Phytotherapie: pflanzliche Arzneimittel
19 Minuten
- 1Evidenzbasierte Phytotherapie
- 2Status von Phytopharmaka I
- 3Status von Phytopharmaka II
- 4Einzigartige Extrakte
- 5Risiken und Nebenwirkungen
- 6Leitlinien
- 7Lernerfolgskontrolle
01. Dezember 2024
Pflanzliche Arzneimittel sind nicht immer sanft
Phytopharmaka werden von den Kunden nicht zuletzt wegen ihrer guten Verträglichkeit geschätzt und häufig als „sanfte Medizin“ bezeichnet. Allerdings sind sie nicht grundsätzlich ohne Risiken und nicht immer für Säuglinge und Kleinkinder geeignet. Sie können Neben- und Wechselwirkungen auslösen und mit einem allergischen Potenzial behaftet sein. Hier einige bekannte Beispiele:
Interaktionen – Johanniskrautextrakte besitzen ein vergleichsweise hohes Interaktionspotenzial. Sie verstärken die Aktivität des CYP-Systems. So sinkt beispielsweise kommt bei der gleichzeitigen Einnahme mit Ovulationshemmern deren empfängnisverhütende Wirkung.
Extrakte der Kapland-Pelargonie wirken gerinnungshemmend. Bei gleichzeitiger Einnahme anderer gerinnungshemmender Medikamente vom Cumarintyp (wie Phenprocoumon und Warfarin) ist eine verstärkte Wirkung nicht auszuschließen.
Nebenwirkungen – Zubereitungen mit Kava-Kava oder Huflattich wurden wegen des hepatotoxischen Potenzials der Pflanze aus Sicherheitsgründen vom Markt genommen. Bei anderen Präparaten haben Fälle von Leberschädigungen im Zusammenhang mit ihrer Einnahme zur Änderung der Gebrauchs- und Fachinformationen geführt. Entsprechende Hinweise mussten beispielsweise bei Phytopharmaka mit der Kapland-Pelargonie und mit Schöllkraut aufgenommen werden.
Ein anderes Beispiel sind Präparate mit Ginkgo-Blättern. Die Blätter des Ginkgobaums (Ginkgo biloba L.) enthalten neben den wirksamkeitsbestimmenden Inhaltsstoffen auch toxische und eventuell mutagen wirkende Ginkgolsäuren. Für Arzneimittel aus Ginkgo-Blättern ist im Europäischen Arzneibuch eine Höchstmenge an enthaltenen Glykolsäuren (unter 5 ppm) festgelegt. Bei Nahrungsergänzungsmitteln existieren diese Mengenbeschränkungen nicht. Hier haften die Hersteller nur allgemein für die Sicherheit des Produktes.
Vorsicht ist auch bei Pflanzen mit estrogener Aktivität geboten. So sollten beispielsweise Frauen, bei denen in der Vergangenheit oder aktuell eine estrogenabhängige Krebserkrankung der Brustdrüse oder der Gebärmutter diagnostiziert wurde, Präparate mit Soja oder Rotklee vorsichtshalber nur in Absprache mit ihrem behandelnden Arzt einnehmen. Denn sie enthalten Isoflavone.
Isoflavone zählen zu den sekundären Pflanzenstoffen, die eine strukturelle Ähnlichkeit mit Estradiol aufweisen. Im Körper entfalten sie eine (schwache) estrogene Wirkung, indem sie als selektive Estrogen-Rezeptor-Modulatoren (SERM) am beta-Estrogen-Rezeptor angreifen. Die Präparate werden zwar als schonende Alternative zur Hormontherapie und damit zur Linderung von Wechseljahresbeschwerden angepriesen. Allerdings ist die Frage bezüglich ihrer Wirkung auf Brustdrüse, Gebärmutter und Schilddrüse bislang nicht eindeutig geklärt. Die Datenlage zu den damit verbundenen möglichen gesundheitlichen Risiken für Frauen in und nach den Wechseljahren (Peri- und Postmenopause) reicht nicht aus.
Allergisches Potenzial – Typische Arzneipflanzen mit einem hohen allergischen Potenzial stammen aus der Familie der Korbblütler, zum Beispiel
- Kamille,
- Ringelblume,
- Schafgarbe oder
- Arnika (Arnika auch ohne Allergie nicht auf offene Wunden oder Schleimhäute!).
Zudem treten bei Teebaumöl immer häufiger allergische Reaktionen auf.
Altersbegrenzung – Bei Erkältungssalben mit ätherischen Ölen wie Menthol ist Vorsicht geboten. Sie können bei Säuglingen und Kleinkindern lebensgefährliche Krämpfe der Luftwege auslösen.