Phytotherapie
PTA-Fortbildung

Phytotherapie: pflanzliche Arzneimittel

Pflanzliche Arzneimittel und Medizinprodukte sind bei den Apothekenkunden sehr beliebt. Zeigen Sie Ihre Beratungskompetenz, indem Sie wirksame und sichere Präparate empfehlen. Am besten raten Sie zu evidenzbasierten Phytopharmaka.

19 Minuten

Arzneipflanzen-Extrakte: Unikate

Während Arzneipflanzen früher fast ausschließlich als Tee oder Tinktur zur Anwendung kamen, werden sie heute für die Herstellung von pflanzlichen Arzneimitteln zunehmend zu Extrakten aufbereitet, die zu den üblichen Darreichungsformen weiterverarbeitet werden,zum Beispiel

  • Tropfen,
  • Tabletten,
  • Dragees,
  • Granulate,
  • Kapseln,
  • Zäpfchen.

Die Extraktion erfolgt nach diversen technischen Verfahren, zum Beispiel

  • Aufguss,
  • Abkochung,
  • Kaltauszug oder davon abgeleitete Verfahren

mit unterschiedlichen Extraktionsmitteln, zum Beispiel

  • Ethanol/Wasser,
  • Methanol,
  • Ether oder
  • Aceton.

Art und Konzentration des Extraktionsmittels müssen auf jeder Packung deklariert sein. Die Herstellungsvorschriften für die wichtigsten Extraktionsverfahren finden sich im Deutschen (DAB) und im Europäischen Arzneibuch (Ph. Eur.).

Je nach Art des Verfahrens und des Extraktionsmittels werden aus derselben Arzneipflanze verschiedene Extrakte (z. B. Dick-, Trocken-, Fluidextrakt/Tinktur) mit teils unterschiedlichen Eigenschaften und Wirkungen gewonnen. Extrakte und damit Phytopharmaka sind also einzigartige Unikate.

Da jeder Extrakt einmalig in seiner Zusammensetzung ist, spricht man auch von Spezialextrakten.

Aufgrund der Einzigartigkeit lassen sich Aussagen zur Wirksamkeit nicht von einem Extrakt auf einen anderen und von einem Präparat auf ein anderes übertragen. Diese Tatsache impliziert, dass Phytopharmaka weder Generika-fähig noch austauschbar sind. Forschungs- und Prüfergebnisse sind immer Extrakt-spezifisch, das heißt sie beziehen sich nur auf den untersuchten Spezialextrakt.

Cimicifuga: Extrakte nicht vergleichbar
Auf dem Arzneimittelmarkt befinden sich Phytopharmaka, die zwar die gleichen Pflanzenteile (Rhizome) aus der gleichen Pflanzenspezies (Traubensilberkerze/Actaea racemosa, Synonym: Cimicifuga racemosa L.), enthalten. Dennoch sind die Präparate und damit ihre Wirkungen nicht identisch, da die Pharmaunternehmen zur Herstellung der Spezialextrakte verschiedene Extraktionsmittel (Isopropylalkohol oder Ethanol) einsetzen. Somit variiert in Abhängigkeit vom verwendeten Extraktionsmittel das chemische Profil der Traubensilberkerzen-Extrakte. Das Lösungsmittel selektiert also, welche Bestandteile in den Extrakt gelangen und bestimmt damit die Wirkung des Arzneimittels.

Weitere Beispiele aus dem Apothekenalltag

Bei anderen Phytopharmaka bestimmt die verwendete Pflanzenspezies den Unterschied in der Wirkung und damit ihr Einsatzgebiet. So weisen nur Extrakte des echten Arzneilavendels (Lavandula angustifolia MILL.) einen hohen Gehalt an wertbestimmendem Linalylacetat auf, das für die beruhigende Wirkung verantwortlich ist. Zugleich ist wenig vom unerwünschtem Campher enthalten (unter einem Prozent). Werden andere Arten verwendet, sind die daraus gewonnenen Extrakte oft von geringerer Qualität.

  • So eignet sich beispielsweise das Speiköl des Speiklavendels (Lavandula latifolia) aufgrund seines hohen Gehalts an Monoterpenen nicht für die Arzneimittelherstellung. Es dient lediglich kosmetischen Zwecken oder wird zur Insektenabwehr in Duftlampen eingesetzt.
  • Oder das Öl des Lavandin (Lavandula hybrida): Es findet wegen seines hohen Camphergehaltes vornehmlich in der Kosmetik- und Parfumindustrie Verwendung.

Zudem können verschiedene Pflanzenteile ein unterschiedliches Inhaltsspektrum aufweisen und damit ein anderes Wirkprofil und folglich einen verschiedenartigen Gebrauch bestimmen. Bei Präparaten mit der Brennnessel (Urtica dioica L.) enthalten einige einen Extrakt aus Kraut und Blättern. Dieser hat aufgrund seines hohen Gehaltes an Mineralstoffen eine aquaretische Wirkung und wird zur Durchspülung der unteren Harnwege bei Harnwegsinfektionen eingesetzt. Daneben werden Brennnessel-Präparate mit dem Wurzelextrakt vertrieben. Sie sind zur Behandlung von Miktionsbeschwerden bei benigner Prostatahyperplasie (BPH) indiziert. Hier gelten insbesondere spezifische Lektine (UDA = Urtica dioica Agglutinine), darüber hinaus Polysaccharide, Phytosterole (vor allem β-Sitosterin), Cumarine und Lignane als wirkbestimmend. Sie hemmen die Bildung bestimmter Stoffe, die das gutartige Wachstum der Prostata anregen, und wirken zudem entzündungshemmend.

Der Extrakt ist der Wirkstoff

Da es sich bei einem Extrakt immer um ein komplexes Vielstoffgemisch handelt, bestimmt die Gesamtheit aller Inhaltsstoffe die Wirksamkeit. Auch wenn vermeintlich nur einzelne Inhaltsstoffe wie ätherische Öle, Bitterstoffe, Schleimstoffe, Flavonoide, Vitamine oder Mineralstoffe für die Wirkung kausal verantwortlich zu sein scheinen, macht häufig erst das Zusammenspiel der verschiedenen Substanzen (Wirk- und Begleitstoffe) die Wirksamkeit eines Extraktes aus.

Pflanzliche Arzneimittel bieten dadurch oftmals vielfältige Wirkmechanismen. Sie erlauben es, nicht nur ein Symptom, sondern ein ganzes Symptomspektrum gleichzeitig zu bekämpfen.

Zudem sind häufig noch Synergieeffekte vorhanden. Das bedeutet, dass die Wirkung des Vielstoffgemisches aufgrund der komplexen Zusammensetzung der einzelnen Komponenten stärker als die Summe der Wirkungen aller Einzelbestandteile sein kann. Den Synergieeffekt machen sich Phytohersteller darüber hinaus zunutze, indem sie in ihren Präparaten mehrere Pflanzen kombinieren.

Beispielsweise enthält ein gängiges pflanzliches Präparat, das sich gegen funktionelle Verdauungsbeschwerden richtet, Pfefferminzöl und Kümmelöl zusammen in einer Kapsel. Studien konnten hier zeigen, dass in Kombination beide Öle eine deutlich bessere Wirkung (auf Gasbildung, Metabolismus, Entzündung, Schmerz) als die Einzelöle haben.

Standardisierte Extrakte

Die Qualität der pflanzlichen Extrakte wird durch eine Vielzahl von Faktoren bestimmt:

  • Pflanzenspezies,
  • verwendete Pflanzenteile (z. B. Blätter, Blüten, Wurzeln),
  • unterschiedliche Standortbedingungen der Pflanzen (z. B. Bodenqualität, Temperatur- und Lichtverhältnisse),
  • Zeitpunkt und verwendete Technik der Ernte sowie ­die Weiterverarbeitung (z. B. Zerkleinerungsgrad, Lagerung, Herstellungsverfahren, Extraktionsmittel).

Alles hat einen großen Einfluss auf das Spektrum und den Gehalt der Inhaltsstoffe. Und damit schließlich auf die Qualität und Wirksamkeit der Zubereitung.

Um eine stabile, reproduzierbare Zusammensetzung des Phytopharmakons zu gewährleisten, erfolgt heutzutage die Herstellung unter standardisierten, also genau festgelegten, Bedingungen. Grundvoraussetzung dafür ist ein qualitativ gleichbleibendes Ausgangsmaterial.

Hersteller verwenden heute zunehmend Arzneipflanzen aus kontrolliertem Anbau, da diese eine verlässlichere Qualität als Wildsammlungen besitzen. Einige züchten sogar eigenes Saatgut, um stets einen hochwertigen pflanzlichen Rohstoff mit einem besonders hohen Gehalt an wirksamen Inhaltsstoffen zu bekommen.

Hinzu kommt noch die Normierung, bei der der Extrakt auf einen bestimmten Gehalt an wirksamkeitsbestimmender Substanz oder Substanzgruppe eingestellt wird. Eine Inprozesskontrolle überwacht zudem die standardisierte Prozessführung und bestimmt letztendlich die Qualität.

×