oder traditional use

Das für die Zulassung pflanzlicher Arzneimittel und die Registrierung traditioneller pflanzlicher Arzneimittel benötigte wissenschaftliche Erkenntnismaterial setzt sich in der Regel aus mehreren Quellen zusammen: den Monografien der Arzneibücher (Europäisches Arzneibuch, Deutsches Arzneibuch, gegebenenfalls auch die Arzneibücher anderer Mitgliedstaaten) und weiteren verschiedenen Monographie-Sammlungen.

Lange Zeit waren die Monographien der Kommission E, eines Expertengremiums des ehemaligen Bundesgesundheitsamtes (BGA), offizielle Bewertungsgrundlage. Da diese Abhandlungen aber seit 1994 nicht mehr aktualisiert werden, stellen sie inzwischen nicht mehr den aktuellen Kenntnisstand zur Wirksamkeit und Unbedenklichkeit von Phytopharmaka dar. Heute werden deshalb andere Monographie-Sammlungen als Entscheidungsgrundlage verwendet.

Vor allem spielen die seit 2004 veröffentlichten HMPC-Monografien des Ausschusses für pflanzliche Arzneimittel (Commitee on Herbal Medicinal Products/HMPC) der Europäischen Arzneimittelzulassungsbehörde (European Medicines Agency/EMA) eine zentrale Rolle. Sie sind heute der neue regulatorische Standard. Denn sie spiegeln den aktuellen wissenschaftlichen Kenntnisstand zu pflanzlichen Arzneimitteln wider.

Auch wenn die HMPC-Monographien in Deutschland nicht unmittelbar bindend sind, sollen sie aber von den nationalen Behörden für die Zulassung von pflanzlichen Arzneimitteln und Registrierung traditioneller pflanzlicher Arzneimittel zugrunde gelegt werden. In den HMPC-Monographien wird die Droge oder die Zubereitung daraus einer der beiden Kategorien well-established use oder traditional use zugeordnet.

Ginkgo: traditional oder well-established?
Beispielsweise hat das HMPC die Anwendung von Ginkgoblättern in Form von Trockenextrakten (DEV 35-67:1, Auszugsmittel Aceton 60 Prozent) zur Verbesserung altersbedingter kognitiver Einschränkungen und zur Verbesserung der Lebensqualität als well-established use akzeptiert. Ginkgoblätter in Pulverform wurden hingegen als traditionelles pflanzliches Arzneimittel eingestuft (traditional-use).

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