Die Digitalisierung schreitet voran!
17 Minuten
01. November 2021
Das E-Rezept Seit Juli hat die Testphase in der Region Berlin/Brandenburg begonnen, ab Oktober soll es bundesweit geprüft werden und ab Januar 2022 soll das E-Rezept für die Verordnung von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln der Standard sein. Im „Gesetz zum Schutz elektronischer Patientendaten in der Telematikinfrastruktur“ ist die verpflichtende Nutzung des E-Rezepts bei der Verordnung von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln ab Januar 2022 festgelegt. Zurzeit werden in der Testregion Berlin/Brandenburg und im Herbst auch in der gesamten Bundesrepublik technische Abläufe erprobt. Die erste Zwischenbilanz von teilnehmenden Apothekern ist positiv.
Voraussetzung sind HBA und SMC-B, der Anschluss an die Telematikinfrastruktur und eine stabile Internetverbindung. Dann kann es losgehen. Wenn ein Arzt ein Rezept erstellen möchte, gibt er die Medikations- und Stammdaten des Patienten in die Praxis-Software ein. Er versieht das E-Rezept mit seiner elektronischen Signatur und überführt es in die Telematikinfrastruktur in den Fachdienst für das E-Rezept. Hier ist es hinterlegt, bis es später von einer Apotheke abgerufen wird. Patienten erhalten zukünftig nach einem Arztbesuch oder einer Videosprechstunde für die Verordnung von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln nicht mehr das übliche rosa Rezept, sondern entweder einen Papierausdruck oder einen Barcode für das Smartphone – E-Rezept-Token genannt.
Anders als bisher ist der Papierausdruck keine gültige Verschreibung, sondern der Zugangscode, der die Einlösung des E-Rezeptes, das im Speicher der Telematikinfrastruktur hinterlegt ist, ermöglicht. Die Zugangsdaten zum E-Rezept können nur von einem berechtigten Leistungserbringer, zum Beispiel einer Apotheke, verwendet werden. Der Patient kann die Verschreibung entweder über das Smartphone einsehen und an eine Apotheke digital versenden oder er sucht die Apotheke seiner Wahl mit dem Papierausdruck persönlich auf. In letztem Fall können PTA und Apotheker den großen Barcode in der rechten oberen Ecke auf dem Ausdruck des Kunden einscannen und bekommen so Zugriff auf die digitale Verschreibung.
Beim Abscannen erscheinen die Stammdaten des Kunden, des Verordners, Krankenkasse und die Medikationsdaten. Es können wie bisher maximal drei Medikamente auf einer Verordnung zusammengefasst werden. Anders als bisher kann der Kunde selbst bestimmen, ob er Teillieferungen eines Rezeptes – also nur ein, zwei – oder alle Medikamente direkt erhalten möchte. Ist lediglich die Einlösung der Verordnung eines einzigen Arzneimittels erwünscht, dann wird nur der kleine Barcode vor dem jeweiligen Präparat eingescannt. Nun erfolgt die Verarbeitung wie bisher in der Warenwirtschaft. Aber Achtung, die übliche Prüfung der Rabattverträge und die inhaltliche Prüfung des Rezeptes ist weiterhin erforderlich. Das geladene Rezept ist im Speicher des digitalen Gesundheitsnetzes nun nicht mehr existent. Es kann niemals mehrfach mit einem Token abgerufen werden.
Eine andere Möglichkeit für den Kunden ist es, das E-Rezept per Smartphone an eine gewünschte Apotheke zu versenden. Dazu sollte sich jeder Kunde die App der Gematik „Das E-Rezept“ im Apple App Store, Google Play Store oder in der Huawei AppGallery herunterladen. Sie bietet den sicheren Zugang zum E-Rezept. Für die Authentifizierung des Versicherten in der Telematikinfrastruktur (TI) ist derzeit noch ein Smartphone und die elektronische Gesundheitskarte (eGK) notwendig, die beide mit dem Funkstandard NFC (Near Field Communication) ausgerüstet sind. Von dieser App aus kann der Kunde seine Wunschapotheke auswählen und auch überprüfen, ob ein Botendienst möglich ist. Auch soll zukünftig die unverbindliche Verfügbarkeitsanfrage zu Arzneimitteln in bis zu drei Apotheken möglich werden.
Die Gematik plant diese Anwendung voraussichtlich in der zweiten Hälfte 2022 umzusetzen. Zurzeit ist dies noch nicht möglich. Der Patient kann sein E-Rezept auch auf der App ansehen, sucht dann eine Wunschapotheke aus und verschickt das Rezept mit einem Klick direkt an diese. Die jeweilige Apotheke erhält eine Nachricht, dass eine Verschreibung eingetroffen ist und auf Bearbeitung wartet. Dies ist mit den bekannten Abläufen vergleichbar, wenn Bestellungen, die telefonisch oder per Fax eingegangen sind, verarbeitet werden. Die Medikamente werden bereitgestellt oder beim Großhandel bestellt, entweder holt der Kunde seine Arzneimittel persönlich ab oder lässt sie nach Hause liefern. Neu ist hierbei, dass die Apps Chatfunktionen aufweisen, sodass die Apotheke eine Nachricht an den Kunden zur Verfügbarkeit seiner Medikamente schicken kann. Im Freitextfeld können auch andere Aspekte direkt mit dem Kunden geklärt werden.
Anstatt eines rosa Papierrezeptes bekommt der Patient nun einen Barcode für das Smartphone – den E-Rezept-Token.
Korrekturen Die üblichen Plausibilitäts- und Gültigkeitskontrollen, die die meisten Apotheken vor der Abrechnung nochmal vornehmen, werden sich mit dem E-Rezept reduzieren. Bestimmte Formalia (gültiges Rezeptdatum, Unterschrift des Arztes etc.) werden bereits bei Erstellung geprüft und müssen korrekt sein, bevor das Rezept von der Praxis digital freigegeben werden kann. Neu ist, dass es in der Warenwirtschaft eine virtuelle „Rezeptkiste“ geben wird. Hier befinden sich die Rezepte mit dem Status „Abgegeben“. Sie können aber trotzdem noch angeschaut, kontrolliert und nachträglich korrigiert werden, zum Beispiel, wenn eine Sonder-PZN fehlt.
Änderungen müssen jedoch von einem Apotheker mit seinem HBA und seiner elektronischen Signatur abgezeichnet werden. Die Abrechnung der E-Rezepte erfolgt für Versicherte der GKV wie bisher zwischen Apotheke und Krankenkasse. Ein beliefertes E-Rezept wird zur Abrechnung an die Krankenkasse übergeben. Wie die Abrechnung der Rezepte für Versicherte von privaten Krankenkassen erfolgen soll, ist noch nicht final festgelegt. Auch hier werden anwenderfreundliche Lösungen zur Abrechnung oder Einreichen der Rezepte angestrebt.
Einführung Schritt für Schritt Der Zeitplan der Gematik sieht vor, dass seit dem 01.07.2021 zunächst nur apothekenpflichtige Arzneimittel unter freiwilliger Nutzung der GKV in Testprojekten per E-Rezept verordnet werden. Ab 01.01.2022 wird diese Umsetzung verpflichtend sein, auch für die privaten Krankenversicherungen. Ab 01.01.2023 sollen auch Btm- und T-Rezepte sowie digitale Gesundheitsanwendungen auf diese Art ausgestellt beziehungsweise verschrieben werden. Im Bereich der Pflege ist der Anschluss im Januar 2024 geplant. 2025 und 2026 folgen Umsetzungen für die Verschreibung von Soziotherapie und von Heil- und Hilfsmitteln.
Stimmung der Apotheken Die aposcope-Befragung von Apothekerinnen und Apothekern im Auftrag von NOVENTI zeigt, dass die Einführung des E-Rezeptes ab Januar 2022 kritisch beurteilt wird. 78 Prozent der Befragten gehen nicht davon aus, dass das E-Rezept tatsächlich ab diesem Zeitpunkt bundesweit verpflichtend eingeführt wird. Nahezu jeder befragte Apothekenleiter rechne zum Start mit massiven Problemen, so die Studie. Mehr als acht von zehn Befragten (82 Prozent) glauben außerdem, dass die Einführung der digitalen Verordnungen das Sterben der Vor-Ort-Apotheken beschleunigen wird.
Dennoch haben die Apotheken selbst schon zahlreiche Vorbereitungsmaßnahmen ergriffen, darunter die Beschaffung eines elektronischen Heilberufsausweises sowie einer Institutionskarte (jeweils 93 Prozent) zur Identifizierung von Apotheke und Apotheker. Nachholbedarf besteht allerdings in Sachen Kundeninformation. Nur jedes dritte Team hat die Kundschaft bereits über die Einführung des E-Rezeptes informiert. Für diese Studie wurden vom 6. bis 9. Mai 2021 insgesamt 103 verifizierte Apothekeninhaber befragt.
Risiken Die neuen digitalen Prozesse werden die bisherige Versorgung mit Arzneimitteln aus der analogen Welt drastisch verändern. So besteht die berechtigte Sorge, dass mit dem E-Rezept vermehrt Rezepte beim Arzneimittelversand landen. Bisher müssen Rezepte in einen Umschlag gesteckt und per Post verschickt werden. Mit dem E-Rezept wird es für den Kunden viel einfacher mit einem Klick das Rezept an der Vor-Ort-Apotheke vorbei zu verschicken und sich die Medikamente liefern zu lassen. Zurzeit werden Plattformen im Netz vermehrt beworben und etabliert, auf denen pseudo-telemedizinische neben telepharmazeutischen Leistungen angeboten werden.
Hier muss sorgsam geprüft werden, ob nicht auch das Ziel besteht, die ärztliche Verschreibungspflicht für Arzneimittel zu umgehen und zugleich durch Zuweisung von Rezepten die freie Apothekenwahl gefährden, so warnt die ABDA in einer Pressemitteilung und fordert ein klares Bekenntnis der Politik zum Verbraucherschutz und damit auch zur Trennung von Verschreibung und Abgabe von Arzneimitteln. Ursprünglich wurde von den Apothekerverbänden angestrebt, dass es nur eine einzige bundeseinheitliche App zur Verarbeitung von elektronischen Rezepten geben sollte. Das Bundesgesundheitsministerium hat der E-Rezept-App der Gematik als neutrale, erste Eingangs- App zwar zugestimmt, jedoch nur für das Abrufen des Rezeptes. Die bundeseinheitliche E-Rezept-App wird eine Schnittstelle haben, an die Dritte mit ihren Angeboten andocken können.
So wird der Markt für verschiedene Anbieter geöffnet. Es ist damit zu rechnen, dass hier auch über manipulative Methoden und finanzielle Anreize versucht wird, Verordnungen von Kunden zu lenken. Solche Entwicklungen laufen aber der freien Apothekenwahl des Kunden und letztlich auch dem Wettbewerb der Apotheken untereinander zuwider. Grundsätzlich sollten aber die gesetzlichen Regeln zur sicheren Versorgung weiterhin eingehalten werden. Die ABDA fordert daher die Entwicklung der Arzneimittelversorgung in Deutschland nach Einführung des E-Rezeptes zu beobachten. Ziel muss sein, die flächendeckende Versorgung mit Arzneimitteln weiterhin sicherzustellen. Weitere Informationen finden Sie hier.
Glossar
BMP: Bundeseinheitlicher Medikationsplan
e-MP: Elektronischer Medikationsplan
ePA: Elektronische Patientenakte
E-Rezept: Elektronisches Rezept
HBA: Heilberufsausweis
KIM: Kommunikation im Medizinwesen
NFDM: Notfalldaten-Management SMC-B: Security ModuleCard – Betriebsstätte (Institutionsnachweis)
TI: Telematikinfrastruktur VSDM: Versichertenstammdaten- Management
Dr. Katja Renner, Apothekerin
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