Phytotherapie
PTA-Fortbildung

Phytotherapie: pflanzliche Arzneimittel

Pflanzliche Arzneimittel und Medizinprodukte sind bei den Apothekenkunden sehr beliebt. Zeigen Sie Ihre Beratungskompetenz, indem Sie wirksame und sichere Präparate empfehlen. Am besten raten Sie zu evidenzbasierten Phytopharmaka.

19 Minuten

Kunden wünschen pflanzliche Therapieoptionen bei den unterschiedlichsten Anwendungsgebieten, insbesondere zur Behandlung leichterer Gesundheitsstörungen. Umfragen zeigen das immer wieder und vielleicht entspricht das auch Ihrer Erfahrung.

Die häufigste Indikation sind dabei unkomplizierte Atemwegsinfekte. Zudem werden pflanzliche Alternativen häufig bei Magen-Darm-Beschwerden, Harnwegsinfektionen, Schlafstörungen oder Wechseljahresbeschwerden nachgefragt.

Lernziele

Lernen Sie in dieser von der Bundesapothekerkammer akkreditierten Fortbildung unter anderem,

  • was evidenzbasierte Phytotherapie bedeutet,
  • was genau man unter Phytopharmaka versteht,
  • wie Phytopharmaka zugelassen werden,
  • wie sie sich von Nahrungsergänzungsmitteln unterscheiden,
  • welchen Stellenwert HMPC-Monografien haben,
  • was einen Spezialextrakt auszeichnet und
  • welche Rolle Phytopharmaka in Leitlinien spielen.

Die Auswahl ist aber nicht immer einfach, denn der Markt der pflanzlichen Präparate ist sehr heterogen. Nicht immer lassen sich Qualität, Unbedenklichkeit und Wirksamkeit bei Mitteln pflanzlichen Ursprungs sicher beurteilen. Auch ist nicht alles Pflanzliche gleichermaßen empfehlenswert. Neben evidenzbasierten Phytopharmaka tummelt sich eine Vielzahl an pflanzlichen Präparaten, die von minderer Qualität sind. Es lohnt sich daher, hier genauer hinzuschauen.

Aus Erfahrung gut: Historie der Heilpflanzen

Pflanzliche Zubereitungen sind die ersten und ältesten Arzneimittel der Menschheit. Bereits vor vielen Jahrtausenden haben Hochkulturen in China und Indien Pflanzenauszüge hergestellt, um Krankheiten zu lindern und heilen. Noch heute sind die Therapierichtungen als Traditionelle Chinesische Medizin (TCM) und Ayurvedische Medizin bekannt und werden inzwischen auch in der restlichen Welt praktiziert.

In Europa hat das Heilen mit Pflanzen seinen Ursprung im alten Griechenland und Rom, wo Ärzte wie Hippokrates (um 460 bis ca. 370 v. Chr.), Dioskurides (1. Jh. n. Chr.) oder Galen (2. Jh. n. Chr.) Pflanzen gegen verschiedene Erkrankungen eingesetzt haben. Ihre Beschreibungen und Erfahrungen waren später die Grundlage für die Mönche des Mittelalters. Sie verfassten Kräuterbücher wie beispielsweise das “Lorscher Arzneibuch“ zur Zeit Karls des Großen (747 bis 814). „De Plantis“ ist das Werk von Hildegard von Bingen (1098 bis 1179).

Darin fanden sich Pflanzenbeschreibungen und Rezeptsammlungen als Grundlage für die damalige Heilkunde. Aufbewahrt wurden diese in speziellen Räumen von Klöstern, in den apotheca, die damit quasi Vorläufer unserer heutigen Apotheken waren. Die für die Arzneien benötigten Heilpflanzen stammten aus den Heilkräutergärten der Klöster. Mönche bewirtschaften diese und waren gleichzeitig auch für die medizinische Versorgung der Bevölkerung zuständig.

Wenige Jahrhunderte später wurden Arzneipflanzen bereits systematisch aufgelistet und detailliert beschrieben, beispielsweise in den berühmten Kräuterbüchern von Pietro Andrea Mattioli (1500 bis 1577) oder von Hieronymus Bock (1498 bis 1554). Paracelsus (1493 bis 1541) verfasste ein Lehrwerk, das „Herbarium des Theophrastus“, in dem sich sogar schon Vorschriften fanden, wie unbrauchbare Bestandteile von wirksamen Inhaltsstoffen in Heilpflanzen durch Destillation abzutrennen sind.

Getrocknete Arzneipflanzen oder Teile davon werden als pflanzliche Drogen bezeichnet. Zudem werden bestimmte Ausscheidungsprodukte wie Harze, Wachse oder Milchsaft dazu gezählt.
 

Fortschritt durch Evidenz

Dennoch war und blieb die heilkundliche Verwendung pflanzlicher Zubereitungen lange Zeit eine Domäne des Erfahrungswissens. Erst im 18. Jahrhundert entwickelte sich allmählich daraus eine naturwissenschaftlich orientierte Therapierichtung. Man begann, die Wirksamkeit von Heilpflanzen wissenschaftlich nach den Prinzipien der Naturwissenschaft zu erforschen.

Im 19. Jahrhundert spielte die Suche nach dem Wirkstoff eine zentrale Rolle. Berühmtes Beispiel war vor über zweihundert Jahren die Entdeckung von Morphin als dem bedeutendsten Inhaltsstoff des Opiums: 1806 isolierte der Apotheker Friedrich Wilhelm Sertürner das Alkaloid aus dem Milchsaft des Schlafmohns als ersten Naturstoff in reiner Form.

Anfang des 20. Jahrhunderts führte der französische Arzt Henri Leclerc (1870 bis 1955) den Begriff der Phytotherapie ein. Er wollte damit die neue naturwissenschaftliche Herangehensweise der Pflanzenheilkunde in Abgrenzung zur vorher unwissenschaftlich ausgeübten „Kräuter-Medizin“ zum Ausdruck bringen.

Seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts werden Arzneipflanzen und ihre Wirkweise unter wissenschaftlichen, auf Beweismaterial gestützten (evidenzbasierten) Kriterien systematisch untersucht. Seitdem spricht man auch von der modernen rationalen oder evidenzbasierten Phytotherapie. Ihr wird das gleiche naturwissenschaftliche Verständnis zugrunde gelegt, das die Medizin beim Umgang mit chemisch-synthetischen Arzneimitteln verfolgt.

Evidenzbasierte Phytopharmaka

Pflanzliche Arzneimittel, die in der Phytotherapie zum Einsatz kommen, werden als Phytopharmaka oder Phytotherapeutika bezeichnet. Auf europäischer Ebene lautet der offizielle Begriff „Herbal Medicinal Products“, kurz HMP. Sie bestehen aus Arzneipflanzen, also

  • Frischpflanzen,
  • getrockneten Pflanzen (Drogen),
  • deren Teilen (z. B. Blätter, Blüten, Wurzeln)
  • oder Bestandteilen (z. B. ätherische Öle)
  • sowie deren Zubereitungen (z. B. Trockenextrakte, Tinkturen, Presssäfte, Ölmazerate).

Phytopharmaka dienen wie chemisch-synthetische Arzneimittel der Heilung, Linderung oder Verhütung von Krankheiten oder krankhaften Beschwerden.

Die evidenzbasierte Phytotherapie setzt nur pflanzliche Präparate ein, die aufgrund überzeugender Studiendaten ihre Wirksamkeit und Unbedenklichkeit wissenschaftlich bewiesen haben. Derartige evidenzbasierte Phytopharmaka finden heute auch immer mehr Aufnahme in ärztliche Leitlinien verschiedenster Fachrichtungen.

Eine gute Empfehlung sind evidenzbasierte Präparate. Besonders empfehlenswert sind solche, die zudem einen Zulassungsstatus besitzen und/oder auf die in Leitlinien Bezug genommen wird.
 

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